Die Spur des Greifen - Wengel: Unterschied zwischen den Versionen
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Nale von Boltansroden brachte ihr Pferd in den kleinen Unterstand, in dem bereits das des Braniboriers stand. Der Geruch von leicht feucht gewordenem Stroh und Heu vermischte sich mit dem der warmen Pferde und des Schnees, der just in diesem Augenblick vom Himmel herabzufallen begann. Sie sattelte und zäumte ihre Stute ab, striegelte sie und gab ihr den kümmerlichen Rest Hafer, den sie noch im Futterbeutel finden konnte. Und während ''Effa'' sich genüsslich darüber hermachte, stieg der Baronin ein nahezu unwiderstehlicher Geruch in die Nase. | Nale von Boltansroden brachte ihr Pferd in den kleinen Unterstand, in dem bereits das des Braniboriers stand. Der Geruch von leicht feucht gewordenem Stroh und Heu vermischte sich mit dem der warmen Pferde und des Schnees, der just in diesem Augenblick vom Himmel herabzufallen begann. Sie sattelte und zäumte ihre Stute ab, striegelte sie und gab ihr den kümmerlichen Rest Hafer, den sie noch im Futterbeutel finden konnte. Und während ''Effa'' sich genüsslich darüber hermachte, stieg der Baronin ein nahezu unwiderstehlicher Geruch in die Nase. |
Version vom 1. März 2019, 19:18 Uhr
Teil der Briefspielgeschichte "Die Spur des Greifen"
Anfang | Goro |
Baronie Greifenpass, Tempel unserer gütigen Etilia bei Kammhütten, Anfang Firun 1041
Nale von Boltansroden, Baronin vom Greifenpass, eilte sich. Von Angbar aus ritt sie über Heimthal und Entensteg in Richtung ihrer in Trottweiher gelegenen Winterresidenz. Doch anstatt sich zum Trottweiher und dem dort befindlichen Schloss hin zu wenden, folgte sie weiter der Reichsstraße hinauf. Auf Höhe des kleinen Dörfchens Kammhütten verließ sie schließlich die Reichsstraße und wechselte auf einen schmalen, bereits etwas verschneiten Pfad ins Gebirge hinein. Dann dauerte es nicht mehr lange und vor ihr schälten sich die mächtigen Umrisse des in den bloßen Felsen hineingehauenen Tempels heraus. Ehrfurchtsvoll ließ sie ihre Goldfelserin langsamer werden. Der Schnee hatte sich über die filigranen Reliefs gelegt und verlieh ihnen nicht nur noch mehr Tiefe, sondern ließ sie noch beeindruckender erscheinen.
Ein Geweihter stand auf den wenigen Stufen, die zum Tempel hinaufführten. Sein Ornat von absolut unpassendem, aber kräftigem rotgold. Ein Diener des Herrn Praios. Nale von Boltansroden seufzte schwer und murrte: „Der Braniborier! Vor dem ist man auch nirgendwo sicher! Ich könnte an das andere Ende Deres reisen und er würde...“
Sie trieb Effa weiter zum Tempel hinauf. Der Schnee knirschte leise unter ihren Hufen. Aus ihren Nüstern drang weißer Dampf und stieg gen Horizont empor. Kurz vor dem Geweihten brachte sie ihre Stute zum Stehen, drehte ganz langsam ihren Kopf zur Seite und fixierte ihn mit ihren tiefblauen Augen.
„Habt Ihr Euch verlaufen, Euer Gnaden?“, frotzelte sie.
Der Geweihte hielt einfach nur ihrem Blick stand.
„Dies hier...“, sie beschrieb mit ihrer rechten behandschuhten Hand einen Bogen, „... ist ein Tempel des Herrn der Toten und nicht einer des Götterfürsten und somit in keinster Weise Eure Wirkungsstätte. Solltet Ihr nicht in Trottweiher – an meinem Hof – sein?“
Der Braniborier musste einen Augenblick schmunzeln. Sein Verhältnis zur Baronin war ein ganz besonderes oder besser gesagt ein ganz spezielles, doch auf eine seltsam verquere Art und Weise war man sich sympathisch, irgendwie und manchmal zumindest.
„Euer Hochgeboren, ich fürchte, dass Ihr Euch verlaufen habt. Denn dies hier...“, und genauso wie die Baronin, beschrieb auch er einen Bogen mit seiner Rechten, „... ist keineswegs Eure Winterresidenz in Trottweiher, sondern ein zugiger und bitterkalter Tempel im beginnenden Winter in Wengenholm und Ihr, werte Baronin, seid einfach nur ein durch und durch unvernünftiges Ding! Ihr erwartet ein Kind, habt Ihr das etwa schon wieder vergessen?“
„Ach, daher kommt das!“, lachte sie nur und wurde dann sogleich ziemlich ernst, „In der Tat, manchmal vergesse ich es. Dann tritt mich Himmelblau mit seinen kleinen Füßchen...“ Sie strich sich mit einem zaghaften Lächeln über ihren Bauch, der allerdings nahezu vollkommen durch ihre schwarze Cappa aus dickem Loden verborgen wurde. „... nur um mich daran zu erinnern, dass ich nicht mehr alleine bin.“
„Wie ich sagte“, wiederholte der Geweihte, „Ihr seid absolut unvernünftig und Euer Gatte ist auch nicht viel besser. Während Ihr einen 3 Schritt großen menschen- und zwergenfressenden Oger jagen geht, bricht er kurz vor dem Winter noch einmal nach Gareth auf und an wem bleibt die ganze Arbeit hängen?“
„Aber Euer Gnaden“, hob Nale von Boltansroden beschwichtigend an, „Nachdem Ihr an meiner Tafel speist und unter meinem Dach schlaft, ist es da etwa zu viel verlangt, dass Ihr einen kleinen Teil beitragt?“
Nun lachte er: „Ihr sprecht doch nicht etwa von diesem provisorischen Zeltlager auf dem Pass?“
Die Baronin schmunzelte. Ein Schenkeldruck genügt und ihre Stute setzte sich in Bewegung. „Verzeiht, dass ich Euch kein horasisches Schlösschen bieten kann!“, rief sie ihm lachend hinterher, „Aber Ihr könnt jederzeit gehen, ich werde Euch nicht aufhalten...“
„Macht Euch bloß keine Hoffnungen!“, rief der Geweihte hinter ihr her, „Ihr werdet mich nicht mehr los!“
„Na dann hoffe ich, Ihr habt etwas zu essen mitgebracht!“
„Gewiss doch, Eure Hungrigkeit!“
Nale von Boltansroden brachte ihr Pferd in den kleinen Unterstand, in dem bereits das des Braniboriers stand. Der Geruch von leicht feucht gewordenem Stroh und Heu vermischte sich mit dem der warmen Pferde und des Schnees, der just in diesem Augenblick vom Himmel herabzufallen begann. Sie sattelte und zäumte ihre Stute ab, striegelte sie und gab ihr den kümmerlichen Rest Hafer, den sie noch im Futterbeutel finden konnte. Und während Effa sich genüsslich darüber hermachte, stieg der Baronin ein nahezu unwiderstehlicher Geruch in die Nase.
„Ich wusste nicht, dass Ihr kochen könnt“, gestand sie schließlich, als der Braniborier ihr eine Schüssel des lecker riechenden Eintopfs überreichte, „Und wie das duftet! Wenn Ihr wüsstet, wie lange ich nichts richtiges mehr gegessen habe...“
„Besser, wenn ich es nicht weiß“, erwiderte der Geweihte nur und füllte seine eigene Schüssel, während die Boltansrodenerin schon eifrig damit beschäftigt war, sich einen Löffel nach dem anderen in den Mund zu schieben und sich darüber beschwerte, dass der Eintopf noch viel zu heiß zum Essen war, „Ich müsste Euch doch nur wieder für Eure Unvernunft schelten.“
Das entlockte ihr ein zaghaftes Lächeln und sie fügte hinzu: „Ich war es, die den letzten Streich gegen diese Bestie geführt hat.“
„Dann klebt wohl nun Ogerblut an Eurer Dschadra!“, lachte er.
„Mir wäre das Blut Charissias lieber gewesen...“
„Welchem Koscher ginge das wohl anders?“
„Wohl keinem!“
„Seht Ihr! Grämt euch also nicht.“
„Das fällt Euch natürlich leicht zu sagen“, entfuhr es ihr da plötzlich, sie sprang auf, ließ ihre Schale zu Boden fallen und begann vollkommen aufgewühlt auf und abzugehen, „Ihr wisst ja auch nicht was sie... was sie... was sie getan hat! Sie ist so eine abscheuliche Person! So widerwärtig! So hinterhältig! So durchtrieben! Nicht nur, dass sie das Begräbnis unseres geliebten Fürsten Blasius versucht hat zu ruinieren, indem sie sich ihrer bösartigen Magie bedienen wollte, nein, nun zieht sie da auch noch ein Kind in ihre dunklen Rituale hinein, ein unschuldiges, wehrloses Kind!“
Da horchte der Braniborier auf: „Ein Kind?“
„Wengel“, brachte sie da gerade noch heraus, dann begann sie heftig zu weinen. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen herab. „Ein verwahrloster kleiner Junge. Und sie war es, die ihn mit ihrer Magie so zugesetzte hat, dass er nie… nie… so sein wird und kann wie… wie andere Kinder. Dabei hat er doch nichts getan. Ist noch ein Kind, versteht Ihr, ein unschuldiges Kind?“
Er nickte sanftmütig: „Und so wie ich Euch kenne, hättet Ihr Euch gerne ihm angenommen?“
Da schluchzte sie nickend und wandte ihre Gesicht von ihm ab: „Ich hätte ihn gerne zu einem aufrechten Ritter erzogen.“
„Wenn das eine geschafft hätte, Euer Hochgeboren, dann Ihr!“, der Geweihte nickte energisch, „Ihr hättet das geschafft! Ganz gewiss sogar.“
Voller Bitterkeit nickte die Baronin und forderte: „Ihr werdet darüber Schweigen!“
„Dass Ihr Euch gerne ihm angenommen hättet?“
Ganz langsam, drehte sie sich zu ihm um. Tränen glitzerten auf ihren Wangen.
„Das hätte ich nicht gekonnt“, erwiderte sie heißer und Bitterkeit lag in ihrer Stimme, „Ich hätte ihn nicht schützen können. Nicht vor ihr! Nicht vor Charissia – seiner eigenen Mutter!“
Autor: Nale