Nisper Gewisper - Das Herz des Grafen: Unterschied zwischen den Versionen

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Inzwischen hatte die kleine Yacht sichtbar aufgeholt und war nur noch wenige Hundert Schritt entfernt. Doch was machte der Segler dort? Es schien, als würde er aufstehen und in seine, Nottels, Richtung blicken. In diesem Moment bekam die kleine Jolle deutliche Schlagseite und der Unterliek des Segels schlug den Segler aus dem Boot. Nottel schrie stumm auf. Dann blickte er entsetzt in Richtung des Bootes, das still und behutsam seinen Weg fortsetzte. Nur die Wellen rechts hinter der Yacht verrieten, was hier schreckliches geschehen war. Nottel zögerte nicht lange und wendete sein Ruderboot. Seine Arme schmerzten, als er endlich die Stelle erreicht hatte, an der der Segler ins Wasser gefallen sein musste. Keuchend vor Anstrengung hielt Nottel inne und spähte in die Dunkelheit. Ihm fehlte die Kraft, um um Hilfe zu rufen.  
 
Inzwischen hatte die kleine Yacht sichtbar aufgeholt und war nur noch wenige Hundert Schritt entfernt. Doch was machte der Segler dort? Es schien, als würde er aufstehen und in seine, Nottels, Richtung blicken. In diesem Moment bekam die kleine Jolle deutliche Schlagseite und der Unterliek des Segels schlug den Segler aus dem Boot. Nottel schrie stumm auf. Dann blickte er entsetzt in Richtung des Bootes, das still und behutsam seinen Weg fortsetzte. Nur die Wellen rechts hinter der Yacht verrieten, was hier schreckliches geschehen war. Nottel zögerte nicht lange und wendete sein Ruderboot. Seine Arme schmerzten, als er endlich die Stelle erreicht hatte, an der der Segler ins Wasser gefallen sein musste. Keuchend vor Anstrengung hielt Nottel inne und spähte in die Dunkelheit. Ihm fehlte die Kraft, um um Hilfe zu rufen.  
  
In einigen Schritt Entfernung trieb der Leib eines jungen Mannes. Das Gesicht war nach oben gewandt, es war umrahmt von hellbraunen, halblangen Haaren. Mit Wasser vermischtes Blut rann über seine blasse Stirn, die Haut war zart und makellos – er schien kaum älter als sechzehn Jahre alt zu sein. Reglos taumelte der Körper sanft auf den Wellen des Sees, die Arme weit ausgestreckt, nur sein einfaches hellblaues Gewand schien sich zu bewegen. Nottel starrte gebannt auf das Bild, sein Herz raste, seine Gedanken schwankten zwischen ungläubiger Bewunderung der Schönheit dieses Jünglings und wilder Angst dass er tot sein könnte. Er fuhr näher heran – versuchte ihn erst mit dem Ruder oben zu halten, dann irgendwie zu packen – doch der Reglose war schwer ... immer wieder glitt er aus Nottels Händen zurück in den dunkelrot glitzernden See. Der verzweifelte Blick des Pagen fiel auf ein Boot in einiger Entfernung.  
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In einigen Schritt Entfernung trieb der Leib eines jungen Mannes. Das Gesicht war nach oben gewandt, es war umrahmt von hellbraunen, halblangen Haaren. Mit Wasser vermischtes Blut rann über seine blasse Stirn, die Haut war zart und makellos – er schien kaum älter als sechzehn Jahre alt zu sein. Reglos taumelte der Körper sanft auf den Wellen des Sees, die Arme weit ausgestreckt, nur sein einfaches hellblaues Gewand schien sich zu bewegen. Nottel starrte gebannt auf das Bild, sein Herz raste, seine Gedanken schwankten zwischen ungläubiger Bewunderung der Schönheit dieses Jünglings und wilder Angst dass er tot sein könnte. Er fuhr näher heran – versuchte ihn erst mit dem Ruder oben zu halten, dann irgendwie zu packen – doch der Reglose war schwer ... immer wieder glitt er aus Nottels Händen zurück in den dunkelrot glitzernden See. Der verzweifelte Blick des Dieners fiel auf ein Boot in einiger Entfernung.  
  
 
„...und zwei Fässer Wein kommen dann noch aus Angbar. Da hat man mir ein gutes Angebot gemacht.“ Haushofmeister Alarich Wengenfold schloss seine Aufzählung und sah ausgesprochen zufrieden mit sich aus.
 
„...und zwei Fässer Wein kommen dann noch aus Angbar. Da hat man mir ein gutes Angebot gemacht.“ Haushofmeister Alarich Wengenfold schloss seine Aufzählung und sah ausgesprochen zufrieden mit sich aus.
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Erst als sie in Steenback, dem nächstgelegenen Ort, anlandeten, schaute sie auf und bemerkte schon eine kleine Versammlung von Leuten.
 
Erst als sie in Steenback, dem nächstgelegenen Ort, anlandeten, schaute sie auf und bemerkte schon eine kleine Versammlung von Leuten.
  
Am Bootssteg angekommen, erwarteten bereits einige Männer und Frauen die beiden Boote. Offenbar war das Geschehen auf dem See nicht unbemerkt geblieben. Einer von ihnen, ein grauhaariger, stämmiger alter Mann mit Augenklappe, erhob das Wort: „Nottel, was hast du bloß wieder angestellt?“ Vorwurfsvoll kam der Alte auf den jungen Pagen zu. Kurz vor dem Boot angekommen, blieb er abrupt stehen und selbst im flackernden Schein der Fackeln konnte man sehen, wie sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. „Bei den Zwölfen, das ist ja unser Herr Graf! Ist er…?“ Die Dorfbewohner, die hinter Korsten zurückgeblieben waren, kamen nun raunend auf die beiden Boote zu und versammelten sich hinter ihrem Schulzen. In den Booten saßen, ein wenig bedröppelt, eine junge Ritterin und ein kleiner Page, beide patschnass. Dazu die Diener der Herrin von Lutzenstrand und ein lebloser Wilbur vom See. Betretenes Schweigen machte sich breit. Offenbar wussten die Leute nicht, was zu tun war und so richteten sich alle Augen auf die arme Korisande.
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Am Bootssteg angekommen, erwarteten bereits einige Männer und Frauen die beiden Boote. Offenbar war das Geschehen auf dem See nicht unbemerkt geblieben. Einer von ihnen, ein grauhaariger, stämmiger alter Mann mit Augenklappe, erhob das Wort: „Nottel, was hast du bloß wieder angestellt?“ Vorwurfsvoll kam der Alte auf den jungen Diener zu. Kurz vor dem Boot angekommen, blieb er abrupt stehen und selbst im flackernden Schein der Fackeln konnte man sehen, wie sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. „Bei den Zwölfen, das ist ja unser Herr Graf! Ist er…?“ Die Dorfbewohner, die hinter Korsten zurückgeblieben waren, kamen nun raunend auf die beiden Boote zu und versammelten sich hinter ihrem Schulzen. In den Booten saßen, ein wenig bedröppelt, eine junge Ritterin und ein kleiner Diener, beide patschnass. Dazu die Diener der Herrin von Lutzenstrand und ein lebloser Wilbur vom See. Betretenes Schweigen machte sich breit. Offenbar wussten die Leute nicht, was zu tun war und so richteten sich alle Augen auf die arme Korisande.
  
 
Diese fühlte sich, als hätte man ihr gerade das Ruder des Bootes über den Kopf gezogen. Der Graf? Das war Wilbur vom See, den sie da grade aus dem Wasser gefischt hatten? „Bei allen Zwölfen…“, murmelte sie. Sie mussten ihn wieder aufwecken, sonst war das eine Katastrophe von kaum auszumalendem Ausmaß…
 
Diese fühlte sich, als hätte man ihr gerade das Ruder des Bootes über den Kopf gezogen. Der Graf? Das war Wilbur vom See, den sie da grade aus dem Wasser gefischt hatten? „Bei allen Zwölfen…“, murmelte sie. Sie mussten ihn wieder aufwecken, sonst war das eine Katastrophe von kaum auszumalendem Ausmaß…
Sie begann, den Jüngling zu schütteln, während sie dem alten Mann, der eben mit dem Pagen gesprochen hatte, zurief: „Guter Mann, wir brauchen hier Hilfe! Irgendwen, der weiß, wie man ihn wieder aufweckt! Und schnell!“
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Sie begann, den Jüngling zu schütteln, während sie dem alten Mann, der eben mit dem Diener gesprochen hatte, zurief: „Guter Mann, wir brauchen hier Hilfe! Irgendwen, der weiß, wie man ihn wieder aufweckt! Und schnell!“
 
Sie beugte sich über den bewusstlosen Grafen. Er schien noch zu atmen. Es war noch nicht zu spät, wenn er schnell Hilfe bekam.
 
Sie beugte sich über den bewusstlosen Grafen. Er schien noch zu atmen. Es war noch nicht zu spät, wenn er schnell Hilfe bekam.
  
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Gidiane redete unbeirrt weiter: „Ich, also, ich bin keine, äh, Heilerin, nicht wahr. Aber die Damen vom Dreischwesternorden, also, die sollten Hochwohlgeboren vielleicht, also, einmal inspizieren. Ist er, also, der Herr Graf, denn schon wieder, also, bei Bewusstsein?“
 
Gidiane redete unbeirrt weiter: „Ich, also, ich bin keine, äh, Heilerin, nicht wahr. Aber die Damen vom Dreischwesternorden, also, die sollten Hochwohlgeboren vielleicht, also, einmal inspizieren. Ist er, also, der Herr Graf, denn schon wieder, also, bei Bewusstsein?“
  
Herrje, Alarich machte ein ganz unglückliches Gesicht, als er mit einem Blick in die Runde feststellte, dass sich in all der Ruhe nach dem Sturm offenbar niemand mehr um den armen Grafen zu kümmern schien! Hastig blickte er sich im Schankraum um. Überall fröhliche und entspannte Gesichter, einige vom Bier bereits gerötet. Der dicke Nottel saß inmitten einer Runde Bauern, die ihm auf die Schultern klopften, doch irgendwie sah er nicht so aus, als wenn er das besonders genießen würde. Stattdessen blickte der Page verträumt in die Ecke neben dem Kamin. Alarichs Blick wanderte ebenfalls dorthin.  
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Herrje, Alarich machte ein ganz unglückliches Gesicht, als er mit einem Blick in die Runde feststellte, dass sich in all der Ruhe nach dem Sturm offenbar niemand mehr um den armen Grafen zu kümmern schien! Hastig blickte er sich im Schankraum um. Überall fröhliche und entspannte Gesichter, einige vom Bier bereits gerötet. Der dicke Nottel saß inmitten einer Runde Bauern, die ihm auf die Schultern klopften, doch irgendwie sah er nicht so aus, als wenn er das besonders genießen würde. Stattdessen blickte der Dinerverträumt in die Ecke neben dem Kamin. Alarichs Blick wanderte ebenfalls dorthin.  
 
„Peraine sei gelobt!“ seufzte Alarich und erhob sich, um zu seiner Herrin zu gehen, die dort neben dem schlafenden Wilbur vom See kniete und seine Hand hielt. Die Geweihte der Hesinde folgte ihm.
 
„Peraine sei gelobt!“ seufzte Alarich und erhob sich, um zu seiner Herrin zu gehen, die dort neben dem schlafenden Wilbur vom See kniete und seine Hand hielt. Die Geweihte der Hesinde folgte ihm.
  
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Dort lag der Graf und starrte an die Decke. Man sah ihm seine Erschöpfung an, doch offenbar konnte er nicht schlafen. Seine rehbraunen Augen wanderten zu Korisande. Seine noch immer fast jungenhafte, helle Stimme klang leise: „Habt Ihr mich gerettet? Wer seid ihr?“
 
Dort lag der Graf und starrte an die Decke. Man sah ihm seine Erschöpfung an, doch offenbar konnte er nicht schlafen. Seine rehbraunen Augen wanderten zu Korisande. Seine noch immer fast jungenhafte, helle Stimme klang leise: „Habt Ihr mich gerettet? Wer seid ihr?“
  
„ Mein Name ist Korisande von Lutzenstrand, Ritterin von Lutzenstrand.“, erwiderte Korisande ebenso leise. „Zusammen mit einem tatkräftigen jungen Pagen namens Nottel, der dem Ritter von Steenback dient, habe ich Euch aus dem See gezogen. Nun ja, einige kräftige Ruderer haben auch noch mitgeholfen.“  Sie senkte die Stimme noch weiter, bis sie nur noch flüsterte. „Doch sagt, Euer Hochwohlgeboren, was in aller Zwölfe Namen habt Ihr dort gesucht, ganz allein auf dem Wasser?“
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„ Mein Name ist Korisande von Lutzenstrand, Ritterin von Lutzenstrand.“, erwiderte Korisande ebenso leise. „Zusammen mit einem tatkräftigen jungen Diener namens Nottel, der dem Ritter von Steenback dient, habe ich Euch aus dem See gezogen. Nun ja, einige kräftige Ruderer haben auch noch mitgeholfen.“  Sie senkte die Stimme noch weiter, bis sie nur noch flüsterte. „Doch sagt, Euer Hochwohlgeboren, was in aller Zwölfe Namen habt Ihr dort gesucht, ganz allein auf dem Wasser?“
  
 
„Ich, ich hatte gehofft ...“, die Dankbarkeit im Herzen Wilburs weckte in ihm die Versuchung sich der Ritterin anzuvertrauen. Er kannte sie nicht, doch er kannte das schöne Lutzenstrand, das er als Kind hin und wieder besucht hatte. Vielleicht erschien sie ihm deshalb so vertraut. Allein, die in ihm aufkeimende Scham ließ ihn zögern. Er war verwirrt ... noch immer klang in ihm das starke Gefühl, ja die Gewissheit, nach, dass Rahja selbst ihn in dieser Nacht auf den See geführt hatte. Konnte er sich so getäuscht haben? Konnte die Göttin ihn so getäuscht haben?  
 
„Ich, ich hatte gehofft ...“, die Dankbarkeit im Herzen Wilburs weckte in ihm die Versuchung sich der Ritterin anzuvertrauen. Er kannte sie nicht, doch er kannte das schöne Lutzenstrand, das er als Kind hin und wieder besucht hatte. Vielleicht erschien sie ihm deshalb so vertraut. Allein, die in ihm aufkeimende Scham ließ ihn zögern. Er war verwirrt ... noch immer klang in ihm das starke Gefühl, ja die Gewissheit, nach, dass Rahja selbst ihn in dieser Nacht auf den See geführt hatte. Konnte er sich so getäuscht haben? Konnte die Göttin ihn so getäuscht haben?  

Version vom 8. Juli 2010, 10:48 Uhr

Teil der Briefspielgeschichte "Nisper Gewisper"