Krambold

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Geschwind wie ein Steinbock springt Barinde über Felsen und Wurzeln den steilen Hang hinab. Ihre Ziegen hat sie für einmal unbewacht droben auf der Bergwiese zurückgelassen (Halt, nicht ganz: Waldun ist bei ihnen, der treue Hund!). Doch selbst der gestrenge Gevatter Halmfold wird nicht barsch mit ihr sein, nicht heute, nicht bei der Nachricht, die sie bringt. „Der Krambold kommt! Der Krambold kommt!“, ruft sie laut, noch bevor sie die ersten Hütten des Dorfes vor sich sieht. Da wird Nachbars Hanno staunen, daß sie den Krambold als erste erblickt hat. Mit seiner schweren Kiepe hat sie den stämmigen Mann den Pfad zum Dorf heraufstapfen sehen, ein wenig unter der Last schwankend, aber doch sicheren Schrittes und ein fröhliches Liedchen pfeifend. Gerade so bog der Krambold jetzt auch um den Holzschober des Krautbukschen Gehöfts auf den Platz um die Linde, wo sich im Nu das ganze Dorf versammelt hat.

Herrn Phexens Gruß entbiet‘ ich Euch, Bin wohl ein rechter Steigermann Komm von weit her mit gutem Zeug So schaut Euch meine Waren an.

„Bei Frau Travias Gastlichkeit, seid uns willkommen allezeit,“ entgegnet die Dorfälteste dem Brauch entsprechend, und der Geweihte Angwart nickt zustimmend. Denn obschon er Barinde oft Geschichten von herum streunenden Volk erzählte, das stahl und gar Kinder raubte, achtete er doch die Gebote der Gastlichkeit, und der Krambold hatte die Worte ohne Fehl gesprochen. Und nun ließ dieser die Last von den Schultern. öffnete seine Kiepe und all die kleinen Beutel und Taschen, die er überdies außen an das Gestell gebunden hatte, und breitete seine Waren aus. Da lagen nun all die seltenen und wunderbarenen Dinge, von denen es mancherlei nicht einmal in Koschtal und gewiß nicht drunten in Drabenburg geben mochte. Roten Zwirn estannd die schöne Lorine, einen Feroker Zinnkrug der Wirt Ergrosch, neue Knöpfe der Grunsbirner Bauer, die Witwe Raschplög gar den ganzen Ballen weichen Leinens (wollte sie sich doch im nächsten Mond wiederverheiraten und daraus ihr Brautkleid nähen), der alte Wengel für 12 Taler ein eigenes Rasiermesser… kurz, es war keiner, der nicht zuwenigst ein kleines Ding erwerben wollte. Später am Tag, als die Geschäfte getätigt und der Handelsschluck gestürzt waren, sah Barinde den Krambold in Ergroschs Schenke sitzen, bei einem Bier mit dem kauzigen Imker Nottel und Hanno. Die übrigen Dörfler standen zusamengedrängt an der Theke, denn ganz geheuer war ihnen der Fremde nicht. Was mochte einen braven Koscher bewegen, den Ort, den ihm Praios bestimmte und das Heim, das ihm Travia gab zu verlassen und rastlos umherzuziehen wie ein Gaukler, Söldling oder anderer Streuninger? Begierig auf Nachrichten aus der Fremde hing Hanno an den Lippen des Fremden, doch viel schien dieser nicht zu erzählen zu haben. Von Zeit zu Zeit nahm er einen Schluck, und wechselte mit dem Imker einige gemurmelte Worte über das Wetter, wie es früher gewesen wäre, und wann in diesem Jahr der Winter käme. Barinde erinnerte sich noch an den Krambold, der im letzten Phexmond gekommen war. Das war doch wahrhaft ein viel lustigerer Geselle gewesen, ein junger Bursche, der abends mit seinem Quetschbeutel zum Tanz aufgespielt hatte. Andertags war er verschwunden gewesen. Die Männer hatten geflucht und Lorine geweiht, ohne daß Barinde wußte, warum… Dieser hier schien ein bloß alter Griesgram zu sein. Das dachte Barinde zumindest solange, bis der Krambold seine Pfeife hervorgeholt hatte, sie gemählich entzündete, einige Rauchringe in die Luft blies und dem staunenden Hanno erzählte, wie es wirklich war, im ehernen Angbar und im Hinterkosch jenseits der Berge … Während sie der Erzählung des Krambolds lauschte, vergaß auch Barinde die Zeit, bis sie ein Knallen und Brennen erweckte, daß die kräftige Hand der Mutter auf ihrer Wange entfachte. Die Ziegen allein gelassen hatte sie, nur wegen des Fremden… !“

Unheimlich sind sie den braven Koscher Landsassen, die seltsam-verschrobenen Gesellen, gleich den Gauklern und Huren, Schindern und Kräuterweibern. Doch zugleich erwartet jedes Dorf die Ankunft des Krambolds, der oft der einzige ist, der ihnen noch im bitterkalten Firunmond Waren und Zeitung aus der Fremde bringt. Wenig Freunde haben die Streuniger allerdings den ebenfalls umherziehenden Gesellen der Schmiede, Gerber und Müller (oder beliebiger anderer Gilden, ist egal) sowie den ortsansäßigen Krämern und manchen Geweihten (in der priesterkaiserlichen Lichtei Greifenpass ward mehr als ein Krambold als Druide oder Hexe den reinigenden Flammen übergeben). Gut verstehen sie sich dagegen mit Imkerm, Hirten und Fährleuten, oft ähnlich kauzigen Einzelgängern.

Berühmtester aller Krambolde ist noch 800 Jahre nach seinem verbürgten Tod der Tralliker Wilbur Sumspflog, um den sich zahlreiche Sagen ranken. Wenn man ihnen glauben schenkt, war dieser Krambold nicht nur weise, mutig, schlau und ein rechter Feilscher Boltanspieler nach Phexens Art, sondern obendrein der Begründer vieler der eigentümlichen Sitten der Krambolde: des Handelsschlucks (zwei kleine Becher aus Ferdoker Zinn für das Schlückchen nach dem Verkauf sind immer bereit), des Wilbur-Grußes, der großen Kiepe oder des Verbots, tobrischen Käse zu handeln.

Unter den Krambolden finden sich seit jeher auch manch einer jener Hügelzwerge, die irgendwann einmal die Abenteuerlust gepackt hat, und die doch das geliebte Koscher Land nicht hinter sich lassen wollten. Denn wenn man auch zuweilen im Greifenfurtschen oder Garetischen, dem hinterkoscher Gratenfels oder gar im sonnigen Almada auf einen der ihren stoßen mag, so ist der Außerkosch nicht einmal den Krambolden recht genehm.