Uztrutzer Umtriebe - Wettklettern auf Alt-Rudes Schild
Teil der Briefspielgeschichte "Uztrutzer Umtriebe"
Zwei Zweikämpfe | Der Prozess |
1038, Alt Rudes Schild
Die ehemalige Kaiserpfalz hatte lange Zeit nicht mehr so viel Leben in ihren Mauern gesehen wie an diesem Tag. Der aus den Felsen ragende Bergfried blickte auf gleich zwei Parteien von Adligen nebst Gefolge hinab, die sich an seinem Fuss versammelt hatten.
Brumil Sohn des Burgom hatte den gesamten Vormittag damit verbracht, zwischen Derya und Grimbart von Uztrutz die Regeln des Wettkletterns zu vermitteln. Beide Seiten befürchteten Manipulation und Betrug, und jeder hatte Vorschläge, wie man derlei ausschließen konnte. Die Idee, die Kontrahenten getrennt klettern zu lassen und die Zeit zu nehmen, war mit überraschender Einstimmigkeit abgelehnt worden, und der von Rondrolf Grobhand angebrachte Vorschlag eines Sicherungsseiles, um möglicherweise tödliche Abstürze zu verhindern, von dem Schwertbruder kategorisch abgelehnt worden.
So einigte man sich schließlich darauf, dass sowohl Derya wie auch Grimbart in voller Rüstung den Bergfried erklimmen mussten, nur mit einem Seil als Hilfe. Zwar boten die wuchtigen Mauersteine ausreichend Halt, um sie zu ersteigen, dennoch mussten gute fünfundzwanzig Schritt Höhenunterschied überwunden werden.
Sehr viel längere Streitigkeiten gab es um den Begriff der „vollen Rüstung“. Das Grimbart in dem ihm gewohnten Ornat klettern würde, stand außer Frage, aber welches Rüstzeug sollte man seiner Kontrahentin aufbürden. Es kostete Brumil viel Schweiß und noch mehr Überredungskunst, bis man sich endlich einigen konnte.
„Bleibt das Problem der Aufsicht“, meinte er schließlich. Ich schlage vor, dass die Wettstreitenden in persona die Seile auf ihre Unversehrtheit überprüfen. Zwei von ihnen benannte Vertraute erklimmen anschließend den Turm und befestigen die Seile an den Zinnen. Ich selbst werde die Knoten auf ihre Festigkeit prüfen, und den Wettbewerb anschließend freigeben.“
„Falls ich doch noch einen Vorschlag machen dürfte“, meldete sich Rondrolf Grobhand aus dem Hintergrund. Er hatte sich bedeckt gehalten, nachdem seine Sicherungsleine derart brüsk abgelehnt worden war. „Könnte man nicht die Seile farblich markieren und erst nach dem Befestigen darum losen, wer an welchem Seil zu klettern hat? So wäre jegliche Manipulation mit dem Risiko verbunden, dass die eigene Partei einen Nachteil hinnehmen muss!“
Brumil strich sich über den Bart und blickte dann erst zu Derya, dann zu Grimbart.
„Ein durchaus weiser Vorschlag“, befand der Schwertbruder schließlich. „Und mir ist es gleich, an welchem Seil ich den Turm bezwinge!“
„Mir ist es gleich, an welchem Seil ich EUCH bezwinge, Grimbart“, schnappte Derya siegessicher. Angesichts der immer noch lädierten Schulter des Schwertbruders und seinem größeren Gewicht schien sie keinen Zweifel daran zu haben, die Zinnen des Turms als erste zu erreichen.
„Dann sei es so. Wir markieren die Seilenden mit farbigen Bändern und losen direkt vor dem Wettkampf, welche Partei welches Seil nimmt“, entschied Brumil, erleichtert, dass nicht auch diese Massnahme Gegenstand langer Debatten wurde.
„So benennt nun die Person Eures Vertrauens, welche das Seil befestigen soll!“
„Trest von Vardock!“ erklärte Derya ohne jedes Zögern. Der Genannte trat vor und verneigte sich formvollendet.
Grimbart schürzte nachdenklich die Lippen und musterte seine Gefolgschaft.
„Roban Grobhand von Koschtal“, rief er dann, und der Gerufene verschluckte vor Überraschung beinahe seine Pfeife.
„Was? Mich?“ hustete er durch die Qualmwolken. „Erst duelliert Ihr Euch mit mir, und dann legt Ihr Eure Leben in meine Hände?“
„Eben deshalb“, beharrte Grimbart entschlossen. „Ihr habt Euch als aufrechter Kämpfer erwiesen, durchtrieben wohl“, Derya ließ ein spöttisches Schnauben hören, „aber im Herzen aufrecht. Ich bin mir sicher, mich auf Euch verlassen zu können!“
„Na, wenn Ihr meint“, brummelte Roban, klopfte die Pfeife am Stiefelabsatz aus und trat vor. Grimbart beugte sich kurz zu ihm herunter, als er in seine Nähe kam.
„Außerdem bin ich mir sicher“, raunte er, „dass Ihr Angbarer Allerlei aus dem Vardocker macht, wenn er zu betrügen versucht!“
„Würde seine Goldlöckchen zumindest bös durcheinander bringen“, versprach Roban grinsend.
Die Inspektion der Seile kostete weitere Zeit. Während man getrennt voneinander das Mittagsmahl einnahm, prüften Derya und Grimbart mit ihren Vertrauten Schritt um Schritt der Seile auf Beschädigung, Fremdkörper und andere Versuche, das Klettern zu erschweren. Gefunden wurde nichts, und so gaben schließlich beide Seiten ihr Einverständnis, die Seile an den Zinnen zu befestigen.
Mit den Seilen auf den Schultern verschwanden Roban und Trest durch die schmale Pforte im Burginneren.
„Zwei Silberstücke, dass nur einer von ihnen lebend oben ankommt“, grunzte Leowina Steinkopf auf Butterwus abfällig.
„Dann wette ich fünf, dass es der Grobhänder ist“, lachte Holdwin vom Kargen Land. „Oder was meint Ihr, Herr Rondrolf – würde Euer Bruder so einen Kampf gewinnen oder nicht?“
Rondrolf zog die Lippen kraus.
„Ein Kampf auf der engen Wendeltreppe, mit einem schweren Seil auf der Schulter? Wettet zehn Silberlinge, Herr vom Kargen Land, genau für solche Situationen hat Roban immer verrückte Ideen auf Lager, um den Sieg zu holen. Manchmal glaube ich, man hat ihm in Tobrien einfach zu oft auf den Kopf geschlagen, als dass er sich noch so verhalten könnte, wie man es von einem Adelsmann erwartet!“
„Ein wahres Wort, fürwahr“, stimmte Grimbart bei. Minuten verstrichen, in denen jeder mit dem Kopf im Nacken zu den Zinnen hinauf blickte. Dann endlich erschien der Kopf des Vardockers über deren Rand.
„Ihr schuldet mir fünf Silberlinge, Herr vom Kargen Land“, murmelte Leowina und schirmte die Augen gegen die Mittagssonne mit der Hand ab.
„Unentschieden“, entgegnete dieser. „Der Grobhänder ist ebenfalls oben. Scheinen beide bei guter Gesundheit zu sein.“
Roban und Trest starrten sich über ihre Seilrollen an wie Duellanten.
„Ich hoffe, Ihr wisst, wie man anständige Knoten bindet, Herr Grobhand“, spottete Trest schließlich. „Wir wollen doch nicht, dass der Herr Grimbart auf halber Höhe abstürzt, weil sich Euer Knoten löst!“
„Da zerbrecht Euch nicht Euer frisch gewaschenes Köpfchen drum“, knurrte Roban finster. „Deryas läuft ja auschließlich Gefahr, von dem herabfallenden Seil im Burghof erschlagen zu werden. Seile kann man nämlich nicht festbürsten, Herr von Vardock!“
Knurrend und grummelnd wanden beide Männer Schlingen in die Seile, und beide schienen darüber nachzudenken, ob man sie statt um die Zinnen nicht lieber um den Hals des Anderen legen sollte. Fast zeitgleich erhoben sie sich schließlich, zurrten die Schlingen an zwei passenden Zinnen fest und warfen nach einem gerufenen „Obacht“ die Seile über die Mauer. Klatschend schlugen sie im Burghof auf, wo Brumil zwei farbige Bänder, eins in Rot und eins in Blau, an ihnen befestigte. Gleichfarbige Stoffstücke wurden in einen Beutel gesteckt, aus dem jeder der Kontrahenten eins nahm. Derya zog das blaue Stück, Grimbart das Rote.
„Klettern in der Farbe der Herrin“, freute er sich über das scheinbar gute Omen, während Derya das Ergebnis schulterzuckend akzeptierte.
„Dann sei es entschieden!“ Brumil inspizierte noch einmal die Kleider und insbesondere die Stiefel der Wettstreiter und nickte schließlich zufrieden. „Im Namen seiner Durchlaucht, des Fürsten Blasius vom Eberstamm, sei der Wettkampf hiermit eröffnet. Begebt Euch an die Euch zugewiesenen Seilenden!“
Grimbart und Derya traten vor, ergriffen die Seile und stemmten den rechten Fuss an die Mauer des Bergfrieds. Brumil hob den Grevenstecken.
„Auf mein Zeichen – LOS!“
Die Worte waren kaum verklungen, als sich beide Kletterer mit größtem Eifer in Bewegung setzten. Angefeuert von den Rufen ihren Gefolgschaft und sorgenvoll beobachtet durch Rondralieb von Uztrutz und den wenigen Bewohnern, die auf Alt-Rudes Schild daheim waren, erklommen beide Schritt um Schritt. Derya war tatsächlich schneller als Grimbart, dem seine durch Robans Hieb verletzte Schulter wohl doch mehr zu schaffen machte, als er sich hatte eingestehen wollen. Rasch gewann Derya einen Vorsprung, doch ihr Tempo hatte auch sein Risiko. Als sie schon beinahe zehn Schritte hoch war, rutschte ihr Fuss von der Mauer.
Ein entsetzter Aufschrei ging durch die Zuschauer, als der Körper einige Sekunden lang in der Luft baumelte, doch dann konnte Derya sich fangen und erneut die Füsse gegen die Mauer stemmen. Jetzt kletterte sie mit mehr Bedacht, und Grimbart holte auf. Fast war er auf gleicher Höhe, und Derya musste erneut alle Vorsicht fahren lassen, um nicht überholt zu werden, als ein dunkles Schemen am Turm vorbei flog.
„Ein Bolzen!“ rief jemand, als Grimbart zusammen zuckte und jetzt seinerseits den Halt verlor. Einige Köpfe wandten sich in die Richtung, aus welcher das Geschoss gekommen war, und konnten ein Schemen sehen, dass sich von einem der geöffneten Fenster in das Innere eines Nebenbaus zurück zog.
„Fasst den Schurken schrie jemand!“, und schon setzten sich einige Bewaffnete in Bewegung.
„Runter vom Turm! Attentat!“ gellte eine andere Stimme. Grimbart, nur noch mit einer Hand am Seil hängend, schien am Kopf verwundet zu sein. Derya starrte ihn an, dann ließ sie sich mit raschen Bewegungen vom Turm herab, ehe er heimtückische Schütze ein zweites Mal anlegen konnte.
„Klettert hinab, Grimbart!“ übertönte die Stimme Erlan von Sindelsaums die anderen Rufe. „Beeilt Euch! Brumil, Ihr müsst den Wettkampf abbrechen!“
Der Zwerg nickte, sagte aber nichts. Seine Blicke irrten zwischen Derya, die beinahe wieder festen Boden erreicht hatte, und Grimbart hin und her. Dem lief das Blut aus einer Stirnwunde in die Augen. Wie schwer die Verletzung war, konnte man auf die Distanz nicht ausmachen. Doch der Zwerg sagte nichts.
„He, Uztrutzer! Geht Euch die Puste aus?“ klang da eine Stimme von den Zinnen des Bergfrieds. „Eine Sumpfranze mit Gliederreißen klettert schneller als Ihr!“
Einige Köpfe richteten sich wieder zur Turmspitze. Roban Grobhand lugte über die Mauer auf Grimbart hinab, als habe er gar nicht bemerkt, was geschehen war. Grimbart gelang es, das Seil wieder mit beiden Händen zu greifen.
„Mein Bruder wäre schneller hier oben als Ihr“, fuhr Roban vernehmlich fort. „Und dem wird schon schwindelig, wenn er nur auf einen Fussschemel steigen muss!“
Grimbarts Füsse stemmten sich gegen die Mauer, und mit neuer Verbissenheit zog sich der Schwertbruder Schritt für Schritt den Turm hinauf. Derya, mittlerweile wohlbehalten im Burghof angekommen, starrte fassungslos in die Höhe, und auch andere machten ihrem Unglauben Luft.
„Euer Bruder muss den Verstand verloren haben, Grimbart jetzt noch anzufeuern!“ ächzte Leowina Steinkopf auf Butterwus entsetzt.
„Falls er jemals welchen besaß!“ fügte Holdwin vom Kargen Land hinzu.
„Ich will weder dem einen noch dem anderen widersprechen!“ murmelte Rondrolf und wandte den Blick ab. Grimbart hatte mittlerweile fast zwanzig Höhenschritt hinter sich gebracht, ein Sturz aus dieser Höhe würde vermutlich tödlich sein. Er musterte kurz Deryas Gefolge, dass ebenfalls zu dem Schwertbruder hinauf blickte. Dann zupfte er Holdwin am Ärmel und deutete auf den Gemahl der Uztrutzerin.
„Seht Euch mal den Herrn von Treublatt an. Er wirkt weder erschrocken noch bestürzt über das Geschehen, oder irre ich mich!“
Nur unwillig wandte Holdwin den Blick ab, doch dann nickte er langsam.
„Eher...wütend über die Entwicklung. Merkwürdig, findet Ihr nicht?“
„Zumindest bemerkenswert“, murmelte Rondrolf. „Hoffen wir, dass man den Schützen stellt – lebend stellt, damit man ihn befragen kann!“
Auf den Zinnen starrte Roban immer noch in die Tiefe. Er war bemüht, seiner Stimme die Spannung nicht anmerken zu lassen, und gleichzeitig Trest von Vardock zu ignorieren, der pausenlos auf ihn einredete.
„Es ist doch Wahnsinn, den Mann noch klettern zu lassen. Das Blut läuft ihm in die Augen, auf die Finger, auf das Seil! Wenn er abstürzt, habt Ihr einen Diener Rondras auf dem Gewissen!“
„Wenn Ihr nicht endlich das Maul haltet, Mann, habe ich gleich Trest von Vardock auf dem Gewissen!“ blaffte Roban und spähte erneut über die Mauer. „Was dauert das so lange, Uztrutz? Ich will pünktlich zum Abendmahl kommen!“
„Ein Irrer seid Ihr, ein Fall für die Noioniten!“ schrie Trest von Vardock mit zornesrotem Antzlitz. „Klettert herunter, Grimbart. Opfert nicht Euer Leben um des Wahnsinns dieses Mannes!“
„Ja, kneift den Schwanz ein, das ist hübsch bequem, und die Donnernde wird Euch garantiert vergeben! Die liebt es, wenn man kurz vor dem Sieg schlapp macht!“ setzte Roban sofort hinterher. Hand über Hand zog Grimbart sich in die Höhe, das Gesicht von Schmerz und Wut verzerrt. Nach endlosen Momenten zog er sich keuchend über die Mauer und sank an deren Fuss nieder.
„Wäre ich nicht...so aus der Puste...ich würde Euch das Fell gerben...für Eure Worte!“ schnaufte er, halb wütend, halb grinsend.
„Jaja, könnt Ihr später noch“, versprach Roban und zog ein nicht besonders sauberes Tuch aus der Tasche. „Jetzt lasst erst mal Eure Stirn sehen!“
Alles andere als sanft wischte er das Blut weg, ohne dass Grimbart einen Laut der Klage von sich gab.
„Ein Schwein habt Ihr“, meinte er schließlich. „Gibt eine schnurgerade Narbe genau über den Brauen, gute drei Finger lang und wie mit dem Lineal gezogen!“
„Der Herrin sei Dank!“ lachte Grimbart. „Das war eine gute Idee, mich am Stolz zu packen. Ihr würdet einen famosen Schleifer abgeben!“
„Ihr hättet die Weibel in Tobrien mal hören sollen“, grunzte Roban. „Gegen die sehe ich aus wie ein Waisenknabe!“
Grimbart sah sich auf der Turmspitze um.
„Wo ist der Herr von Vardock?“
Auch Roban wandte sich dem leeren Wehrgang zu.
„Gegangen, glaube ich. Vielleicht haben wir ihn gelangweilt, oder er muss seine Löckchen richten! Auch wir sollten gehen – es gibt einen Sieg zu feiern, da wollen wir nicht unpünktlich sein. Und ich hoffe, Ihr vergebt mir die harschen Worte. Ihr klettert besser als jede Sumpfranze!“
Grimbart lachte und betastete die Stirnwunde.
„Es sei Euch vergeben. Vorausgesetzt, Ihr haltet beim nächsten Mal an Euch!“
Roban blies die Wangen auf, als Grimbart in Richtung Treppe davon schritt.
„Ihr verlangt das Unmögliche, Grimbart!“ seufzte er.
Im Burghof ließ Grimbart sich feiern, während Brumil sich des Protestes von Derya erwehren musste.
„Der Wettkampf kann nicht gewertet werden!“ ereiferte diese sich. „Es wurde manipuliert, dass könnt Ihr doch nicht abstreiten!“
„Tue ich gar nicht!“ erwiderte der Angroscho ungerührt. „Aber Ihr könnt nicht abstreiten, dass zu Euren Gunsten manipuliert wurde, auf Euer Geheiß oder nicht! Aus dem Winkel, aus dem geschossen wurde, verdeckte Grimbart Euch. Der Schuss galt also ganz unzweifelhaft ihm! Somit sehe ich keinerlei Anlass, ihm den Sieg abzuerkennen. Zumal ich Euch mit keinem Wort aufgefordert habe, das Klettern einzustellen, und den Wettkampf auch nicht abgebrochen habe!“
„Wollt Ihr mir unterstellen, das Attentat initiiert zu haben?“ schnappte Derya ungehalten. Ihr Mann stellte sich neben sie, hielt sie aber am Arm, als müsse er verhindern, dass sie sich an einem fürstlichen Greven vergriff.
„Mitnichten. Ich stelle nur die Tatsache fest, dass eine dritte Person zu Euren Gunsten eingegriffen hat“, beharrte Brumil. „Somit, und da Grimbart als erster und einziger die Turmspitze erreicht hat, erkläre ich ihn zum Sieger des Wettstreits!“
Der Grevenstecken knallte auf das Pflaster des Innenhofes. Derya schnaubte noch einige Momente, dann wandte sie sich um und schüttelte den Arm ihres Mannes unwillig ab.
Einige Schritt entfernt teilten Rondrolf und Holdwin ihre Beobachung mit Roban. Auch Leowina stand bei ihnen und lauschte mit zunehmendem Unglauben.
„Der Treublatt also“, brummelte Roban, Tabak in den Pfeifenkopf stopfend. „Kann nicht behaupten, dass mich das überrascht! Haben wir Beweise?“
„Der Attentäter wurde nicht gefasst“, seufzte Holdwin vom Kargen Land. „Der Nebenbau war nicht verschlossen und steht leer. Die paar Waffenknechte hätten ihn niemals durchsuchen können, und der Attentäter wird sich unbemerkt wieder unter die Leute gemischt haben – wenn er nicht sogar so dreist war, mit jenen, die ihn suchen sollten, zurück zu kehren!“
„Hrmpf! Is ja klasse!“ Roban biss auf dem Pfeifenstiel herum. „Kein Wort zu Grimbart. Ist schon genug böses Blut in der Geschichte, da müssen wir nicht noch Öl ins Feuer schütten. Aber Augen auf! Wenn einmal versucht wurde, den Erbstreit auf die Kor-Tour zu lösen, probiert man es vielleicht noch einmal!“
„Sollten wir Grimbart dann nicht in jedem Fall informierten?“ wandte Holdwin ein, aber Roban schüttelte bedächtig den Kopf.
„Der weiß bereits, dass man auf ihn geschossen hat. Jetzt Berwin von Treublatt ohne Beweise zu verdächtigen bringt gar nichts. Vielleicht versucht er es noch mal, und wir kriegen unsere Beweise noch!“
„Eine Frage hätte ich aber noch“, schaltete Leowina sich ein. Roban hob die Brauen, aber die Ritterin wandte sich an seinen Bruder.
„Wird Euch tatsächlich schwindelig, wenn Ihr auf einen Fussschemel klettert?“
Holdwin verkniff sich mühsam das Lachen, während Roban ungehemmt losprustete. Rondrolf öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schien die Antwort mit erzwungenem Gleichmut zu erwägen.
„Ad primum, Frau Steinkopf auf Butterwus, bin ich durchaus in der Lage, Fussschemel und sogar Trittleitern ohne Schwindelgefühl zu erklimmen. Ad secundum werde ich mich zu gegebener Zeit Eurer Verbalinjurien erinnern. Ad tertium – es ist erschreckend, wie ähnlich Ihr Roban seid!“
Mit diesen Worten ließ er die drei einfach stehen, und Holdwin kämpfte mit noch viel mehr Gelächter, als Leowina und Roban sich gegenseitig im Abstreiten der letzten Behauptung zu übertönen suchten.