Eine Brücke zu (zer)schlagen - Stock und Stein
Teil der Briefspielgeschichte "Eine Brücke zu (zer)schlagen"
Schwert und Münze |
Die Warna nahe Bergund im Ingerimm 1035 nach Bosparans Fall
Bork Hanfstejn blickte zufrieden auf die Fortschritte der Arbeiten im Flussbett der Warna. Die erste Wasserstube war errichtet worden. Nun knieten vier Arbeiter innerhalb der fest in den schlammigen Grund eingerammten Spundwände und schöpften das vom Fluss abgeschnittene Wasser nach draußen. Sobald sie ihr Werk beendet hatten, würde man mit der Errichtung des ersten Brückenpfeilers beginnen können.
Nach den Plänen, die Bork Hanfsteijn, Brückenbaumeister in vierter Generation, der Ritterin von Bergund vorgestellt hatte, würde es sich um eine überdachte Holzbrücke handeln. Die Pfeiler würden jedoch aus Stein bestehen und auf stabil errichteten Pfeilerinseln ruhen, die das Bauwerk vor Eis, Witterung und den Frühlings-Hochwassern sichern sollten. Er hatte nicht weit von Bergund eine geeignete, seichte Stelle im Lauf des Flusses gefunden und gleich in den ersten Tagen des Ingerimm mit dem Bau begonnen.
Bork wandte sich ab und beschritt den schmalen Pfad, den die Arbeiter in Richtung Bergund ausgetreten hatten. Er würde der Burgherrin von seinen Fortschritten berichten und dann schon einmal Steine für den Pfeiler und Felsbrocken zur Stabilisierung des Fußes in Auftrag geben. Er hatte gerade einmal die erste Anhöhe erreicht, als ein warnender Aufschrei vom Ufer ihn dazu brachte, sich umzuwenden: Der junge Stitus Zuckerhold, ein Knabe aus dem Dorf, der sie mit Nahrung versorgte, deutete mit ausgestreckter Hand den Flusslauf entlang. Die Augen des Baumeisters weiteten sich vor Schreck, als er gleich drei im Fluss treibenden Baumstämme erkannte, die mit einer Bugwelle aus weiß schäumender Gischt auf die Wasserstube zuschossen.
Die Arbeiter hatten die Gefahr bereits erkannt. Mit einem weiten Sprung erreichte Zekla als erste den Ufersaum und rettete sich aus der Gefahrenzone. Der kräftige Gobrom aber geriet aus dem Gleichgewicht, als er wie seine Kollegin auf den Rand der Spundwände steigen wollte. Das glitschige Holz ließ ihn ausrutschen und er riss Armhilde mit sich, die wie er in das Wasser innerhalb der Wasserstube zurückfiel. Bork fluchte und rannte los, auch wenn er wusste, dass er derzeit ebenso wenig würde tun können wie die anderen, die sich am Ufer drängten.
Während ein weiterer Arbeiter das Land erreichte, krachte der erste Baumstamm frontal in die hölzernen Balken der Wasserstube. Laut wie ein Donner, erschien dem heran eilenden Brückenbauer der Aufprall. Doch der Balken hielt. Gobrom und Armhilde, blickten sich tropfnass, schmutzig, aber erleichtert an. Das hintere Ende des Stammes wurde indes von der Strömung ans Ufer getrieben und verkeilte sich zwischen diesem und der Wasserstube, während der zweite Baum in der Flussmitte gefahrlos vorbeischoss. Bork Hanfsteijn kam nun ebenfalls an der Baustelle an.
Er wollte schon aufatmen, doch dann zog sich sein Herz erneut zusammen, als er einer weiteren Gefahr gewahr wurde.
"Habt Acht!" brüllte er noch aus voller Kehle, doch es war zu spät. Der dritte Baumstamm rammte seinen Vorgänger und unter der zusätzlichen Last gab die Spundwand mit vernehmlichem Ächzen nach. Berstend schoss ein abgesplittertes Holzstück von einem Spann Länge einem Bolzen gleich auf die überraschten Arbeiter zu und bohrte sich in Armhildes Seite, die schmerzerfüllt aufschrie, während das Wasser mit voller Wucht in die Wasserstube drückte, sie und Gobrom gegen die hintere Wand presste und in die Tiefe zog.
Für einen Moment waren die beiden nicht zu sehen, dann tauchten ihre Häupter wieder über der schäumenden und Strudel bildenden Wasseroberfläche auf. Die hintere Wand der Wasserstube verhinderte, dass Gobrom und Armhilde fortgetrieben worden, aber dem erfahrenen Baumeister war klar, dass das gesamte Konstrukt durch den Verlust der vorderen Wand instabil geworden war. Es würde nicht lange standhalten; einige der seitlichen Balken hatten sich bereits gelöst und waren im rasch strömenden Wasser außer Sicht geraten.
Bork griff sich eilig ein stabiles Seil, verschaffte sich genug Abstand und warf Gobrom eines der Enden zu. Dieser schlang es sich um den Körper und griff sich die verletzte Armhilde. Die übrigen Arbeiter und selbst der junge Stitus reihten sich hinter Bork ein. Gemeinsam begann man zu ziehen, während die Wände der Wasserstube sich der Kraft der Fluten ergaben.
Am selben Tag, in der Nähe des anderen Ufers der Warna in der benachbarten Baronie Moorbrück
"Nein, nein und nochmals nein! Was fällt den Leuten in Bergund eigentlich ein, uns so etwas Unverschämtes überhaupt zu fragen?"
Dugobalosch Sohn des Dramosch machte seinem Ruf als schlecht gelaunter Zwerg alle Ehre. Olgosch Sohn des Ogrim, Anführer der Gruppe von Ambosszwergen in Neuvaloor, musste seinen Freund wie schon so oft zuvor beruhigen.
"Nun mal langsam. Diese Brücke ist ein lange gehegter Wunsch auch von Ritter Boromil. Beide Siedlungen würden davon profitieren. Außerdem ist es ja nicht abwegig, dass sich zwei Verwandte etwas häufiger sehen wollen."
"Aber über einen Fluss? Es ist doch klar, dass das nur Scherereien gibt! Wenn alle den einfachen Rat befolgen würden, dass man größere Gewässer meidet, gäbe es auch keinen Ärger!"
"Eine gute Einstellung für uns Angroschim, aber ich fürchte, das bringt uns jetzt nicht weiter. Ich bin auch sehr verärgert - und zwar über die schändlichen Leute, die diesen Brückenbau offensichtlich sabotieren wollen!"
"Ja, das ist eine Schande, so ein Frevel gegen die gute Handwerkskunst!" mischte sich nun auch Duglim Sohn des Dergam ein.
"Na und?", schnappte Dugobalosch bissig zurück. "Hat man uns als Angroschim etwa gefragt, ob wir beim Bau helfen wollen?"
"Natürlich nicht. Es war doch bekannt, dass wir für die Arbeiten und Wachen hier gebraucht wurden."
An manchen Tagen stellte Dugobalosch Olgoschs Geduld wirklich auf eine harte Probe.
"Na also!", triumphierte der Sohn des Dramosch nun. "Damit ist doch klar, dass wir auch jetzt nicht aushelfen können, um dieses Pack zu stellen. Die warten doch am Ende nur darauf, dass wir die Siedlung unbewacht lassen, und fallen dann hier ein. Also, was soll daher überhaupt die Anfrage aus Bergund, ob wir einige Krieger entbehren können?"
"So verkehrt ist das ja nicht gedacht", wandte Duglim ein. "Wir müssen zumindest Bescheid wissen, dass dort etwas im Argen liegt, und man hat uns so schnell wie möglich einen Boten geschickt. Die in Bergund konnten ja nicht wissen, dass Ritter Boromil nicht da ist. Vielleicht hatten sie gehofft, dass wir mit der Alarmierung Unterstützung aus den anderen Moorbrücker Siedlungen holen würden."
"Es würde Tage dauern, bis wir überhaupt einmal alle Rittergüter erreicht hätten", winkte Olgosch ab. "Und es wäre keineswegs sicher, dass wir überhaupt Hilfe bekämen."
Er seufzte.
"Also gut, was wollen wir daher tun? Dugobalosch hat Recht, dass wir nicht alle aus Neuvaloor abziehen können, nur um die Saboteure zu suchen. Andererseits können wir auch nicht untätig hierbleiben, denn damit verärgern wir Saria von Lindholz-Hohenried und zeigen diesen Strolchen, dass sie von uns nichts zu befürchten haben."
"Warum schicken wir nicht Ingramosch los?", schlug Dugobalosch vor. "Der faselt doch immer etwas von Abenteuern, die er erleben will, und Ritter Boromil hat an ihm einen Narren gefressen, so dass er ihm einiges erlaubt."
"Es wäre vielleicht wirklich nicht schlecht, wenn der junge Grambart mal wieder ein wenig durch die Gegend ziehen kann. Sonst jammert er uns noch weiter die Ohren voll. Es wäre aber unverantwortlich, ihn alleine zu schicken. Ich gehe mit", beschloss Olgosch.
"Hm, na gut, einen von uns werden wir eine Weile entbehren können", stimmte Dugobalosch widerwillig zu. "Wir anderen wissen ja, dass wir besonders wachsam sein müssen."
"Ja, das klingt vernünftig", pflichtete Duglim bei. Die beiden Brüder Korok und Krimog, Söhne des Korbosch, die die ganze Zeit über nichts gesagt hatten, zeigten mit einem Nicken, dass sie ebenfalls einverstanden waren.
"In Ordnung", schloss Olgosch die Versammlung in der Unterkunft der Ambosszwerge. "Dann werde ich jetzt den Boten instruieren, damit er in Bergund Bescheid gibt, und mir danach Ingramosch schnappen, so dass er von seinem Glück erfährt. Vielleicht beschränkt sich unser Abenteuer schon darauf, am diesseitigen Flussufer zu suchen, aber wenn wir Spuren finden, werden wir sie verfolgen."