Von Enzian und erstem Edelweiß: Ankunft in Blaudorf

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1037 BF

Drei volle Tage nachdem die Geißsenners Eisenhuett verlassen hatten, brach auch der Herr von Wildreigen zum Blaubunten See auf. Die Urkunden waren unterzeichnet, letzte Dinge erledigt, nun konnte er sich also seiner neuen Aufgabe zuwenden. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, doch er ließ sich nichts anmerken und der lange Ritt tat sein übriges, damit er sich wieder Erden konnte. Er hatte ein neues Zuhause gefunden, Tobrien lag nun endgültig hinter ihm.

Ritter Ladislaus und sein Gefolge ritten langsam und bewusst. Hin und wieder war das Pfeifen der Murmeltiere zu hören und auch der ein oder andere Ruf eines Steinadlers. Das Wetter hielt und bescherte den Menschen und ihren Tieren ein schönes Reisewetter. Irgendwann kam der Blaubunte See in Sicht und bald öffnete sich auch der Hang, auf dem die Häuser Blaudorfs standen.

Der Ritter zügelte sein Pferd und sein Gefolge hielt ebenfalls an. Verstreut über den Hang befanden sich viele Gebäude, allesamt mit weißem Sockel und darüber dunkles Holz. Marano blickte zu Ladislaus: "Das sind aber viele Gebäude, hieß es nicht, das Dorf habe siebzig Einwohner?" Der Angesprochene nickte: "Das stimmt. In vielen Gegenden ist es üblich, das Vieh mit unter dem Dach zu halten, aber hier im Gebirge wird dies aufgeteilt. Es gibt Häuser zum Wohnen, Lagerhäuser, Werkstätten und Ställe. Alles voneinander getrennt, oftmals sogar Großvieh von Kleinvieh; und wenn du dir ankuckst, wie dunkel das Holz ist, kannst du davon ausgehen, dass die Häuser schon sehr alt sind. Viele Häuser im hohen Gebirge sind das. Es ist mühsam, hier zu bauen und wenn die Bevölkerung wächst, ziehen mehrere Familien in ein Haus - bis es wirklich zu eng wird und kein Weg um ein neues Haus herumführt. Kommt, wir schauen uns das ganze nun aus der Nähe an."

Er nickte seinem Waffenknecht zu und dieser entrollte das Banner seines Herrn. Das Gold und Grün des Hauses Wildreigen hatten sie bereits bei der letzten Rast angelegt, da das Ziel nicht mehr weit sein konnte. Dann ging der Ritt auf die letzte Etappe. Zwischen den Felsspitzen, die links und rechts des Pfades aus dem Grün stachen, waren vereinzelt kleine blaue Punkte auszumachen. Bald zeigte sich, dass sie bereits erwartet wurden, denn ein Juchizer ertönte von einer Anhöhe. Eine einzelne Träne rollte Ladislaus die Wange herab. Wie lange hatte er diesen Klang nicht mehr vernommen? So klingt Zuhause! Dazu die kleinen blauen Tupfer des Enzian auf den Hängen. Blaudorf hieß ihn willkommen.

Der Pfad folgte einem Wildbach zum See hinunter und dort, am Dorfrand, standen die Dorfältesten und ein paar Kinder in Festtracht um einen Efferddiener, um ihn und die Seinen willkommen zu heißen. Viele Dörfler waren zu dieser Jahreszeit in den Bergen mit dem Vieh und auch die übrige Arbeit durfte natürlich nicht liegen bleiben. Der Sommer war kurz und das Wetter konnte rasch umschlagen. Die Neuankömmlinge saßen ab und die Dörfler und der Geweihte verneigten sich alle vor ihrem neuen Herrn, dann trat die Dorfälteste, eine alte Bauersfrau vor: "Efferd und Peraine zum Gruße, mein Name ist Alma Hangbrodt. Ich heiße Euch, Herr von Wildreigen zum Blaubunten See und Euer Gefolge im Namen aller von Herzen in Blaudorf willkommen." Der Willkommengeheißene bedankte sich genauso herzlich, wie er begrüßt worden war, dann ergriff die rüstige Alte wieder das Wort: "Hoher Herr, erlaubt Ihr mir, Euch durch das Dorf zu führen?"

Auf die Einverständniserklärung hin wandte sie sich um und ging voran. Der Weg führte an den Fischerhäusern vorbei zum Efferdtempel. Dort stieg Ladislaus ab und ließ sich und die Seinen im Beisein der Dorfältsten von Efferdlieb Treublatt segnen, damit er dem Dorfe ein guter Herr sein möge. Die Führung ging weiter an einigen Handwerksbetrieben vorbei, am Bootsbauer und Zimmermann, dem Lager der Waldarbeiter, am Müller mit seiner Korn-, Säge- und Walkmühle, dem zwergischen Maurer und der zwergischen Schmiede den Hang hinauf zu den Terrassenfeldern, die von Trockenmauern umgeben waren. Die Bauersleute verneigten sich auf den Feldern, die Kopfbedeckung gelupft. Unterwegs kamen sie an ein paar Lagerhäusern vorbei und Ladislaus machte seinen Waffenknecht und Pagen auf die Mäuseplatten aufmerksam. Der Hang wurde immer steiler und die Neuankömmlinge konnten gut sehen, wie sich die Gebäude die Hanglage zunutze machten. "Wie Ihr sehen könnt, sind die Häuser nur teilweise unterkellert," erklärte Alma ihnen.

Bald hatte die Gruppe die höchsten fünf Häuser erreicht und Alma ergriff wieder das Wort. "Dies ist der obere Rand von Blaudorf, der Herrensitz, Haus Peridot genannt. Weiter oben im Berg befinden sich nur noch verstreute Sennerhütten und Stadl." Der Herr von Wildreigen zum Blaubunten See betrachtete die fünf Häuser. Die vier Nebengebäude sahen genauso aus wie die übrigen Häuser des Dorfes: unten geweißelter Stein, darüber gedunkeltes Lärchenholz, kleine Fenster und teils hölzerne, teils steinerne Dachschindeln. Das Haupthaus fiel dadurch auf, dass es mit einer anderen Steinsorte gedeckt war und auch die Türen und Fensterläden mit einer Paste aus gemahlenem Stein bestrichen waren. Durch den Lichteinfall schien das Haus leicht in verschiedenen Grüntönen zu schimmern, was ihm seinen Namen gab - benannt nach dem Stein Peridot. Einige Dörfler waren zu sehen, die mit Kiepen aus dem Haus hinaus und ins Dorf hinunter gingen. "Das Haus stand lange Zeit leer, das Dorf hatte keinen Herrn," klärte [Alma, "deshalb nutzten wir das Haus als Dorfgemeinschaftshaus. Als wir von Eurer Belehnung erfuhren, fingen wir sofort an, die Dinge, die wir hinein trugen, wieder herauszutragen, damit das Haus wieder wohnlich ist. Die beiden Ställe sind bereits wieder hergerichtet; wir hatten sie als zusätzliche Winterplätze genutzt, aber das Vieh ist bereits wieder auf der Alm. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr Eure Tiere bereits jetzt dort lassen und mich anschließend wieder ins Dorf hinunterbegleiten. Seid mein Gast, bis Haus Peridot bezugsfertig ist. Es wird wohl noch zwei bis drei Tage dauern."

Ladislaus nickte und reichte den Zügel seines Pferdes Marano. Dieser verschwand mit Ross und Eselin im Großviehstall, Zsigmond folgte ihm mit dem Fuchs. Als die Tiere versorgt waren, ging es wieder halb den Hang hinunter. Voller Freude sah der Ritter das erste Edelweiß im Gras schimmern. Am Haus der Dorfältesten verabschiedeten sich die anderen Dörfler und wandten sich wieder ihrem Tagewerk zu. Die Herrschaft wurde in die gute Stube geführt und zünftig bewirtet.