Wer herrscht zu Recht?

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Ausgabe Nummer 58 - Notausgabe - 1035-1038 BF

Von edelsten Geschlechtern: Wer herrscht zu Recht?

Erbstreitigkeiten zu Borking erreichen neuen Höhepunkt

BÄRLINGEN/BORKING/NEUFARNHAIN. Nachdem bereits im Phex 1034 BF Seine Wohlgeboren Junker Damian von Borking die Reise über das Nirgendmeer angetreten hatte (der Kosch-Kurier berichtete) und in seinen Hinterlassenschaften kein Testament gefunden werden konnte, machte Ihre Hochgeboren Baronin Neralda Cella von Nadoret von ihrem Recht als Lehnsherrin Gebrauch und vergab den Junkerreif an ihren Jagdaufseher, den Edlen Raul von Kemlar. Sie begründete diesen Schritt damit, dass seitens der Nachkommen Damians keine Reaktion auf die Nachricht vom Tod ihres Vaters erfolgt wäre.'

Hochgeboren Gerbald von Borking, Baron zu Bärenklamm und erstgeborener Sohn des Verblichenen, weist diese Darstellung als falsch zurück. Ihn selbst hätten zwar wichtige Pflichten gegenüber seinem Lehnsherrn Graf Jallik von Wengenholm auf dem Schwurbundfest davon abgehalten, sogleich nach Borking zu reisen, seine Frau sei durch die bevorstehende Niederkunft mit ihrem gemeinsamen Kind verhindert gewesen und sein jüngerer Bruder Knurrbold habe sich bereits auf dem Weg in die Markgrafschaft Greifenfurt befunden, um dort an einem Feldzug teilzunehmen, doch sein jüngerer Bruder Edelbrecht sei sofort, nachdem er von einer schweren Erkrankung genesen war, vor den Toren Borkings erschienen. Ihm sei jedoch der Zugang zur Stadt verweigert worden. Die Baronin verstoße damit „gegen alles, was höchstes kaiserliches Recht ist. Meiner Familie ist von Reichsbehüter Brin höchstselbst wegen ihrer Treue zum Kaiserhaus während der Answinkrise ihr Besitz ‚in alle Ewigkeit’ besiegelt worden. Und der Reichsbehüter war immerhin selbst Baron von Nadoret. Der Titel eines Junkers von Borking steht von Rechts wegen mir als Erstgeborenem oder einem meiner Brüder zu!“

Auf Nachfragen konnte Baronin Neralda Cella die ganze Aufregung nicht verstehen. Der Besitz Borkings bleibe doch in der Familie. Immerhin ist Raul von Kemlar der Ehegemahl der Palina von Borking, der jüngeren Schwester Damians, und damit der Ohm des Beschwerdeführers. Darüber hinaus hätte der Reichsbehüter lediglich die Adelsprivilegien der Familie geschützt, nicht den Besitz eines bestimmten Lehens. Mit Raul erhielte die Stadt Borking einen Schirmherren, der sich gewissenhaft und freudig seinen Pflichten stelle und nicht in der weiten Welt „herumkajohle“, wie es bei anderen Anwärtern Sitte sei. Auch ließe die Treue der Borkings gegenüber ihren Lehensherrn doch erheblich zu wünschen übrig, wie ihr Vogt Morwald Gerling von Moorbrück berichtet habe. „Wohlgeboren Raul hingegen besitzt drei reizende Sprösslinge, von denen das nicht zu befürchten ist.“

Der Streit, der schon mehrfach in handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Raul ergebenen Männern und Frauen einerseits und denen der Borking-Brüder andererseits ausgeartet ist, soll nun vor dem Reichskammergericht entschieden werden. Eine Entscheidung wird in Kürze erwartet. Baron Gerbald von Borking zu Bärenklamm hat nunmehr bei Graf Growin von Ferdok, seines Zeichens fürstlicher Hofrichter und Erster Reichskammerrichter Klage eingereicht. Baronin Neralda Cella hingegen wandte sich an Reichskronanwalt Landgraf Alrik Custodias-Greifax von Gratenfels, um vor der „fortgesetzten Insubordination der Borkinger geschützt zu werden, die seit Jahren an meinem eigenen Stuhl gesägt hat. Ihre Loyalität ist stets zweifelhaft gewesen und ich gebe gerne zu, dass ich sowohl Gerbald, als auch die genannten Edelbrecht und Knurrbold als unerwünschte Personen in meiner Baronie betrachte. Bis zu einer Entscheidung es Reichskammergerichts werde ich sie ohne Ansehen der Person festsetzen lassen, sollten sie sich noch einmal widerrechtlich in den Besitz Borkings setzen wollen.“

Die Baronin spielt damit auf einen Vorfall an, bei dem mehrere Männer des Nachts versucht haben, in die ehemals „Borkenhalle“ genannte Residenz des Junkers einzubrechen. Ob es sich dabei um herkömmliche Ganoven handelt oder in der Tat um Gefolgsleute der Borkinger, konnte nicht festgestellt werden. In der Stadt herrscht eine bedrückende Stimmung. Niemand wagt es mehr, offensichtlich gegen die Maßnahmen des neuen Junkers zu rebellieren. Worte und Gesten des Unmutes wurden gleich zu Beginn mit harten Strafen belegt.

In der Obhut des Ritters Edelbrecht von Borking soll sich ein junger Mann befinden, der bezeugen kann, dass es „sehr wohl“ ein Testament seines Vaters gegeben habe: „Raul von Kemlar hat es jedoch gleich in den ersten Tagen seiner Gewaltherrschaft an sich gebracht und vernichtet. Alrik Ochsenkopf war früher Leibdiener meines Vaters und ist bereit, einen Praiosschwur auf diese Aussage abzuleisten.“

„Nun, wenn er sich damit um sein Seelenheil bringen möchte, soll er“, war der einzige Kommentar Junker Rauls zu dieser unerhörten Behauptung. Ein tiefer Riss geht durch das Haus Borking. Auch das Verhältnis der drei Brüder soll sich, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu hören ist, über diese Streitfrage verschlechtert haben. Ein jeder wirft dem anderen vor, nicht rechtzeitig vor Ort gewesen zu sein.

Die Frage muss erlaubt sein, ob es den rechtens ist, einen einmal von der Herrin einer Baronie belehnten Junker seines Amtes wieder zu entheben, um leibliche Nachfahren des Amtsvorgängers in dieses Amt einzusetzen. Möge nun das Gericht entscheiden und diesen lästigen Streit, der die gesamte Stimmung in unserer schönen Stadt vergiftet, endlich beenden.

Ludeger Bäumling