Unter Schurken - Eine Falle?

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Hinterkosch, 1021

“Nein!“
Merwerd packte Wolfhardt am Arm.
“Nicht so. Das mag eine Falle sein. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.“
Der Ritter ließ sich langsam wieder zu den anderen in die Kuhle rutschen, zuckte mit den Schultern.
“Aber was dann, Hochgeboren? Habt Ihr einen Plan?“
“Sie wollen’s darinnen gewiß muckelig warm haben. Es muß irgendwo ein Feuerloch oder einen Kaminabzug haben. Wir verstopfen es, und sie sitzen in der Falle“, schlug der Baron vor. “Sie machen das Feuer aus – dann ist es bei ihnen darinnen immer noch wärmer als bei uns hier draußen. Wir können sie schlechterdings belagern, Hochgeboren. Obwohl wir zu fünft sind und sie nur eine Bande.“
Wolfhardt konnte ein Grinsen nur halb unterdrücken. Schwächen blitzschnell zu durchschauen und mit einem Bonmot aufzuzeigen, das war sonst oft genug die Stärke des Barons.
“Aber Ihr habt recht, wir sollten noch einmal überlegen, bevor wir den Sturmangriff wagen, rondraverzeih“, schob er rasch hinterher. Der Baron wußte darauf so schnell nichts zu sagen. Alle schwiegen eine Weile.
“Einen Luftschacht gibt es jedenfalls“, merkte der Zwerg an, “dort vorne steigt Rauch auf, ganz fein, aber wir hätten es längst sehen müssen. Vielleicht sind meine Augen doch nicht mehr so scharf…“
“Könnte er groß genug sein, um dadurch in die Höhle zu gelangen?“verfiel Rena auf eine neue Idee.
“Möglich“, gab der Zwerg zur Antwort. “Wir müßten es uns anschauen, junge Frau.“
“Dann machen wir das“, entschied das Rena. “Am besten, ich gehe mit Gorbosch. Wenn es tatsächlich einen Einstieg gibt, wird er klein sein – und ich bin die vermutlich gelenkigste von uns.“
Wolfhardt wollte protestierten, aber Rena kam ihm zuvor.
“Vergeßt nicht, daß Ihr und der Baron bereits verwundet wurdet und von weiterer Mühsal absehen solltet. Und hier ist der wackere Falk an Eurer Seite.“
Falk Barborn strich sich geschmeichelt durch den Bart, der Baron nickte.
“Ihr habt recht, Rena. Schaut, ob Ihr hineingelangen könnt. Dann ist die Überraschung auf unserer Seite, und wir könnten die Schurken von vorne angehen. Nur gebt uns zuerst Bescheid.“
Die Ritterin nickte, dann schlichen sie und der Zwerg geduckt fort. Die drei Männer blieben zurück. Sie warteten.
“Hoffentlich nicht zu lange“, dachte Merwerd Stoia. Die Jahre, die er nicht mehr auf Abenteuerfahrten gegangen, sondern höchstens mit dem Zweispänner unterwegs gewesen und in guten Gasthäusern genächtigt hatte, machten sich stärker bemerkbar, als er gedacht hatte. Er zog den Mantel enger zusammen und dachte an ein Tabakspfeifchen von Gevatter Growins speziellem Kraut, am warmen Kaminfeuer im Herrengemach des heimatlichen Flußfels’.
Eine Stimme riß ihn aus seinen Gedanken – eine fremde. Leider hatten die Gefährten kein Wort verstanden, und die Männer, die jetzt aus dem Eingang des Stolles traten, hatten ihr Gespräch offensichtlich gerade beendet. Es waren ihrer dreie, die aufmerksam die Umgebung musterten, nicht so mißtrauisch, als ob sie etwas bemerkt hätten, aber doch vorsichtig und aufmerksam. Der vorderste der drei, ein Zwerg mit Gabelbart, hielt eine schwere Armbrust im Arm und hatte noch einen Streitkolben in den Gürtel geschoben.
Die anderen beiden waren Menschen: einer, der wie beliebiger Waidmann aussah, trug eine Art kleinen Korb aus Weidenruten, der zweite war ein junger Mann mit schwarzem Lockenhaar, der sich einen Vollbart hatte stehen lassen. Der Schnauzbart war aber gewiß noch keines Räuberhauptmanns würdig, wie Jergenquell – denn um diesen handelte es sich unzweifelhaft – einer war, auch wenn er sich selbst immer noch als zu Unrecht Geächteten darstellte.
Die Gefährten, die sich in den Schnee der Grube gepreßt hatten, und vorsichtig über den Rand spähten, wechselten einen Blick – zwei von ihnen zumindest. Der Baron antwortete Wolfhardts fragendem Blick mit einem energischen Nicken: sie hatten den Schurken gefunden! Doch was nun? Heraus aus der Grube und auf den Schurken? Wolfhardt wog die Hand mit drei ausgestreckten Fingern hin und her.
“Ein Brathähnchen“, meldete Falk, der die Jergenquells Männer nicht aus den Augen gelassen hatte. “Das hätt’ ich jetzt auch gern!“
Tatsächlich hielt der Waidmann einen Vogel in der Hand, der offenbar in dem Weidenkorb verborgen gewesen war. Jergenquell befestigte etwas am Fuß des Tieres, dann warf er den Vogel hoch in die Luft. Die Brieftaube fing sich, dann stieg sie auf und verschwand am winterlichen Himmel. Zugleich hob nicht weit entfernt das langvermißte Krächzen der Rabenvögel an. Jergenquell und seine beiden Begleiter wandten sich wieder dem Stollen zu.
Der Baron hatte eine Entscheidung gefaßt: “Gebt noch einmal Euren Sang, Herr Wolfhardt. Wir wollem dem Jergenquell zeigen, daß wir wissen, mit wem wir es zu tun haben.“
Falk schaute erstaunt, als er erfuhr, doch sein erstauntes “Der Sch…“ ging im langzogenen Tuhuuuuuh eines Hornstoßes unter. Wolfhardt, der schon zu seinem Lied angesetzt hatte, faßte nach dem Schwertgriff. Von unten kam der Ton – sie mußten den Wächter schlichtweg übersehen haben; hatte er sie jetzt entdeckt? Sie ahnten nicht, daß das Signal nicht ihnen, sondern einer einsamen, in einen Kapuzenmantel gehüllten Gestalt, die sich unter ihnen eilig den Hang empormühte.
Falk rief aus, was alle drei dachten: “Der Schurke! Zum Angriff!“
Das Hornsignal hatte Jergqenquell und seine Begleiter verwundert im Stollen stehen bleiben lassen.
“Dappert bläst einen Besucher?“
Im selben Augenblick klang es vom Eingang her forsch: “Jergenquell? Hier spricht Reichs-Cammer-Richter Baron Stoia von Vinansamt. Ihr habt keinen Ausweg mehr. Ergebt Euch, wenn Ihr der Edelmann seid, der Ihr zu sein vorgebt.“