Runde 1: Hungersteg: Teil 3

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Hinterkosch, 1031

Etwas unruhig tänzelte Finstermähne hin und her. Ebenso wie seinem Herrn, dem Baron von Hirschfurten und Leihenbutt, lag ihm das Tjosten regelrecht im Blut. Unzählige Male war der schwarze Tralloper Riese bereits in die Schranken geritten und war in den allermeisten Fällen auch mitsamt seinem Herrn am Ende der Tjostenbahn angelangt.
Nun war es endlich wieder so weit. Erneut würde es ein Zusammenprallen zweier gepanzerter Ritter geben. Der Gegner seines Herrn ritt ein Streitross, welches ebenso wie Finstermähne von äußerst großem Wuchs war, vielleicht sogar noch ein, zwei Finger größer, was wahrlich nicht oft vorkam. Bald schon sollte sich zeigen, welches Ross seinen Herrn bis zum Ende tragen sollte.Als das Zeichen ertönte, setzte Finstermähne sich kraftvoll in Bewegung und ließ sein Ziel nicht mehr aus den Augen, wie hundertfach eingeübt.
Zum fünften Male in kürzester Zeit war wieder ein enormes Krachen und Berstender Lanzen weit über das Turnierfeld hinaus zu hören, welches mit lautem "Ohh" und "Ahh" der zuschauenden Menge begleitet wurde. Nur mit viel Mühe schaffte es der Baron diesmal, sich wieder in den Sattel zu ziehen, nachdem er beinahe herabgestürzt wäre. In seinem prächtigen Wappenschild mit dem weißen, sich aufbäumenden Hirschen auf rotem Grunde prangte eine weitere unschöne Beule. Ein weiteres Zeichen für die Treffsicherheit seines Kontrahenten, den Nimmgalf etwas unterschätzt hatte, wie er sich zähneknirschend eingestehen musste.
Am Ende der Bahn angekommen schleuderte der Garetier den Lanzenstummel auf den festgestampften Boden, wo dieser abprallte und sich noch einmal überschlug.
"Wie konnte ich nur so tröricht sein!" schalt er sich selbst.
Nachdem selbst im fünften Anlaufe kein Sieger dieser Paarung ermittelt werden konnte, verkündete der Herold, dass die Entscheidung im Fußkampfe mit Handwaffen fallen solle.
Sichtlich verärgert über sein diesmaliges Unvermögen, seinen Gegner mit der Lanze zu bezwingen, stieg er von seinem Streitross Finstermähne, welches sogleich von seinem Knappen Leomar entgegen genommen wurde. Nimmgalf löste den Helm und setze ihn ab. Seine Waffenknechte reichten ihm sein Schwert und einen neuen Schild.
"Wohlan, dann soll diese Partie wohl zu Fuß entschieden werden. Sei es drum."
Grimmig schloss Nimmgalf die Fingerglieder seines Panzerhandschuh um den Griff, nahm seinen Schild in die Linke, und schritt auf seinen Gegner zu, der sich ebenfalls zum Fußkampf bereit gemacht hatte.
Der Kampf war schnell entschieden. Offenbar hatte Nimmgalf seinem Gegner mit seinen Treffern im Tjost mehr zugesetzt, als es zunächst den Anschein hatte. So gelang es dem Baron, den Ritter von Kaldenberg mit einer Finte zu reizen, um ihn dann mit einer schnellen Serie zu bedrängen und letzendlich einen schweren Treffer in die Seite zu Fall zu bringen, woraufhin dieser aufgab. Nimmgalf half dem Albenhuser wieder auf die Beine.
"Hervorragend geritten, Herr von Heiternacht. Mir scheint, Eure Künste an der Lanze sind seit unserem letzten Treffen gereift. Es tat gut, mal wieder gegen einen nahezu ebenbürtigen Gegner anzutreten. Ich hoffe doch, dass Euch die Niederlage nicht zu sehr verdrießt, denn in jedem Falle hätte der Kampf einen würdigen Sieger gefunden - ganz gleich wessen Schild am Ende oben hängt."

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich mich beinahe hätte niederstoßen lassen!"
Nimmgalfs Ärger war immer noch vorhanden, wenn er sich auch inzwischen etwas beruhigt hatte. Er, Erlan und ihr neuer Bekannter, der junge Ritter Trisdhan von Hartsteen, ein entfernter Vetter ihres Bundesbruders Hilbert, saßen in der Taverne, genossen einen kühlen Trank und versuchten die ein oder andere Blessur zu lindern, vor allem der junge Ritter von Hartsteen, dessen Schulter immer noch schmerzte.
"Aber Nimmgalf, Du hast den Albenhuser im Fußkampf doch bezwingen können. Warum so verärgert?" fragte Erlan seinen Freund.
Unwirsch antwortete dieser: "Weil ich mich im letzten Anritt wie ein Anfänger gebärdet habe. Meine Deckung war zu niedrig, meine Lanze zu schlecht gezielt. Um ein Haar hätte der Stoß des Albenhusers mein Ende bedeutet, wäre er nur eine Handbreit besser platziert gewesen. Es ist die eigene Torheit, die mich ärgert, der letztendliche Sieg im Handkampf gerät darüber beinahe zur Nebensache. Doch nun genug davon, erneut soll mir solches in der Tat nicht geschehen."
"Nimm es nicht so schwer, mein Freund! Ich selbst bin überglücklich, die erste Runde mit nur kleineren Blessuren überstanden zu haben. Mein Gegner hat mir fürwahr das letzte abverlangt. Einen Fußkampf hätte ich wohl kaum noch durchhalten können. Doch Rondra war mit mir, und lies mich meinen Opponenten noch rechtzeitig bezwingen."
"Nun denn, auf deinen Sieg, Erlan!"
Der Baron zu Hirschfurten hob seinen Krug und stieß mit seinem älteren Bundesbruder an.
"Auf den Sieg Garetiens!" parlierte Erlan. Auch Ritter Trisdhan schloss sich ihnen an.
"Apropos Sieg", fuhr Erlan fort, "da es dem Herrn Trisdhan nicht vergönnt war, seinen Nordmärker Gegner zu bezwingen, habe ich mir vorgenommen, den Ritter von Eisenstein in der kommenden Runde zu fordern - sofern es mir vergönnt ist, abermals als Reizer zu fungieren. Andernfalls werde ich dem werten Herrn von Eisenstein meine Intentionen mitteilen, auf dass jener in seiner Ehre berührt meine Person fordern wird. Im Namen der Ehre Garetiens!"
Stolz brachte der alte Baron die Worte hervor und erwartete Nimmgalfs sofortigen Zuspruch, doch nach einem kurzen Moment der Überraschung verfinsterte sich die Miene des Barons.
"Nimmgalf?"
"Ich hoffe um deinetwillen, Erlan, dass Du das nicht wirklich vorhast."
Nun war es Erlan, der verwundert blickte.
"Aber natürlich habe ich das! Warum denn nicht?"
Nimmgalf erhob sich von seinem Stuhl.
"Bei den Zwölfen, hast Du denn nicht gesehen, was der Eisensteiner mit dem guten Trisdhan hier gemacht hat?"
Der junge Ritter rieb sich die Schulter, während Erlan etwas konsterniert blickte.
"Erlan, mit Verlaub, dieser Kerl ist aus einem anderen Holz geschnitzt als Du! Ich habe schon zahllose Lanzenstösse gesehen, aber diese Präzision, mit der dieser Ritter den hohen Herrn von Hartsteen bezwungen hat, sieht man wirklich nur selten. Und wenn ich mich recht entsinne, dann hat er vor ein paar Jahren den Vogt von Brüllenbösen im Tjost sogar zu Tode gebracht. Erlan, der Mann war ungefähr im gleichen Alter wie Du!"
"Ich verstehe wirklich nicht, Nimmgalf, was ich von dieser Besorgnis halten soll. Im Namen der Ehre Garetiens,... "
"Erlan, ich bitte dich inständig: dies ist ein Turnier nach pervalschen Regeln, und Du sagst selbst, dass du schon bessere Tage hattest. Fordere einen anderen Streiter! Den Eisensteiner knöpfe ich mir dann im Finale vor, wenn er so weit kommen wird. Damit sollte der Ehre Garetiens dann genüge getan sein."
Nimmgalf setzte sich wieder hin und trank einen tiefen Schluck aus dem Krug. Er hoffte inständig, dass sein Freund sich einsichtig zeigen würde.
"Deine Fürsorge ehrt Dich und zeigt, wie tief unsere Freundschaft reicht."
Erlan legte seine rechte Hand auf die seines Bundesbruders.
"Aber es ist eine Frage der Ehre. Ich werde es angehen, in Zuversicht auf meine jahrelange Erfahrung. Und - so ich denn unterlegen werde - vielleicht kannst Du im Nachschritt meine Ehre rächen!"
Mit einem verschmitzten Lächeln fügte er noch hinzu: "Ich werde mich dabei aber ein wenig zurückhalten, um meine müden Knochen für den nachfolgenden Lanzengang zu schonen!"

1. Runde, 2. Paarung:
Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach - Koradin von Tsafelde-Sturmfels

Ein Schild wurde abgehängt und höher gesetzt. Das Feld wurde zudem, kaum hatten die ersten Kontrahenten dieses verlassen, bereits rasch für den nächsten Kampf hergerichtet.
"Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach und Koradin von Tsafelde-Sturmfels, seid Ihr bereit?", verlangte Wieland von den beiden Recken, denen es nun anstand sich zu messen, zu erfahren. Der junge Baronet sollte wohl ein leichter Gegner sein für den Pfalzgrafen, befanden nicht wenige, wohingegen Letzterer anderer Auffassung war, kannte dieser seinen nordmärkischen Kontrahenten nicht einmal dem Namen nach.
Und Ugdalf wusste sehr wohl, daß man die Kampfkraft eines Gegners nicht daran oder an irgendwelchen Äußerlichkeiten festmachen konnte. Daher wählte der Pfalzgraf eine eher zurückhaltendere Taktik für das bevorstehende Aufeinandertreffen.
Unsicher begannen beide Ritter ihren Lanzengang. Im ersten Durchgang verfehlten sie sich zudem gänzlich, und erst zum zweiten brach eine Lanze. Koradin von Tsafelde verstand es, die Waffe des Pfalzgrafen zu Brücksgau gekonnt über seinen Schild abgleiten zu lassen.
Wieder traf die Lanze des Trappenfurters den Schild des Wildermärkers. Doch vergeblich, blieb dieser doch fest im Sattel.
Manch einen der Zuschauer mochte es verwundern, dass Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach wesentlich sicherer wirkte und seine Lanze zu führen vermochte, doch das es des Trappenfurters Lanze war, die einen Bruchteil eher den Schild seines Gegners zu treffen vermochte.
Das Publikum war schon sehr gespannt ob man bereits jetzt einen Kampf zu Fuß erleben würde. Wieland lies die beiden Streiter ein weiteres Mal gegeneinander anreiten. Der vierte Lanzengang sollte aber endlich die Entscheidung bringen.
Und diesmal lag die Gunst eindeutig bei Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach. Er traf den jungen Baronet auf der Brust und brachte ihn damit schmerzhaft zu Fall. Nachdem der Löwenhaupter vom Herold zum Sieger erklärt worden war, stieg er von seinem Pferd ab, half seinem geschlagenen Gegner auf und bedankte sich beim ihm für den gutem Kampf, den er ihm geliefert hatte.