Ritter Boromils Gespür für das Moor - Ein neuer Tag

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Die Baronie Zwischenwasser im Frühling 1032 nach Bosparans Fall

Am nächsten Morgen erwachte Boromil nach einer traumlosen Nacht. "Euer Vater erwartet Euch bereits im Speisesaal", verkündete der Verwalter des Hauses. "Nun, werter Parinor, dann wollen wir ihn nicht unnötig warten lassen." Rasch erhob sich Boromil, wusch sich und zog die frischen Kleider an, die man ihm auf sein Zimmer gebracht hatte.

"Ah, Boromil! Na, das war ja eine Überraschung, als ich heute morgen erfuhr, dass Du in der Nacht angekommen bist! Setz Dich und frühstücke, aber erzähle mir dabei, wie es Dir ergangen ist!" Gero vom Kargen Land war sichtlich gut aufgelegt und wissbegierig, Neuigkeiten von seinem Sohn zu erfahren. Boromil berichtete von dem Treffen auf Burg Birkendamm, der Besichtigung der Siedlungsplätze und den anderen Neusiedlern. "Also hat jeder von uns sein Stück Land sowie die ersten zwanzig Siedler", schloss er seinen Bericht. Sein Vater nickte. "Hm, das hätte weitaus schlechter ausfallen können. Wenn Ihr Material zu bezahlbaren Preisen bekommt, dann dürften zuerst Arbeitskräfte das größte Problem sein. Je mehr Häuser bei Einbruch des Winters stehen, desto mehr Leute kann man unterbringen und desto eher wird man über die Runden kommen." "Ich habe diesbezüglich bereits einige Ideen. So haben mir zwei Personen Unterstützung durch zwergische Freunde zugesagt." "Oho! Da warst Du offenbar gar nicht der Zurückhaltende wie sonst." "Nun ja, das war die Gelegenheit, bei der sogar ich begriffen hatte, dass man ab und zu schnell handeln muss, nicht gründlich überlegt." "Wollte denn keiner eine Gegenleistung?" "Also, mit einem der Neusiedler, Edelbrecht von Borking, verstehe ich mich besonders gut. Er hat einen Geodenkreis in seiner Nähe, den er sicherlich untersuchen will. Leider traut er Magiern nicht über den Weg. Aber wenn jemand aus unserer Familie ihn begleiten würde..." "Ich verstehe schon. Das läßt sich einrichten. Nebenbei tun wir ein gutes Werk für Hesinde. Aber Du musst mir auch einen Gefallen tun." Boromil blickte überrascht zu seinem Vater, der fortfuhr. "Ein Mitglied unseres Hauses muss zum Reichskonvent nach Weidleth reisen. Die Kaiserin höchstpersönlich wird anwesend sein, ebenso wie seine Durchlaucht, ferner Graf Growin und viele andere Edle des Reiches. Als neu Belehnter wirst Du es ohnehin nötig haben, Kontakte zu knüpfen und Dich auf diplomatischen Parkett zu bewegen. Das ist die beste Gelegenheit, dies zu tun." "Das bedeutet, dass ich wochenlang nicht den Aufbau meiner Siedlung begutachten kann.", wandte Boromil ein. "Das ist richtig, aber solche Entscheidungen wirst Du immer wieder treffen müssen. Gewöhne Dich daran.", entgegnete Gero. "Außerdem kann in der Zwischenzeit Parinor die Aufbauarbeiten überwachen. Natürlich brauche ich ihn nach Deiner Rückkehr wieder zurück, und zwar heil und an einem Stück.", lächelte das Oberhaupt, "Auch kann er keine großen Entscheidungen treffen, so dass Du ihn vorher einweisen und mit ihm die möglichen Vorkommnisse durchgehen musst. Aber er genießt mein Vertrauen und Du kannst ihn gut leiden."

Boromil wog dieses Angebot kurz innerlich ab und nickte schließlich. "In Ordnung. Wichtig ist nur, dass ich vorher alle Besuche hinter mich gebracht habe, um die Helfer zu rekrutieren. Der Zeit ist durchaus knapp... da war es gestern die richtige Entscheidung, noch nachts die letzten Meilen zurückzulegen." Er schmunzelte. "Ich hatte mir extra einfache Kleidung angezogen, um keine wertvolle Beute für Räuber abzugeben." "Solchen Wagemut kenne ich sonst gar nicht von Dir. Was hast Du Dir denn vorgenommen?" "Noch mehr Zwerge als Arbeiter anwerben. Und vielleicht neue Siedler gewinnen. Ich möchte nach Rohalssteg reisen und Foldan um Hilfe bitten." "Eine gute Idee. Zumindest kennt er genügend Hügelzwerge. Ob die sich bequemen werden, um in Moorbrück beim Aufbau eines Rittergutes zu helfen, steht natürlich auf einem anderen Blatt... aber versuchen muss man es, keine Frage." Plötzlich kam Gero ein Gedanke. "Da fällt mir ein... wenn ich richtig verstanden habe, siedelst Du gar nicht so weit von Eisenkobers Wacht entfernt. Wieso bittest Du eigentlich nicht die Wächter Rohals um Unterstützung?" "Will ich doch, aber gemeinsam mit den Angroschim werden sie mehr ausrichten. Mein Siedlungsplatz hat ja eine Vorgeschichte. Die Magier sind daher unerlässlich, um irgendwelche Besitztümer das angeblich ersten Besitzers des Turmes zu erkennen und wegzuräumen. Die Zwerge hingegen bringen Muskelkraft und Verstand, um den alten Tunnel und die Keller wieder freizulegen. Ich glaube, dass es die Kombination aus beiden ist, die den Erfolg bringen wird! Lange Zeit abzuwarten habe ich jedenfalls nicht. Ich meine, dass der Anfang besonders wichtig ist. Wenn ich nicht für meine Siedler deutlich erkennbar alles tue, um dem Ort das Unheimliche auszutreiben und einen echten Neuanfang zu wagen, dann wird die Siedlung über die Jahre kein Erfolg. Es muss mit einem schnellen Schlag geschehen oder es wird nicht klappen. Schließlich sind hier schon ganz andere gescheitert, da sitzt das Misstrauen tief." "Recht so! Da hat Morwald Gerling eine gute Entscheidung getroffen, dass er diesen Siedlungsplatz Dir zugeteilt hat, einem Vertreter einer magiefreundlichen Familie. Stell Dir mal vor, jemand abergläubisches müsste hier bauen!" Boromil verkniff sich eine Bemerkung dazu und fuhr stattdessen fort: "Jedenfalls möchte ich heute noch weiterreisen. Je früher die Zwerge mit den Grabearbeiten beginnen können, desto besser! Jeder Tag zählt!"

Am Ende des Saales räusperte sich der Verwalter. "Ja, was gibt's, Parinor?" "Entschuldigt, aber just kam ein Bote mit einem Brief – vom Borontempel." "Vom Tempel? Es wird doch nichts Schlimmes passiert sein? Gib schon her, Parinor." "Verzeiht, aber die Nachricht ist an Euren Sohn gerichtet." Mit diesen Worten schritt der Bedienstete auf die beiden zu. Boromil nahm das Schreiben aufgeregt, aber keineswegs überrascht entgegen, wie sein Vater erstaunt bemerkte. Hastig überflog der Neubelehnte die Zeilen und atmete dann sichtlich erleichtert aus. "Hervorragend. Damit ist der nächste Schritt getan." "Ich verstehe nicht... worum geht es? Was hast Du vor?" "Dort, wo ich ein Rittergut gründe, stand schon einmal eines. Doch dessen Bewohner wurden erschlagen und es ist bekannt, dass sich aus dem Sumpf bisweilen die Toten erheben. Damit das nicht geschieht und keiner innerhalb der Siedlung Angst haben muss, dass ihn dieses Schicksal trifft, lasse ich den Boden segnen und die die Grabstätten zu einem richtigen Boronsacker weihen." "Gut durchdacht! Aber hat es denn keine Borongeweihten in der Baronie Moorbrück selbst?" "Ich hatte mich beim Vogt erkundigt. Es gibt eine Geweihte namens Morlinde, aber das, was hier zu tun ist, kann leicht die Kraft eines einzelnen Geweihten überschreiten! Außerdem gibt es noch einen Boronsacker, den wir bei der Besichtigung im Sumpf entdeckt haben und dem die Geweihten ebenfalls einen Besuch abstatten sollten." Nun wandte sich Boromil Parinor zu. "Lass mein Pferd satteln. Ich möchte sobald wie möglich Richtung Rohalssteg aufbrechen." Parinor nickte dienstbeflissen und entfernte sich mit raschen Schritten.

Gero schaute dem Verwalter hinterher, dann sprach er schließlich leicht schmunzelnd: "Alle Achtung, Du hast wirklich vor, alles so schnell wie möglich zu erledigen! Der Brief der Boronis hat mich ganz überrumpelt. Als ich hörte, dass er für Dich sei, dachte ich schon, Du wolltest den Schrein Deiner Neusiedlung gar Boron weihen lassen und nicht Hesinde!" Nun lachte Gero sogar ein wenig und schalt sich offenbar selbst einen Narren aufgrund des abstrusen Gedankens. Boromil stimmte jedoch nicht mit ein, sondern winkte ab. "Oh, wie käme ich dazu? Es wird schließlich ein Phexenschrein werden!" Geros Lachen erstarb. "Wie bitte? Was hast Du denn gegen unsere Hausgottheit?" "Nichts, aber das einfache Volk hat eben auch vergleichsweise wenig für sie übrig." "Ja, aber da ist es doch die Gelegenheit, ja sogar unsere Pflicht, gegen diesen Missstand anzukämpfen und Hesinde den Platz einzuräumen, der ihr gebührt." Nun kam eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen Boromil gegenüber seinem Vater die Geduld verlor. "Ich kämpfe bereits gegen den Sumpf, den Nebel, die Untoten, die Räuber und die Gerüchte! All das ist schon schwer genug und ich brauche keine weitere Stelle, um eisernen Willen und Entschlossenheit zu beweisen! Wenn ich erfolgreich gegen die Zweifel der Leute angehe, dass dieses Unternehmen ein Erfolg werden kann, und die Gerüchte zerstreue über den Sohn des unheimlichen Ritters vom Kargen Land, aus dessen Familie viele Magier kommen und der nun auch noch im ehemaligen Turm Zulipans wohnen möchte, dann habe ich ein wahrhaft hesindegefälliges Werk getan!" "Aber ausgerechnet Phex! Was haben wir denn mit dem zu schaffen? Im Grunde fast nichts!" "Das Volk liebt ihn jedoch. Es ist wohl kein Zufall, dass die meisten anderen Neusiedler jeweils eine Gottheit gewählt haben, die den einfachen Menschen nahe ist, nicht dem Adel. Die Siedler werden oft auf sich allein gestellt sein – da brauchen sie einen Gott, der ihnen Trost spendet, und nicht einen, der ihnen harte Prüfungen abverlangt. Das wird das Leben am Rande des Sumpfes ohnehin schon tun!" Gero schüttelte resignierend den Kopf, sichtlich enttäuscht. "Nun gut, ich sehe, dass Du da nicht mit Vernunft zu erreichen bist. Möge sich Deine Wahl als gut erweisen." Kurz suchte er die richtigen Worte, um fortzufahren. "Ich hatte halt gedacht, Du würdest dabei an Deine Herkunft denken und die Ideale der Familie in Ehren halten." "Aber Vater", stimmte Boromil einen versöhnlichen Tonfall an, "wir sind doch bei all unserer Wissbegierde immer auch praktisch veranlagt gewesen – auf die eine oder andere Art und Weise. Für Bücherwürmer halten uns doch nur die, die uns nicht wirklich kennen. Was gäbe es also besseres, als zu zeigen, was in uns steckt? Mein Verstand sagt mir: Ich muss die Bedürfnisse der kleinen Leute bei einer neuen Siedlung viel stärker berücksichtigen als bei einer bestehenden. Wenn meine Untergebenen unzufrieden sind, wird sich niemand bei mir niederlassen wollen. Es muss ohnehin jeder neue Anwohner geworben werden und es gibt wenige Kandidaten, aber viel Konkurrenz durch die fünf anderen neuen Rittergüter. Ich muss aufpassen, dass ich nicht ins Hintertreffen gerate." Gero wog inzwischen den Kopf hin und her, war aber noch nicht richtig zufrieden. Daher hob Boromil erneut an: "Außerdem gibt es etwas viel Besseres, um die Fahne der Familie hochzuhalten. Schließlich bekommt das Rittergut noch einen Namen." Gero, durch diese Ankündigung neugierig gemacht, weitete seine Augen. "Und woran hast Du dabei gedacht?" "Mein Gut soll unter dem Namen Neuvaloor bekannt sein. Valoor ist der Name, den ich mit den jüngsten, guten Zeiten unserer Familie verbinde, mit Bescheidenheit und Treue. Und mit dem guten alten Born, Boron habe ihn selig." Gero war ergriffen, als der Name des früheren Oberhauptes der Familie fiel. Jener hatte immer auf dem traditionellen Namen Valoor bestanden und sich trotzig gewehrt gegen die neue Bezeichnung Valpos Horn. "Ja, eine gute Wahl", sagte Gero langsam und nachdenklich. Er hatte seinem Sohn Unrecht getan, als er ihn vorgeworfen hatte, nicht an die Familie zu denken. Aber es waren so viele Entscheidungen zu treffen, und es war so kompliziert! Er klopfte Boromil auf die Schulter. "Recht so, mein Sohn. Du bist dabei, Deinen Weg zu gehen, und musst Deine eigenen Entscheidungen treffen. Ich vergesse das selbst manchmal." "Ist schon gut, Vater. Ich sollte besser erklären, warum ich etwas tue. Wie heißt es doch so schön? Wer hastet, der stolpert." Kurze Zeit später verabschiedete sich Boromil und machte sich auf zu seinem Onkel und den Hügelzwergen. Ein Schritt war getan. Was würde der nächste bringen?