Mit dem Kosch-Kurier durch den Tag

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Ausgabe Nummer 50 - Rahja 1032 BF

Mit dem Kosch-Kurier durch den Tag

Wie unsere Zeitung bei den Lesern ankommt


Ganz schön wählerisch

ANGBAR, AM FRÜHEN MORGEN. Morgennebel wallten über den Angbarer See und durch die Gassen der Koscher Fürstenstadt. Auf dem Fischmarkt stapelten sich Kisten, Fässer und Körbe, dazwischen wimmelten Schemen von Menschen und Zwergen, ihr Plaudern und Streiten, Lachen und Feilschen vom Nebel gedämpft.

„Dumblinger und Plötzen!“ scholl es von einem Stand.

„Dumblinger und Plötzen!“

Von einem anderen: „Seeegraf! Seeeegraf! Ganz oder zerteilt!“

Auf einmal ein Platschen und aufgeregte Schreie: Ein lebender „Seegraf“ in einem Bottich hatte die Magd nassgespritzt, die ihn für die Tafel ihrer Herrschaft haben wollte, war den Fischhändlerhänden entschlüpft und in eine Kiste voller Rotfedern und Angbarsche geglitscht, die zum Nachbarstand gehörte. Von dort schnellte er gegen einen Milchkrug, der umfiel und zerbrach, geriet, vom Fischhändler verfolgt, den Schaulustigen zwischen die Füße und kam endlich in einem Korb mit Fischsudkräutern zur Ruhe. Schnaufend platzierte der Händler das unbotmäßige Tier endlich auf einer Lage Einwickelpapier.

„Das will ich nicht!“, beschwerte sich die Magd. „Das ist ja das Hinterkoscher Blatt!“ Seufzend griff der Händler nach einem anderen Bogen. „Hier, Jungfer, ein guter, echter Kosch-Kurier.“ – „Der sieht aber schon arg zerfleddert aus.“ Erneut seufzte der Händler. „So, da, der neuste, den ich hab'. Mit Bild!“ – „Hm, vom Herrn Graf ... Habt Ihr nicht eins vom Fürsten?“ – Schnaufend stützte der Händler die Fäuste in die Hüften. „Nee, Jungfer. Den Seegraf gibt’s nur mit’em Graf! Aber wenn Se ’n Bild von unserm Herrn Blasius will - kauf Se sich doch Numero 49. Da isser drauf. Mitsamt Familje!“

Ein beinahe verdorbener Tag


FÜRSTENHORT, AN EINEM ANDEREN MORGEN, NICHT GANZ SO FRÜH. Gerne nimmt sich Fürst Blasius die Zeit, geruhsam zu frühstücken, denn so fängt der neue Tag viel besser an - und noch besser beginnt er, wenn der neue KOSCH-KURIER kommt (was leider nicht allzu häufig geschieht). Dann wird, noch vor dem gerösteten Brot, ein Silbertablett hereingetragen, auf dem die neueste Ausgabe liegt. Dann stiehlt sich (selbst in sorgenvollen Zeiten) ein Lächeln auf des Fürsten Gesicht, wenn er das Silbertablett sieht, und der KOSCH-KURIER ist das Er- ste, wonach er greift. Er blättert ihn durch, freut sich, wenn wieder ein Sumspflog-Schwank bei den Sagen steht, und gibt erste Bemerkungen zu Abbildungen und - natürlich - zur Titelleiste ab. Dann legt er das Heft wieder zurück. Nicht, dass es schon wieder herausgetragen werden dürfte! Nur passen Lesen und das Einstippen knuspriger Hörnchen in honiggesüßte Milch nicht gut zueinander, daher tritt nun der Vorleser, Kammerjunker Polter von Stielzbruk, in Aktion. Nicht selten gibt Fürst Blasius vor, was er zuerst hören möchte, und wer ihn nicht kennt, staunt, wie gut er nach dem kurzen Durchblättern die Seiten noch weiß. Sagt er nichts, beginnt Junker Polter ganz vorne.

An jenem Morgen, von dem hier die Rede ist, war Herr Polter jedoch erkältet. Schon beim ersten Artikel klang seine Stimme nicht so voll und schön wie gewohnt, ab dem zweiten musste er sich mehrfach räuspern, und ausgerechnet bei einer ritterlichen Ballade Wolfhardts von der Wiesen, bei welcher der Fürst sogar innehielt im Frühstück, setzte Herrn Polters Stimme aus. Einen einzigen Kiekser äußerte der arme Kammerherr noch, dann nichts mehr.Das Gesicht Seiner Durchlaucht verfinsterte sich, und noch mehr das der Hofleute, die nun einen unerfreulichen Tag mit einem schlecht gelaunten Fürsten vor sich sahen. Selbst die hartgekochten Eier schob Fürst Blasius von sich, dabei hatte er erst dreie verspeist.

Da trat ein Mädchen von vielleicht acht oder neun Jahren vor. Artig knickste es vor dem Fürsten und sagte dann die Ballade von vorn bis hinten mit klarer Stimme auf. Der gute Fürst ließ das Kind erfreut vor sich treten und fragte, wer es denn sei. Hermeline war es, Junker Polters Enkelin, das Kind seiner Tochter Anghild, das heute ausnahmsweise mitgekommen war, um dem kranken Großvater zur Hand zugehen. Der nun wieder gut gelaunte Fürst strich eigenhändig der Kleinen ein Hörnchen mit Butter und Honig. Junker Polter aber schickte er ins Bett, um sich auszukurieren, mitsamt einem großen Topf heißer Honigmilch.

Letzte Rettung


HEIMELING, AM NACHMITTAG. Mugrum, Sohn des Muragox, begann zu schwitzen. Das lag zum einen an der Nachmittagssonne, die ihre warmen Strahlen über die Hügelhäuser von Heimeling ergoss, zum anderen daran, dass Mugrum nun rannte, wenigstens soweit das ein Hügelzwerg kann. Schieres Entsetzen stand ihm ins gerötete Gesicht geschrieben, sein röchelnder Atem verriet, dass er diesen Trab nicht lange durchhalten konnte. Bald stolperte er denn auch und verlangsamte seinen Schritt. Gehetzt sah er sich um, erblickte aber offenbar nicht, was er suchte, und raufte sich vor Verzweiflung mit beiden Händen seinen stattlichen blonden Bart. Zwischen leichtem Trab und raschem Schritt wechselnd, eilte er weiter.

Der Markt war längst zu Ende. Nur leere Kisten und Körbe standen noch herum, Kohlblätter verwelkten auf der Erde, Spatzen zankten sich um einen Kanten Brot. Da! Ein Papier! Mugrum schoss hinzu, bückte sich schnaufend, zerrte das Blatt unter einer Kiste hervor... und ließ es enttäuscht wieder fallen. Nicht nur roch es nach nicht mehr ganz frischem Fisch, sondern es trug auch einen Text, den er längst kannte. „Suchst du was, Mugrum, Muragox’ Sohn?“ Ein Mann sprang vom Marktbrunnenrand, auf dem er gesessen hatte. Mugrum kannte ihn vage, woher, fiel ihm gerade nicht mehr ein. Schwer atmend nickte er und stieß einige Worte hervor. Der Mann lachte, zögerte, wiegte den Kopf, dann flüsterte er etwas, danach lauter: „Weil Ihr’s seid.“

Erneut raufte sich Mugrum seinen Bart, schüttelte verzweifelt den Kopf und verdrehte die Augen. Endlich griff er nach einem der Beutel an seinem Gürtel, langte hinein und drückte dem Mann etwas in die Hand. Im Gegenzug erhielt er einen länglichen Gegenstand, einen Stab - oder ein aufgerolltes Pergament? Deutlich erleichtert schlurfte Mugrum heimwärts und verschwand in seinem Hügelhaus. Drinnen zapfte er sich ein gutes Bier, dann ließ er sich aufatmend in seinen Sessel fallen, lehnte sich genüsslich zurück und entrollte, was er ergattert hatte: ein Heft, schon mindestens einmal gelesen, etwas fleckig und an einer Ecke geknickt, aber was machte das? Der Tag war gerettet - er hielt die neuste Ausgabe des KOSCH-KURIER in der Hand!

Beim Ruf der zweiten Glocke

EIN DORF IM SCHETZENECK, ABENDS. Bong, bong, bonge- bong! läutete die Holzglocke des Perainetempels zur Abendandacht. Bauern und Hirten horchten auf in ihrem Gebet: Hatte sich da nicht ein „Büngebüng“ hinein gemischt? Da, noch einmal: „Büng“! Über Eintopfschüsseln hinweg wurden Blicke getauscht, ein alter Holzsammler nickte vor sich hin, bevor er sich bedächtig ein Stück Käse zum Brot abschnitt. Manch einer schlang sein Abendmahl auch hastiger in sich hinein, ließ Schüsseln und Näpfe stehen und eilte zum Tempel.

Sachen, die geflickt werden mussten, brachten die Leute mit, Messer und Holz oder Horn, Rocken und Spindel. Bierkrüge natürlich, noch sorgsam verschlossen, dazu Brot, Eier, Möhren, oder was immer sonst man der Priesterin mitbringen wollte.

Langsam füllte sich der Tempelraum, doch fand noch jeder irgendwo einen Platz. Ein Gruß, ein kurzes Gebet, eine Verbeugung vor Peraine, dann lagerte man sich um die Geweihte herum, die gemütlich auf einem Lehnstuhl saß und den Eintreffenden zunickte. Endlich schien alles versammelt zu sein, und die Hüterin der Saat hob hoch, was bisher auf ihrem Schoß gelegen hatte. Ein Poltern - noch einmal flog die Türe auf und gleich wieder zu! Keuchend drängte sich ein junger Mann mit Fasanenfeder am Hut durch die Reihen, verbeugte sich hastig vor der Göttin und ihrer Priesterin und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden fallen.

„Ähem“, räusperte sich die Hüterin. Hastig riss sich der junge Mann den Hut vom Kopf, sein Gesicht lief rot an. Zufrieden nickte die Geweihte. Noch einmal hob sie hoch, was auf ihrem Schoß lag, ein Heft... - „Ja, es ist wieder soweit: der neue Kosch-Kurier ist da! Womit soll ich anfangen, mit den Nachrichten oder mit den Geschichten?“

Erhellende Worte


FERDOK, ZU SPÄTER STUNDE. Grimmig musterten die beiden einander, die Frau und der Mann. Erstere eine Praiosgeweihte, Lichtgeberin, Letzterer... konnte alles sein, vom Bettler bis zum verarmten Adelsspross, vielleicht auch nicht wirklich verarmt, nur auf Reisen, oder ein reisender Handelsmann. Nachdrücklich klopfte die Lichtgeberin mit dem Zeigefinger auf den Tresen - Ort der Szene war eine der besseren Schänken Ferdoks, fast leer, es war schon spät -, allerdings galt ihr Klopfen nicht dem Wirt, der betreten dabeistand, sondern dem anderen Gast; vorgestellt hatte er sich mit „Alrik Sturmfels“.

„Ich habe es gesehen!“ herrschte die Praiota Herrn Sturmfels an. „Sofort legt Er es wieder zurück!“ – „Was meint Ihr, Euer Gnaden?“, fragte der Mann treuherzig. Neun Herzschläge lang starrten die beiden einander in die Augen, keiner blinzelte, keiner wich. Dann griff der Mann, immer noch unverwandt starrend, unter seine Joppe, zog ein Heft hervor und knallte es auf den Tresen. Endlich ließen die beiden Augenpaare voneinander ab.

„Oh, das...“, platzte der Wirt in das Ende des Duells, „das muss ein Irrtum sein! Das... das Heft gehört mir nicht, das...“ – „Wagt Er, mir so ins Gesicht zu lügen?!“, grollte die Praiota. „Wie oft komme ich in Seine Lokalität, um ein Ferdoker zu trinken?“ Betreten knautschte der Wirt seine Mütze und erwiderte nichts. „Mir scheint, Er sollte nächsten Praiostag wieder einmal zur Messe kommen.“ – „Ja, Euer Gnaden,“, dienerte der Wirt unglücklich; eine Praiosmesse bedeutete auch ein Praiosscherflein, und das war nicht gering. „Und du“, wandte sich die Praiota wieder dem Dieb zu, „glaubst du, dein Herr ist zufrieden mit dir?“ – „Im Moment nicht, nein“, musste der Mann zugeben, „aber dafür doch sicherlich Eurer?“ – „Ich wüsste nicht, wieso.“ – „Er sieht es doch sicher nicht gern, wenn sowas“, scheinbar verächtlich wies der Mann auf das Heft, „so offen und einsehbar für das Volk herumliegt?“ – „Du irrst“, sagte streng die Lichtgeberin. – „Ach, er findet es gut, wenn jeder den neusten Adelsklatsch liest und Informationen so wohlfeil bekommt?!“, fragte der Mann mit einer Mischung aus Verwunderung und Keckheit. – „Das dürfte dich mehr stören als mich“, erwiderte die Praiotin trocken. Statt einer weiteren Ausführung schlug sie geübt eine Seite auf, und ihr Zeigefinger klopfte erneut. ‚Auf dem Zwölfergang’, war dort zu lesen. „Der Kosch-Kurier trägt dazu bei, Ordnung und Rechtgläubigkeit zu erhalten. So sieht der Herr Praios es gern.“

Sisimbria Q. Firkelstein