Man erntet, was man sät - Die Feder ist mächtiger als das Schwert

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Mirkagarten, 02. Rondra 1041 BF

Die Feder ist mächtiger als das Schwert

Narmur stand am Erker des Nordturms seines Schlosses. Er blickte auf Drift herab, das weit unter ihm zu Füßen des Schlossberges lag und wegen der Regenfälle der letzten Tage im Morast zu versinken schien. Der Große Fluss war ungewöhnlich aufgewühlt und führte trübes, braunes Wasser. Zwei Meilen östlich der Stadt, auf der anderen Seite der Unwyn lag Garrensand mit seinem Kloster. Ein Fürstliches Heer war gerade dabei, an der Brücke zwischen Drift und Garrensand ein Lager aufzuschlagen. Weiße Zelte strahlten im Licht der Mittagssonne. Narmur schüttelte den Kopf. „So viel Regen Ende Praios… Den Göttern sein Dank, dass ich den Bauern Beine gemacht habe und die Ernte bereits eingefahren ist. Sonst würde das Korn auf den Äckern verfaulen.“ Senach Yann Toberen, der neben dem Baron stand und konzentriert Ausschau hielt, nickte zustimmend. "Ja, Herr.“ Narmur gestikulierte wild. „Spätestens im Winter würden sie dann wieder um Gnade winseln: Mein Baron, die Ernte war schlecht – wir hungern! … Aber diesmal gibt es keine Ausrede! Wer nicht zur rechten Zeit die Ernte eingebracht hat, ist selber schuld!“ Narmur knirschte mit den Zähnen und schlug mit der Faust auf den Sims des Erkers, dass es staubte. Toberen warf seinem Baron einen verstohlenen Seitenblick zu, ehe er wieder in die Ferne blickte. „Dort! Sie kommen!“ – Toberen deutete auf die Brücke über die Unwyn, die gerade von einigen Bewaffneten Richtung Drift überquert wurde. Metall blitzte in der Sonne. Narmur kniff die Augen zusammen: „Weiß Blau und Gelb Grün. Der Graf und der Cantzler… Toberen! Lass den roten Teppich für die Gäste ausrollen. Aber einen dünnen, damit die Zwerge keine Mühe haben, die Teppichkante zu erklimmen…. Jetzt heißt es gute Miene zum bösen Spiel machen.“

Wenig später im Empfangszimmer des Schlosses. Narmur schritt nervös durch den Raum. Immer wieder hielt er vor einem Spiegel, um Baronsreif und Tunika auf ihren korrekten Sitz zu prüfen. Da klopfte es an der Tür. Narmur räusperte sich und rief dann mit fester Stimme „Herein!“. Ein Drifter Gardist öffnete die Tür und sogleich trat Graf Growin ein, gefolgt von Cantzler Nirwulf. Narmur zauberte ein breites Lächeln auf sein feistes Gesicht, breitete die Hände aus und begrüßte die Gäste mit übertriebener Herzlichkeit: „Hochwohlgeboren Growin, mein Herr! – Exzellenz Nirwulf! – welch Freude, welche Ehre! So hoher Besuch in meinem bescheidenen Hause. Womit darf ich euch zu Diensten sein?“ Nirwulf hielt die Hände am Rücken verschränkt, musterte Narmur wortlos und marschierte schließlich an ihm vorbei zu einem Tischchen mit bereitgestelltem Gebäck und einer Karaffe Wein. Growin: „Spart euch die schönen Worte, Baron! Wir sind gekommen, um der Gewalt in eurer Provinz ein Ende zu bereiten. – Ihr lasst Händler hinrichten und metzelt eure Bauern ab. Das muss augenblicklich aufhören!“ Narmurs Lächeln wich einem eiskalten Ausdruck: „Mein Graf, Euer Kaiserliche Majestät hat höchstselbst meinem Stand mit den dafür notwendigen Privilegien ausgestattet. Es ist aber nicht nur mein Recht, sondern meine Pflicht, in meinem Lehn für Ordnung zu sorgen.“ Nirwulf, der sich gerade ein Glas Wein einschenkte, hakte ein: „Aber ihr habt nicht das Recht, die Vasallen und den Besitz des Fürsten anzugreifen. Dem Fürst wurde berichtet, dass ihr eines seiner Güter – Westbühl – verheert. Ein Schlachtenreiter wurde von euren Vasallen attackiert, hierher verschleppt und festgehalten. Und ihr habt die Yassburg belagert. – Erklärt euch.“ Narmur räusperte sich, stellte sich zu Nirwulf und schenkte sich ebenfalls Wein ein, um sogleich davon zu trinken. Nachdem er sich den Mund mit dem Handrücken trocken gewischt hatte, fixierte er den Cantzler: „Es schmerzt, euch dies berichten zu müssen, aber der Landvogt von Westbühl, Brumil, hat sich mit den Gesetzlosen, die mein Land terrorisieren, verbrüdert. Ebenso der vorher genannten Schlachtenreiter, Eckbart von Hirschingen. Hirschingen wurde gestellt, als er mit den Seinen ein Dorf der Junkerin Gunelde von Nadoret attackierte und den Zehntscheuer der Junkerin in Brand steckte. Der Landvogt Brumil gewährte jenen Mordbrennern Unterschlupf, die vor einigen Monden Durstein plünderten und über 20 meiner Gardisten und Getreuen ermordeten! Als treuer Vasall bitte ich euch daher, mich im Kampf gegen diese Räuber zu unterstützten!“ Growin und Nirwulf tauschten Blicke aus. Nirwulf: „Wir werden nichts dergleichen tun. Der Landvogt soll zu euren Vorwürfen Stellung nehmen.“ Growin: „Und ich verbiete euch hiermit jede weitere Kampfhandlung! Wir werden uns selbst ein Bild der Lage machen.“ Narmur seufzte: „Alles was ich wollte, ist Ungemach von unserem Fürsten fernhalten. Wenn sich herumspricht, dass der Fürst Räuber und Banditen im Dienst hält, ist das seinem Ruf sicher nicht zuträglich. Wenn ihr euch meiner Sache anschließt, können wir diesen Räubern auf schnellem Weg den garaus machen.“ Nirwulf: „Sowohl der Landvogt als auch von Hirschingen sind langjährige und treue Diener des Fürsten. Ich hoffe für euch, Baron, ihr sprecht eure harten Anschuldigungen nicht leichtsinnig und ohne Beweise aus.“ Narmur zog die Augenbrauen zusammen: „Es ist bedauerlich, dass ihr meinem Urteil nicht traut, Cantzler. Ich habe mehr als genug Beweise und auch Zeugen für die Untaten dieser fürstlichen Vasallen.“ Nirwulf: „Der Landvogt brachte seinerseits ähnliche Anschuldigungen gegen euch vor. Ihr zieht euren Untertanen den letzten Heller aus der Tasche. Leute wurden von eurer Garde verschleppt und nie mehr wieder gesehen.“ Narmur: „Und hat der Landvogt hierfür Beweise und belastbare Zeugen? – Meine Zeugen sind ehrbar und von Stand.“


Narmur ging zu einem Fenster, um einen Blick in den Hof zu werfen. Dann wandte er sich dem Grafen zu: „Aber nun zu etwas erfreulicherem, mein Herr. Der Transport der für euch bestimmten Abgaben steht im Waldhof bereit. Trotz der massiven Überfälle und der rebellierenden Bauern konnte ich eure Pfründe bis auf die Unze genau aufbringen, Herr.“ Growin nickte. Narmur: „Ich bitte euch nur um eines. Da ihr mit euren Soldaten gerade in Drift weilt, wäre es eine Erleichterung, wenn ihr dem Transport Geleitschutz entgegenschickt. Meine Garde wurde im Kampf gegen die Räuber bereits stark geschwächt.“ Growin nickte abermals: „Ich werde den Transport auf dem Weg nach Eberstett in Empfang nehmen. Wir werden uns auch dort ein Bild der Lage in eurer Baronie machen, Narmur.“