Man erntet, was man sät - Belagerung

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Durstein, Mitte Rondra 1041 BF

Belagerung

Die Sonne versinkt langsam hinter den Gipfeln des Ambossgebirges. Eine Gruppe Steinböcke ruht auf einer steilen Bergflanke. Die Tiere starren unverwandt ins Tal, wo ein Heer aus etwa 200 Menschen und Zwergen dabei ist, ein befestigtes Lager auf einem Felsenplateau zu errichten. Etwas abseits übt eine kleine Gruppe das Armbrustschießen auf den kahlen Stamm einer abgestorbenen Fichte. Eine andere Gruppe übt unter dem infernalisch schrillem Geschrei einer alten Weibelin den Umgang mit der Lanze: „Eins, zwei, drei, vier, Spieß auf, Spieß nieder, fünf, sechs, sieben, acht, Spieß rein, Spieß raus!“ und: „REIN ins Gedärm! DREHT das Gedärm! RAUS mit dem Gedärm!“
Im Zentrum des entstehenden Lagers stehen die Anführer des Heeres beisammen und beratschlagen sich.
Morena Breitschuh: Durstein liegt zwei Meilen hinter der nächsten Bergflanke. Die gefährlichste Stelle des Marsches haben wir bereits hinter uns. Dort, am Durpass, da haben wir die Truppen des Barons im Peraine letzten Jahres in einen Hinterhalt gelockt und vernichtend geschlagen.
Brumil: Das Scharmützel am Durpass. Ich habe davon gehört. Wie gut, dass der Baron nicht das Gleiche geplant hatte.
Alvide: Unsere Späher berichten, dass er sich mit dem Rest seiner Garde und seinen treuersten Hausrittern in der Burg Durstein verschanzt hat. Seine Söldner aus den Nordmarken und die Bärenklammer Spießläufer haben in den letzten Stunden anscheinend das Dorf Durstein geplündert und sich in den Süden zurückgezogen – weg von uns.
Brumil murrt und streicht sich durch den Bart: Die Söldner haben ihren Herrn im Stich gelassen und holen sich ihren Sold von den Bauern. Leider konnte ich die Zwerge aus Zolchodh zu keinem Bündnis überreden. Sie hätten den Söldnern den Fluchtweg versperren können.
Alvide: Das ganze könnte auch eine Ablenkung sein, um uns zu einem eiligen Vormarsch gen Durstein zu animieren. Wir sollten aber nicht vor morgen früh vorrücken. Der Aufstieg hat die Soldaten erschöpft.
Alle nicken.

Am Morgen des nächsten Tages.
Im kleinen Rittersaal der Burg Durstein sitzen Baron Narmur mit seinen Rittern an der Tafel beim gemeinsamen Frühstück. Der Baron lauscht den Berichten seiner Getreuen, während er ein Stück Feigenkuchen in dampfenden Gewürzwein tunkt und genüsslich verschlingt.
Holdwin von Rohenforsten: „ … dazu noch etwa zwei Stein Weizen, einen Stein Erbsen, fünf Zentner gepökeltes Schweinefleisch, drei Fässer Bier…“
Narmur macht eine wedelnde Handbewegung: „Vielen Dank, Vogt. Mit anderen Worten, wir haben mehr als genug Vorräte für eine lange Belagerung!“
Holdwin wiegt den Kopf hin und her: „Ob die Vorräte ausreichen, hängt vor allem von der Versorgungslage unserer Feinde ab. Dass wir Anfang Rondra unerwartet eine große Lieferung erhielten, war noch unser Glück.“
Narmur grinst diabolisch: „Wisst ihr, was noch unser Glück war, Vogt?! Dass diese verdammten Söldner das Dorf plünderten, bevor sie sich aus dem Staub gemacht haben! Nun dürfte es keine einzige Unze Korn in Durstein geben und Brumil und Alvide können zusätzlich zu ihren Leuten noch die Dursteiner Bauernschaft durchfüttern – wenn sie sie nicht krepieren lassen wollen!“ Narmur lacht. Einige anderen am Tisch stimmen in das Lachen ein.
Holdwin schluckt und murmelt: „Das Dorf ist verwüstet … Die Götter mögen uns hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“
Narmur funkelt ihn böse an: „Ihr habt keinen Sinn für Humor, Vogt! Geht mir aus den Augen! Geht wieder in den Speicher, Körner zählen!“
Holdwin erhebt sich, verneigt sich leicht und verlässt den Raum.
Narmur wendet sich an Matrescha von Stanniz auf Steinberg: „Steinberg! Was könnt ihr mir berichten?“
Matrescha: „Meine Späher haben berichtet, dass sich unter unseren Feinden weder gräfliche noch fürstliche Truppen befinden. Es sind nur Brumil und Alvide mit ihren Leuten gekommen.“
Narmur reibt sich die Hände: „Ausgezeichnet. Dass wird es meinen Verbündeten leichter machen, ein Entsatzheer zu schicken. Nadoret wird mich nicht im Stich lassen.“
Josper von Kemlar: „Hakan von Nadoret kämpft derzeit in Lûr, gemeinsam mit Erzbart von Drabenburg. Wir sollten ihn so bald wie möglich kontaktieren, denn: Wir haben vielleicht genug Vorräte, um lange auszuharren, aber unsere Feinde haben fähige Sappeure und sind möglicherweise in der Lage, die Burg zu unterminieren und zu stürmen.“
Narmur nickt: „Tut das!“
Matrescha: „Ich werde sogleich einen Boten entsenden.“

Ein Hornstoß ist zu vernehmen.
Das Gespräch verstummt. Die Anwesenden verharren in Stille. Beim zweiten Hornstoß stürmen alle zu den Fenstern.
Josper von Kemlar deutet auf einen Berghang, der das Tal gen Norden begrenzt. Auf breiter Front marschieren Soldaten unter den Bannern des Drifter Bauernhaufens, Brumils, der Koscher Kumpel und Sindelsaum auf das Dorf und die Burg zu: „Dort! Der Feind rückt an!“
Matrescha: „Das war's mit dem Boten … Ich habe noch einige Brieftauben, die mein Gut als Heimatschlag haben.
Meine Frau könnte von dort einen Boten entsenden.“
Narmur streicht sich über das Kinn, während er den Aufmarsch verfolgt: „Aber, aber … Heben wir uns die Brieftauben für später auf. Zwerge haben kurze Beine. Es ist genug Zeit für einen Boten.“
Narmur wendet sich an Josper. Er legt ihm die Hand auf die Schulter und schaut ihn ernst an: „Mein Junge! Ich habe euch zum Hauptmann meiner Garde gemacht, nicht nur, weil ich an eure Fähigkeiten glaube, sondern auch, weil ich wusste, dass ich einen jungen Ritter an meiner Seite brauchen werde. Einen, der noch genug Kraft hat, um riskante Aufgaben zu übernehmen und nicht nur seine Wampe züchtet!
Außerdem hat meine gute Freundin, Baronin Neralda euch bei mir über den grünen Klee gelobt – wie tapfer ihr seid.
Und ihr kennt auch Hakan persönlich, nicht wahr?“
Josper nickt und bedenkt Narmur mit einem skeptisch abwartenden Blick: „Ja.“
Narmur: „Dann erteile ich euch nun die ehrenvolle Aufgabe, die feindlichen Linien zu durchbrechen und unserem Verbündeten in Lûr von unserer Lage zu berichten. Auf dass sie uns zur Hilfe eilen! Die Wichtigkeit unseres Anliegens wird ihnen umso mehr bewusst werden, wenn ich euch, meinen Hauptmann, schicke.“
Josper schluckt, während er am Fenster die aufmarschierenden Truppen der Feinde beobachtet: „Ich werde euch nicht enttäuschen, Baron!“
Narmur klopft ihm auf die Schultern: „Beispielhaft! Euer Mut wird nur durch meinen Lohn für euch übertroffen werden.“
Josper verneigt sich und entschwindet mit eiligen Schritten.
Narmur wendet sich an Matrescha: „Lasst die Mauern und Türme besetzen. Ich glaube zwar nicht, dass diese Aasgeier da draußen einen direkten Angriff wagen werden, aber wir wollen ihnen im Fall des Falles das geben, was sie verdienen – Nämlich einen Bolzen zwischen die Augen!“
Matrescha verneigt sich und verlässt den Raum.
Narmur wendet sich an die verbliebenen Anwesenden und klatscht in die Hände: „Freunde! So wie es aussieht, zwingt uns unsere missliche Lage, nun für zumindest mehrere Wochen in dieser meiner schönen Burganlage gemeinsam auszuharren und auf Verstärkung zu warten. Ich bin sicher, für keinen von euch ist das die erste Belagerung … Damit uns die Zeit aber nicht allzu lange wird, habe ich für Unterhaltung gesorgt.“ Narmur gibt einem Diener ein Handzeichen, woraufhin dieser eine Tür öffnet. Zwei Spielleute und eine Gauklerin betreten laut trommelnd, pfeifend und Bälle jonglierend den Rittersaal.
Narmur: „Und damit die da draußen auch wissen, dass wir uns von ihnen nicht die Laune verderben lassen … Lacht! Lacht!“