Entführung des Prinzenpaares - Immer rein in die gute Stube

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Bor 1031 BF
Immer rein in die gute Stube
Durch Firuns Zorn


Kapitel 56

Holzsuche (Boronsdienst II)
Autor:?

Wengenholm, 1031

Irgendwo musste ein Brennholzstapel sein. Als er keinen endeckte, wandte er sich zur zweiten Tür und öffnete sie, während der Hundsgraber begann sich nützlich zu machen und einige der Aufgaben zu erledigen, die notwendig waren, um die Nacht hier einigermaßen angenehm werden zu lassen.
Urion fand in der Seitenkammer, die offenbar die Vorräte enthielt und als Stall für Kleinvieh genutzt wurde, nur noch einige leere Säcke, Kisten und ein kleines, bleischweres Fass, das eine offenbar gefrorene Flüssigkeit in sich barg. Dort, wo das Vieh - der Höhe der durchgekappten Stricke nach zu urteilen, waren es Ziegen oder Schafe - stand, war ebenfalls nur mehr etwas gefrorener Dung und einige Halme Stroh zu finden. In einer Nische, die einst anscheinend die erhofften Holzscheite enthielt, fanden sich nur noch einige wenige Holzsplitter und ein kleiner Ast.
Anselm ging derweil nach oben, um nachzusehen, ob dort ein guter Platz für das Nachtlager sein würde. Sein Atem gefror zu kleinen Wölkchen, als der die steile grob behauene Stiege erklomm. Das Dachgeschoss war offenbar ein einziger großer Raum. Auch hier oben war es eisig und düster, die Läden waren verschlossen, am Boden lag altes Stroh. In der Ecke, nahe am Schlot, der aus der unteren Stube durch den Dachraum führte, erkannte er etwas, das wie ein Bündel Filzdecken aussah. Offenbar war dieses Geschoss von den Bewohnern als Schlafkammer genutzt worden. Das wäre ein guter Platz für die Nacht, und die Decken würden sicher gute Dienste leisten. Als sich der Hundsgraber näherte um eine davon zu befühlen und nach Ungeziefer zu durchsuchen, schrak er zurück.
Das, was er für ein Bündel hielt, entpuppte sich als ein aneinander gekauertes Paar Menschen - die Arme fest umeinander geschlungen, lagen sie reglos da. Ein graubärtiger Mann und seine Frau, die Augen geschlossen, die Wangen eingefallen, die Haut bläulich ... keine Bewegung, kein Atemzug ...
Ebenso wie die Geweihte des schweigsamen Herren blieb auch Thorben außerhalb der Hütte. Seinen Rucksack und einige weitere Dinge setzte er neben der Hütte unter dem Dachüberhang ab und schritt dann auf seinen Schneeschuhen um die Hütte herum. Nach seiner Runde ging er zu Lyeria und sagte:
"Sehen euer Gnaden Zeichen, die uns Mut machen dürfen, oder vielleicht solche, die uns ängstigen sollten?"
Die Golgaritin schwieg zuerst und blickte weiter gedankenverloren in die Ferne, während sie nach einer Eingebung trachtete, doch nichts rührte sich.
"Die Götter schweigen diese Augenblicke. Doch uns wurde bereits eine Vision geschenkt. Den bitterkalten, todbringenden Frost haben wir erreicht, und auch die in der Prophezeiung genannte Schneedecke und das grenzenlose Weiß ist bei diesem Augenblick nicht zu übersehen."
Sie versank wieder in Gedanken.
"Doch eins macht mir Sorgen. Was mag mit dem Ende der Prophezeiung gemeint sein? Der Schnee des Jägerbergs ist klar verständlich, schließlich soll hier ein exorbitantes Jagdgebiet sein, aber die belagerte Trutz und die falschen Tränen bereiten mir Kopfzerbrechen und Sorge? Mag nur Firuns Zorn mit der Belagerung gemeint sein, oder wartet ein anderer Feind auf uns? Boron erwartet von uns, dass wir darüber nachdenken und von unserem Herzen geleitet richtig und weise handeln. Was meint Ihr, Wehrmeister? Erwartet uns noch größere Pein?"
"Ich weiß nicht, ob über die Pein des weiteren Weges hinaus noch weiteres Ungemach auf uns alle wartet, Euer Gnaden!" sagte der Wehrmeister. "Aber ich weiß sicher, daß nur der Tod uns davon abhalten wird in diese Burg und zum prinzlichen Paar zu gelangen", sagte er fest.
Kurz hielt der Hammerschlager inne, wollte er doch jetzt ein heikeles Thema ansprechen. Dann straffte er sich und sagte:
"Euer Gnaden, wollt ihr eurem Knappen Timokles und ihro Gnaden Antara den weiteren Weg wirklich zumuten? Ich habe beide beobachtet und ich bin mir sicher, daß sie den Anforderungen, die noch auf uns warten, nicht gewachsen sein werden. Vielmehr befürchte ich, daß sie uns im ungünstigen Moment zur Belastung werden könnten."
Abwehrend hob er die Hände, um der vermuteten Empörung zuvorzukommen und sprach schnell weiter:
"Wir alle haben hier, bei diesem Wetter und in dieser Höhe unsere Schwierigkeiten. Viele von uns werden an ihre Grenzen kommen oder sind fast schon dort. Vielleicht wäre es besser, die beiden zum letzten Weiler zurückgehen zu lassen."
Keuchend und schnaufend erreichte Antara die Hütte. Wieder einmal verfluchte sie den Umstand, daß sie in Punin mehr die Schreibfeder als den Säbel führte. Das Blut pochte in ihren Schläfen, der Schweiß rann den Rücken herunter und der kurze Anflug göttlicher Berührung lies sie schwindeln. Mit glasigem Blick wankte sie mehr in die Hütte als dass sie ging. Drinnen angekommen ließ zumindest der eisige Wind nach und sie konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Schuldbewusst sah sie sich um, legte dann ihr Gepäck ab und begann sich nützlich zu machen.
Sein Erschrecken währte nur kurz. Die Armen waren erfohren - der grimmige Frost des Herrn Firun hatte hier in dieser Alm ihre Opfer gefordert. Die beiden dauerten den Hundsgraber sehr - diese beiden hatten gehofft und sich traviagefällige Wärme geschenkt - doch es war nicht genug in dieser Firunskälte.
'Vermutlich hatten sie nichts zu essen und auch kein Holz für Feuer', dachte er sich und legte die Filzdecken wieder über das Paar. Dann schritt er wieder herunter. Urion war gerade noch in der Seitenkammer - so trat er nach draußen. Sein Blick fand Ihro Gnaden Lyeria und den koscher Wehrmeister. Ruhig und doch eindringlich war seine Stimme zu hören:
„Euer Gnaden Lyeria, bitte kommt, hier sind solche, welche die Gnade Borons bedürfen.“
Lyeria Blick war wieder in die Ferne gerichtet, in der sich die Silhouette des Zieles ihrer Reise abzeichnete. Sie ließ den Wehrmeister einige Augenblicke warten und überlegte selbst, ob es wirklich nicht besser sei, die jungen Knappen hier zurückzulassen. Nach einiger Zeit hob sie mit ihrer leisen, aber doch durchdringenden Stimme zu sprechen an:
"Wehrmeister, ich verstehe Eure bedenken, aber...", als sie von der schneidenden Stimme Anselms unterbrochen wurde. Sie nickte kurz dem Thorben zu, dass ihre Konversation verschoben werden sollte und ging festen Schrittes auf den Junker zu und raunte ihn an:
"Was ist geschehen?"
Nachdem Anselm der Golgaritin das Gesehene kurz und knapp geschildert hatte und sich diese abgewandt hatte, suchte er nach dem Prinzen. Nachdem er diesen gefunden und auf ihn zugeschritten war, berichtete er:
"Mein Prinz, die Alm ward nicht verlassen - vielmehr sind ihre Bewohner allem Anschein nach in der klirrenden Firunsfrostnacht den Weg zum Herren Boron gegangen. Ich habe sie im Dachgeschoss, sich eng umschlossen haltend gefunden. Es sieht danach aus, dass sie erfroren sind. Näheres kann Euch sicher Ihro Gnaden Lyeria berichten, wenn sie wieder zurück von den Verblichenen ist."
Der Junker pausierte kurz, atmete tief durch und meinte dann:
"Euer Rittmeister hat sich die unteren Räumlichkeiten besehen, sicher kann er Euch mehr dahingehend berichten, mein Prinz."
Lyeria war sofort die Stiege hinaufgegangen und hatte den Sterbeort der beiden besehen. Dort kniete sie zuerst nieder, nahm die Decke von deren geschundenen Körpern und betete ein stummes Gebet für ihr Seelenheil. Daraufhin holte sie Antara und Timokles herbei, die damit beauftragt wurden, ein möglichst tiefes Loch in den Schnee zu graben. Fragen von deren Seite ignorierte sie geflissentlich und suchte den Prinzen auf, den sie auch bald in der Hauptstube stehen sah. Sie verneigte sich und meinte:
"Ehrenwerter Prinz, wir haben die Besitzer der Alm gefunden, doch der firnkalte Winter ist ihnen Herr geworden und, nachdem die letzten Brennmittel verbraucht wurden, haben sie den Flug über das Nirgendmeer angetreten."
Als sie den agwöhnischen Blick des Prinzen bemerkte fügte sie noch hinzu:
"Fremdeinwirkung schließe ich eigentlich aus!"
Thorben folgte der Geweihten in die Hütte und vernahm die Berichte.
"Auch draußen neben der Hütte habe ich kein Holz mehr liegen sehen. Mich wundert allerdings, daß die Bewohner nicht neben dem Kamin geschlafen haben, wir sollten abwarten, bis ihro Gnaden uns bestätigt, daß sie tatsächlich der Frost getötet hat", sagte der Wehrmeister. Nach einem kurzen Gang durch die Hütte fuhr er fort:
"Nun, Holz hat es hier eigentlich noch genug. Die inneren Türen und die Dielenbretter sollten uns eine Weile reichen. Außerdem gibt es draußen im Tannicht, geschützt von den schneebedeckten Zweigen, immer einige, die schon lange tot sind und die der Schnee nicht erreicht hat. Sollten wir noch Sack- oder Stoffreste finden, können wir auch die Läden abdichten."
Von seinem Rucksack nestelte er in der Zwischenzeit schon mal das kleine Handbeil los. Urion war dazu getreten.
"Irgendetwas stimmt hier trotzdem nicht. Wir haben es Anfang Hesinde. Wenn das hier die Bewohner wären, dann hätten die zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch genügend Vorräte und Brennholz haben. Ich glaube die beiden sind von Firuns Zorn überrascht worden, und haben hier Zuflucht gesucht. Diese Alm wird wohl nur im Sommer genutzt, sonst wären hier auch noch das Vieh und weitere Ausrüstungsgegenstände. Wenn jetzt schon keine Brennholz mehr da ist, dann hat hier auch nie ein großer Vorrat gelegen."
Zum Wehrmeister gewandt sagte er:
"Ich schlage vor, dass wir zunächst im Tannicht Holz beschaffen. Es wäre höchst unpassend das Haus zu "zerlegen". Wenn die Almhirten im Frühjahr wiederkommen sollen sie schließlich noch eine brauchbare Unterkunft vorfinden und wir bleiben ja nur eine Nacht."
Antara starrte der Ritterin finster hinterher?
"Geht sie immer so sorglos mit Leichnamen um?" fragte sie eher beiläufig Timokles. Ohne auf seine Antwort zu warten machte die Geweihte sich daran die Leichen näher zu untersuchen. Die Hütte hatte nicht sonderlich bewohnt ausgesehen, und so galt es den Toten mehr Aufmerksamkeit zu schenken und so vielleicht noch ihre Geschichte zu erfahren. Es war immer das Gleiche mit den Ordensgeschwistern, die ihr Hauptaugenmerk auf das Kämpfen legten, ihre fehlte einfach die nötige Sorgfalt um einen Toten zu untersuchen. Die Konzentration auf die gewohnten Tätigkeiten halfen ihr dabei, wieder zurück in das hier und jetzt zu finden. Interessiert betrachtete sie dabei die Wirkung der Erfrierungen, waren diese doch ihre ersten Opfer der Kälte, die sie untersuchte.
"Womöglich werden wir dies nie erfahren, Urion", schaltete sich der Pechackerner ein, "aber es könnte in der Tat so sein. Nur erklärt es eben nicht, warum die Schutz suchenden nicht etwas Holz aus dem Boden der Hütte gebrochen haben - vielleicht hatten sie aber auch einfach zu viel Respekt vor dem Eigentum anderer. Wir sollten jedenfalls nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzten, oder anders gesagt, die Hütte unter uns abreißen, sondern in der näheren Umgebung nach Brennbarem suchen."
Ardo hatte gerade erst seine Schneeschuhe abgelegt, nachdem er als einer der letzten die Hütte betreten hatte. Der Leichenfund machte die kleine Almhütte in seinen Augen nun auch nicht unbedingt heimeliger. Zumindest würden die anwesenden Boroni dafür sorge tragen, dass die armen Seelen ihre Ruhe fanden. Jetzt ging es darum in dieser Nacht nicht dasselbe Schicksal zu erleiden, damit man am nächsten Morgen noch in der Lage sein würde den Aufstieg zur Burg zu bewältigen und dem Erbprinzenpaar die wahrscheinlich dringend notwendige Hilfe zukommen lassen konnte.
Da er sowieso noch auf einem Schemel neben der Tür hockte, band sich Ardo die Schneeschuhe kurz entschlossen wieder unter die Stiefel um dem Ruf nach Feuerholz Folge zu leisten. Als er den Kragen seines Mantels wieder hochschlug und an die Tür trat sah er sich fragend unter den Edlen um.
"Wer begleitet mich?"
Auch Answin von Boronshof hatte sich den ganzen Tag in den Spuren der anderen durch den Schnee gemüht. Sein steifes Bein schmerzte und machte ihm das lotrechte Heben der Füße in den Schneeschuhen unmöglich, das für ein weniger anstrengendes Fortkommen nötig gewesen wäre. So hatte er es nur mit Mühe vermocht, mit den anderen Schritt zu halten und gerade erst die Hütte betreten.
Als sich jedoch der Hauptmann von Keilholtz sofort bereitfand nach Feuerholz zu suchen, schloss sich Answin ihm an. Schließlich hatte dieser sich - wohl eher als Unterstützung bei Schwierigkeiten denn aufgrund mangelnder Kondition - den ganzen Tag ebenfalls im hinteren Teil des Zuges aufgehalten, ein Grund dafür, dass sich der Vogt nicht völlig abgeschlagen gefühlt hatte. Urion zählte durch.
"Ich denke, wir vier dürften genügen", nickte der dem Boronshofer, dem Wehrmeister und dem Keilholtzer zu. Die Boronis sind mit den beiden bedauernswerten Kreaturen beschäftigt und der Rest kann in der Hütte klar Schiff machen und schon ein wenig ausruhen. Sobald wir genug Holz haben, gibt es einen kräftigen Schluck Hesindelburger Schnaps."
Der Wehrmeister erwiderte leicht belustigt:
"Nun denn, wenn die Herren unbedingt meinen, das Eigentum der Gemeinen, die im Frühjahr eh Ausbesserungen vornehmen müssen, wiege schwerer als die Schonung unserer Kräfte, dann will ich euch gern begleiten."
Zum Boronshofer gewandt sagte er:
"Werter Vogt, es wäre mir persönlich ein Anliegen, daß ihr hier mit dem Herrn von Pechackern beim Prinzen und den Geweihten bleibt. Wir sollten kein Risiko eingehen, eventuell befinden sich ja doch Unholde in der Gegend. Außerdem muß hier ja so einiges hergerichtet werden, auf das wir die Nacht gut überstehen."
Für einen Moment wirkte der Vogt so als wolle er widersprechen, auch leif er leicht rot an - was wohl nicht nur an der relativen Wärme in der Hütte gegenüber dem eiskalten Wind außerhalb lag - zu deutlich war ihm die Absicht hinter den Worten des Wehrmeisters. Doch überwogen Vernunft und Erschöpfung den aufbrausenden Stolz und mit einem kurzen Nicken antwortete er:
„Wenn dies euer Anliegen ist, so will ich dem gerne nachkommen."
Mit diesen Worten trat er zum Baron von Pechackern hinüber, um sich von diesem kurz über die Lage in der Hütte informieren zu lassen.