Ein Winter in Sindelsaum - Irgendwo in der Wildermark

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Winter 1033, Darpatien

Eberhelm von Treublatt zerschmetterte dem abgerissenen Söldner mit einem einzigen Schwung seines Morgensterns den Schädel. Kurz riskierte er einen Blick über seine Schulter und sah, wie seine Knappin Ilma dicht hinter ihm war.
„Lasst uns ein!“ brüllte Eberhelm, während er sein Pferd dazu brachte, aufzusteigen und wild auszukeilen. Das verschaffte ihm ein wenig Luft und sein Morgenstern sauste erneut nieder und zerschmetterte einer Söldnerin den Arm.
Ein dumpfer Schlag auf seinen Helm ließ Eberhelm nach vorne sacken. Um ein Haar wäre er aus dem Sattel gestürzt, aber er konnte sich gerade noch festhalten. Ein Schlag traf sein Pferd und es brach zusammen. Mühevoll rappelte sich Eberhelm auf. Immerhin hatte der viele Schnee seinen Sturz gedämpft, wenn er denn schon verhinderte, dass er sein Pferd ordentlich einsetzen konnte.
Warum machten die Hunde den nicht das Tor auf? Mehr konnte er nun wirklich nicht tun. Mit einem Ruck warf er seinen Schild von sich und zog seinen Anderthalbhänder aus der Scheide. Einer der Kerle hatte ihn für erledigt gehalten und hatte sich zu nah herangewagt. Eberhelm holte aus und ließ sein Schwert von hinten auf das Knie niedersausen. Sein Schwert schnitt durch Fleisch und Sehnen wie durch Butter. Schreiend brach der Mann zusammen und der Rest des Haufens ließ sich ein wenig zurückfallen.
Mit einem Mal war Ilma an seiner Seite. Sie musste ihr Pferd ebenfalls verloren haben, denn sie baute sich zu seiner Linken auf. Schild und Schwert in der Hand blickte sie der Horde Feinde trotzig entgegen.
Endlich knirschte es hinter ihnen und die Mannpforte des befestigten Tempels öffnete sich.
„Eilt euch!“ rief eine Stimme. Mit einem groben Schubs brachte Eberhelm Ilma in Bewegung, während er selbst langsam Schritt für Schritt in den Tempel zurückwich.
Als die schwere Eichenpforte endlich zuknallte und der Riegel vorgeschoben wurde senkte Eberhelm erleichtert sein Schwert und öffnete mit der linken Hand sein Visier.
„Das hat ja lange genug gedauert!“ fauchte er eine Frau an, deren Tellerhelm nicht so recht zu ihrem unschuldigen Gesicht passen wollte.
„Verzeiht, Wohlgeboren“, sprach eine tiefe Stimme hinter Eberhelm. Sofort wirbelte Eberhelm herum und blickte in das Gesicht einer alten Traviageweihten.
„Ihr müsst verstehen, dass keiner von uns etwas vom Waffenhandwerk versteht, und wenn wir euch die Tore zu früh geöffnet hätten, wäre es um uns alle geschehen gewesen.“
Eberhelm brummte etwas unverständliches, aber er gab seine Beschwerden auf. Ein Blick ins Innere der Tempelhalle genügte, um die Worte der Geweihten zu unterstreichen. Die Menschen, die sich hierher geflüchtet hatten, waren Bauern und Handwerker, aber keine Kämpfer. Ein rascher Blick zu Ilma zeigte ihm, dass seine Knappin unversehrt war.
Er hatte trotz der bitteren Kälte darauf bestanden, dass sie den Durchbruch voll gerüstet wagten. Er hatte einmal mehr recht behalten. Diese Strauchdiebe hatten keine Ahnung, wie sie einen voll gerüsteten Ritter effektiv bekämpfen konnten. Eberhelm hatte das zur Genüge festgestellt, als er mit Answin von Rabenmund durch die Wildermark gezogen war.
Kurz verdunkelte sich sein Gemüt und er erinnerte sich wieder, warum er den weiten Weg nach Darpatien auf sich genommen hatte.
„Euer Gnaden. Ich hoffe ich komme hier nicht allzu ungelegen, aber wir sind auf der Suche nach einem Vettern meines Lehnsherrn. Greifwin von Sindelsaum ist sein Name und er dient im Orden der Therbûniten.“
Die Geweihte schmunzelte ob der höflichen Rede.
„Ihr kommt überhaupt nicht ungelegen, werter Ritter. Ihr habt der Bande dort draußen ordentlich zugesetzt, und jetzt, wo ihr hier seid, werden die Banditen sich schnell aus dem Staub machen. Leichte Beute können sie hier nicht mehr machen. Ihr habt uns also gerettet.“
Sie lächelte Eberhelm freundlich an.
„Aber doch muss ich euch enttäuschen. Das Ziel eurer Reise habt ihr erreicht, aber Greifwin weilt nicht mehr unter den Lebenden. Ein Fieber hat ihn dahingerafft. Ihn und viele andere.“
Der Gedanke an die Toten ließ einen Schatten auf das runzelige Gesicht der Geweihten fallen.
Eberhelm seufzte. Es war also alles umsonst gewesen. Er hatte es ja bereits befürchtet. Zum Wintereinbruch war er mit seiner Knappin aufgebrochen, um Greifwin aufzutreiben. Sein Baron hatte ihn darum gebeten, und was für ein Lehnsmann war er, eine solche Bitte abzulehnen? Lange hatte es schon keine Nachricht mehr nach Sindelsaum geschafft und Alderan von Sindelsaum, der Großvater Greifwins hatte sich vor Sorge verzehrt.
Eberhelm fluchte innerlich. All die Strapazen, all das vergossene Blut für ein Grab. Die kurze Phase des Selbstmittleids war schnell vorbei. Eberhelm straffte seine Schultern. Jetzt galt es erstmal, die Belagerung durch diese Bande auszusitzen, und dann würde er sich wieder gen Kosch aufmachen. Auf Schusters Rappen, wenn es nötig sein würde, aber es wäre ja gelacht, wenn er sich nicht irgendwo in der Wildermark ein Ross besorgen konnte.