Ein Winter in Sindelsaum - Die Miliz

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen



Frühjahr 1033, Sindelsaum

Erlan und Alvide von Sindelsaum saßen ruhig im gemütlichen Kaminzimmer des Dachsbau und ließen den lauwarmen Frühlingstag langsam ausklingen. Beide starrten gedankenverloren ins Feuer. Erlan dachte darüber nach wann wohl die erste Kirschernte möglich sein würde, als ihn Alvide aus seinen Gedanken riss.
„Das Heer sammelt sich am 1. Rahja, oder?“
Erlan nickte.
„Ja in der Tat. Da möchte ich aber lieber nicht dran denken. In den letzten Jahren war ich auf mehr Feldzügen, als ich sein sollte.“
Alvide lächelte ihren Mann schief an. Sie wusste das Erlan nicht nach Waffenruhm strebte und doch zog er aus, wenn es denn seine Pflicht war, oder sie ihn mal wieder dazu genötigt hatte.
„Wie viele Truppen willst du denn aufbieten?“
Erlan runzelte die Stirn. Worauf wollte Alvide nur hinaus?
„Na, ich werd unsere Waffenknechte und meine Vasallen mitnehmen, wen denn sonst?“
„Als wir in den Nordmarken gekämpft haben, sind wir dort auch auf Landwehr getroffen, und ich muss sagen, dass diese Hinterkoscher harte Hunde sind. Da können sich unsere Leute eine Scheibe von abschneiden.“
„Die Hinterkoscher hauen sich ja auch ständig die Köpfe ein. Kein Wunder das die wissen wie das geht.“
„Ich habe überlegt, ob wir unsere Miliz nicht mal auf Vordermann bringen können. Der Feldzug wäre dafür ideal. Es besteht keine Gefahr einer echten Feldschlacht und es gibt genug Gardetruppen, aber andererseits könnten sie da mal ein wenig Kriegserfahrung sammeln.“
Verdutzt schaute Erlan Alvide an.
„Du willst die Landwehr ausheben? Die wurde zuletzt im Jahr des Feuers mobilisiert. Das ist immerhin fünf Jahre her, und davor wüsste ich nicht, wann sie zuletzt ausgerückt sind.“
„Das ist ja der Punkt. Die sitzen zu Hause und drehen Däumchen. Hier in den Hügellanden ist die Welt ja in Ordnung, und niemand sieht einen Grund sich vorzubereiten, aber die Welt außerhalb unserer Grenzen ist rauer geworden, und wer weiß, wann das auf uns überschwappt.“
„Da siehst du schwarz Alvide. Die Zwerge passen hier schon auf. Außerdem, wenn wir die Landwehr in einen ernsthaften Kampf schicken, gibt’s ein Blutbad. Von den Barabeinern mal abgesehen sind die doch kein Gegner für kampferprobte Söldner.“
„Darum geht’s ja, Erlan. Das will ich ändern. Der Wengenholm ist da die richtige Gelegenheit.“
„Ich weiß nicht, Alvide. Selbst meine Vasallen und deren Waffenknechte sind nicht gerade ein Abbild von Professionalität, und da willst du die Landwehr einberufen.“
„Allerdings. Glaub mir, vom Kriegshandwerk verstehe ich mehr als du.“
Alvide grinste ihren Mann erneut schief an.
„Hmm. Na gut, aber wir berufen sie erstmal zum 1. Ingerimm ein. Dann gibt’s erstmal eine Übung, und wenn du dann immer noch der Meinung bist, daß sie für den Wengenholm geeignet sind, dann nehmen wir sie meinetwegen mit.“

1. Ingerimm 1033

„AAAACHTUNG!“ brüllte der Waibel und versuchte die Reihen der Sindelsaumer Miliz in einer gerade Reihe anzuordnen. Es dauerte einige Minuten, doch dann standen sie wenigstens in einer Reihe. Der Waibel drehte sich zur Baronin um und meldete: „Abteilung ist bereit.“
Baronin Alvide von Eichental glaubte ihren Augen und Ohren nicht zu trauen. Beim Armbrustschiessen war sie ehrlich beeindruckt gewesen, aber hier taten sich Abgründe auf. Es hatte ein Viertelstundenglas gedauert um die Landwehr in eine Formation zu bringen. Und das, obwohl sie ihre erfahrenen Waffenknechte zu Waibeln ernannt hatte.
Immerhin sahen sie jetzt recht beeindruckend aus. 200 Köpfe stark war das Aufgebot. Normalerweise würden es wohl nicht einmal halb so viele sein, aber kaum jemand hatte das Wehrgeld für eine mehrtägige Übung zahlen wollen.
Die Waffen und Rüstungen blitzten in der Frühsommersonne, und solange sie nicht auf die Gesichter der Männer, Frauen und Zwerge blickte, machten sie einen professionellen Eindruck. Immerhin wurden die beeindruckenden Waffen- und Rüstbestände nicht beschädigt, wenn die Truppen nie in die Schlacht zogen. Vom Alagrimm einmal abgesehen war der letzte echte Kampf, in den die Landwehr verwickelt worden war, immerhin 200 Jahre her. Da konnten sich wohl selbst die Zwerge in der Truppe nicht mehr dran erinnern.
„Vorrücken!“ befahl Alvide mit ruhiger Stimme. Ihre Befehle wurden brüllend weitergegeben, und die Landwehr setzte sich in Marsch. Alvide selbst ließ ihr Pferd antraben und folgte dem Haufen, während sie beobachtete, wie sich ihre Leute schlugen. Die Linien bröckelten bereits nach wenigen Schritten. Während manche Kämpfer eifrig ausschritten, versuchten andere, mit den Zwergen in dem Haufen Schritt zu halten.
„Schneller!“ befahl Alvide, und die Landwehr begann zu rennen.
Es war, wie Erlan ihr vorausgesagt hatte. Die Truppen zersplitterten, und auch nach einigen Versuchen wurde es nicht besser.
Um zu demonstrieren, wie man vorzugehen hatte, ließ Alvide ihre Waffenknechte gegen die doppelte Anzahl Landwehrleute antreten. Es dauerte nur wenige Minuten, da floh die Landwehr ungeordnet vom Feld.
Doch noch gab Alvide nicht auf. Sie exerzierte mit der Landwehr für mehrere Tage, und doch verbesserte sich die Leistung der Truppe nur wenig. Dafür sank bereits jetzt die Moral ganz gewaltig. Die ersten zahlten das Wehrgeld und gingen nach Hause.
Schließlich musste Alvide sich eingestehen, dass es zwecklos war. Bereits nach drei Tagen Übungen war ein Viertel ihrer Leute zu ihren Höfen zurückgekehrt, und die Moral des Restes war so gut, wie die des Reichsheeres nach der Schlacht vor Wehrheim.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Leute nach Hause zu schicken. Im Hinterkosch hatte die Leistung der Landwehr sie sehr beeindruckt. Natürlich konnten sie keinen Gardetruppen standhalten, aber doch war der Kampfgeist gut gewesen. Hier bot sich das gegenteilige Bild. Mal abgesehen von den Barabeinern war die Landwehr nicht zu gebrauchen und würde dem Kampfgeist der übrigen Truppen eher schaden als nutzen.
Sie würde zwei dutzend Armbrustschützen aussortieren und sie mit den Barabeinern da behalten. Der Rest sollte zu seinen Feldern zurückkehren. Vielleicht gelang es ihr ja wenigstens, in diesen vier dutzend Köpfe starken Haufen etwas militärische Disziplin einzuhämmern. Immerhin hatte sie hunderte Kämpfer in einer Schlacht befehligt, da würde sie auf diesem Haufen schon eine brauchbare Truppe machen. Alvide hoffte, dass sie hier nicht in Wunschdenken verfiel.