Ein Wilderer in Garnelhaun?

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Ausgabe Nummer 23 - Rahja 1021 BF

Ein Wilderer in Garnelhaun?

Was dem Jäger Olrich Borking wiederfuhr

GARNELHAUN. Zwischen den Baronien Vinansamt und Garnelhaun, ganz nahe der berühmten Abtei Leuwensteyn, liegt der Oberwald, ein dunkler und dichter Forst, reich an rotem und schwarzem Wild. Nicht nur die Herren der beiden Landschaften, denen der Wald zu fast gleichen Teilen angehört, sondern auch die fürstlichen Herrschaften gehen hier gerne dem Waidwerk nach. Und so wird der Oberwald von den Wildhütern treulich bewacht, damit sich niemand an dem Wild — mag‘s Hirsch, Fuchs oder Eber sein - vergreife. Dennoch scheint es, als entkomme seit einiger Zeit eine finstere Seele den wachsamen Augen der Wildhüter:

Auf seinem abendlichen Rundgang entdeckte nämlich der Forstgreve Olrich Borking einen geschossenen Hirsch, der eindeutig mehrere Schritt weit in ein dichtes Gesträuch gezerrt worden war. Das Tier war mit einem Blattschuß erlegt worden, doch kein Pfeil oder Bolzen steckte mehr in der Wunde. Da keiner der besoldeten Jäger in Frage kam, konnte es nur ein Wilddieb sein, der hier dem Adel die Tiere schoß. Und so legte sich der treue Knecht auf die Lauer.

Dunkel und kalt wurde die Nacht, und zunächst schien es Olrich, als kehre der Wilderer nicht zurück. Doch dann vernahm er, wie er uns berichtet, Stimmen, die den Hang hinauf kamen. Borking spähte durch das Blattwerk und glaubte, zwei Gestalten zu erkennen. Sie gingen jedoch in einigem Abstand an ihm und dem Hirschen vorüber, weswegen er zunächst argwöhnte, die Wilderer hätten Schwierigkeiten, im Dunklen das Versteck wiederzufinden.

Er folgte den Gestalten, die zwar ab und zu ein paar Worte flüsterten, sich aber ansonsten mit auffallender Leichtigkeit durch den finsteren Tann bewegten. Nach einem Viertel Stundenmaß verschwanden sie in einer Höhle, die von ein paar großen Findlingen gebildet wurde. Borking wartete, doch niemand kam heraus. Als er sich schließlich an die Öffnung heranwagte, bemerkte er, daß die Höhlung leer war und auch keinen anderen Ausgang besaß. Verwirrt kehrte er zu dem Hirsch zurück, doch dort fand er nur noch ein paar geknickte Zweige vor und einen kleinen Blutfleck. Beute und Wilddiebe aber waren verschwunden.

Getreulich meldete der Greve Olrich das Ereignis seiner Herrin, der Baronin Tsja-Josmene. Noch bevor aber sie dieser Angelegenheit irgendeine Entscheidung getroffen hatte, wußten die Tralliker Schnattermäuler schon Bescheid: Dies sei beleibe nicht der letzte Forstfrevel gewesen, weil der Wilddieb nämlich ein leibhaftiger Elf gewesen sei (man wüßte ja, daß diese sich nicht um Recht und Eigentum scherten), zumindest aber der Jergenquell, der nun mit seiner Bande im dickhichten Oberwald hause.

Karolus Linneger