Dohlenfelder Thronfolgestreit - Zwischenspiel untertage

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog

Nordmarken, 1033
Irgendwo im Eisenwald, nicht allzu weit von Senalosch entfernt
Die Feuer loderten nur in der Festhalle der uralten Zwergensiedlung, Xalgor Sohn des Xarmorosch Sohn des Xalgrim aus der Sippe der Xaxarosch stand absolut regungslos vor der ein gutes Dutzend Schritt aufragenden granitenen Wand mit den Namen der Ältesten seiner Sippe. Der letzte Name war derjenige seines Vaters, schnörkellos eingemeißelt. Er war gestorben im Jahre, als das Wasser in die Werkstätten des Maragosch eindrang. Darüber stand sein Großvater, verstorben im Jahre, als der Rogmarok die Fehde mit der Sippe Ugmarok schlichtete, dann sein Urgroßvater, verstorben im Jahre, als Fanjescha Vierlinge gebar. Dann sein Ururgroßvater, verstorben, als der Grubenwurm beinahe in das Sippenheiligtum eingedrungen wäre. Und so weiter. Die Liste setze sich über dutzende Generationen und tausende von Jahren fort. Xalgor schaute auf den Platz an der Wand, an dem dereinst sein Name in Stein gemeißelt zu finden sein würde. Und er dachte an seine Nachfahren, die dann hier stehen würden und seinen Namen vor sich hätten. Würde die Buchstabenhöhe, die man seit Generationen pflegte, eingehalten werden, wäre noch Platz für zweimal acht plus sechs Namen. Langsam sollte man sich also Gedanken machen, wo man die Liste in ein paar Jahrhunderten fortführen würde. Es war immer ein Ärgernis, mit Altbewehrtem zu brechen. Xalgor schauderte es. Er dankte Angrosch, keine Entscheidung in dieser Sache fällen zu müssen. Leise hörte Xalgor den herrlichen Klang eines mittelschweren Schmiedhammers auf einem großen Amboss. Er schloss die Augen, um sich ganz auf diesen angroschgefälligen Klang zu konzentrieren. Der klare Nachhall ließ erahnen, dass Stahl von einem Halbfinger Dicke geschmiedet wurde. Das Fehlen jeglichen Schepperns hingegen ließ keine Zweifel aufkommen, dass das Werkstück frisch aus der Esse geholt worden war. Der Takt des Hammers war exakt wie das Werk einer mechanischen Uhr, sicherlich war einer der Schmiedemeister der Sippe am Werk. Acht Schläge, dann eine kurze Pause, zwei Schläge lang. Dann wieder acht Schläge. Einfach herrlich!
Aufgewirbelte Luft ließ die Feuer der Festhalle plötzlich auflodern. Nur wenig, aber dennoch merklich: Der Farbton des Widerscheins der Feuer an der blank geschliffenen Granitwand änderte sich von Kupferrot zu Rotgold. Fast im gleichen Moment hallten Schritte hinter Xalgor durch den großen Festsaal, der dreihundert Schritt unter der Erdoberfläche lag. Die Schritte klangen hektisch, es musste also ein jüngerer Angroscho sein. Oder einer der wenigen unbeherrschten Alten. Der sich Nähernde trug ein Kettenhemd, war also auf Wache gewesen. Doch die Ringe schepperten nur leise aufeinander, wie von beiden Seiten gedämpft. Über dem Kettenhemd trug der Angroscho wohl einen Überwurf. Er war also auf Außenwache gewesen, oben, am äußeren Tor, dem Tor zur Oberfläche. Oder womöglich auch am zweiten, inneren Tor, denn nach dem ersten wohl bewachten Stahltor folgte ein zweites. Und noch keinem Wurm war es gelungen, diese zweite Wehr zu nehmen – der letzte Angriff erfolgte noch nicht einmal vor ein Dutzend Generationen. Außerdem war Xalgor aufgefallen, dass die Stiefel des Angroscho ungleichmäßig genagelt waren, denn ein Schritt klang lauter als der andere. Die Frequenz war jedoch gleichmäßig, daher war eine Verletzung eines Beines wohl auszuschließen. Möglich war natürlich auch, dass ein junger Kämpfer seine Seitenwaffe so ungeschickt am Gürtel befestigt hatte, dass ihn dies beim Gehen behinderte.
Keine zwei Schritte hinter Xalgor blieb der Angroscho stehen. Der Sippenälteste war nun recht sicher, dass die genagelten Stiefel das Problem waren, denn er hörte nicht, wie der Ankömmling seine Waffen oder seinen Gürtel richtete. Zudem war der Angroscho sicherlich noch jung, denn trotz des hohen Schritttempos war sein Atem ruhig, kaum zu hören. Die Stimme hingegen war tief, wie es sich für einen Krieger der Xaxarosch gehörte: „Entschuldigt die Störung, Xalgor. Aber der Besuch ist da, der Großling, den Ihr angekündigt hattet. Soll ich ihn in die Festhalle geleiten?“ An der Stimme erkannte Xalgor seinen Neffen Nergogosch, seine Vermutungen waren richtig, Nergogosch legte keinen großen Wert auf sein Schuhwerk. Eine Sorglosigkeit, die Xalgor nicht gefiel, aber offensichtlich von Nergogoschs Vater akzeptiert wurde. Xalgor erwiderte kurz und knapp, ohne sich umzudrehen: „Ja, Nergogosch. Bring ihn hierher! Danke.“
Die Schritte des jungen Zwergen entfernten sich wieder, wie immer bei dieser Jugend äußerst stürmisch. Nergogosch war voller Energie und von bester Konstitution, aber bis er den Wurmspieß verlässlich zu führen wüsste, würden sicherlich noch zwei, drei Jahrzehnte ins Land gehen. Womöglich wäre Nergogosch gar ein Kandidat für den Drachenspieß. Aber dies mochte frühestens in einem halben Jahrhundert entschieden werden. Oder auch noch später.
In einigen Minuten würden Nergogosch und der Besucher wieder hier sein. Hätte Xalgor sich diese Regung nicht vor vielen Jahren abgewöhnt, hätte er wohl schmunzeln müssen, wenn er daran dachte, dass die Großlinge immer starben, bevor sie aus ihrer Jugend herauskamen. Dies erklärte aber ihre ganze „Kultur“: Ewige Unstetigkeit, ziellose Hast, ratloses Suchen – und dann riefen ihre Götter sie zu sich, bevor sie auch nur das Alter erreichen konnten, in denen ihnen ein anständiger Bart spross, ein Kämpfer eine Waffe vernünftig beherrschte oder ein Handwerker seine Kunst wenigstens zufriedenstellend ausübte. Die Götter der Großlinge gaben sich offensichtlich gerne mit Minderwertigem zufrieden, ansonsten hätten sie ihren Geschöpfen wohl ein bisschen mehr Lebenszeit gegönnt – und ausgeprägteren Bartwuchs! Viel hatten die Menschen hier mit Schwarz- und Rotpelzen gemeinsam, mit dem Unterschied, dass diesen behaarten wesen noch weniger Lebenszeit zur Verfügung stand. Zudem diese Verachtung der Zahlen: Er, Xalgor, wusste selbstverständlich, dass er als Söldnerführer bereits 67 Kontrakte vereinbart hatte, die alle erfüllt worden waren. Menschliche Krieger hatte er häufiger sagen hören, sie wüssten nicht mehr, wie viele Feinde sie erschlagen hätten. Er hingegen wusste genau, dass er in den 157 Jahren seines Söldnerdaseins an zweibeinigen Gegnern bislang 291 Großlinge, 168 Schwarzpelze, 59 Rotpelze, 26 Angroschim und einen spitzohrigen Baumhocker erschlagen hatte. Letzteres war zwar eher ein Missverständnis gewesen, der Grasfresser hätte eben versuchen sollen, sich von hinten anzuschleichen. Aber mit einem Hieb seiner guten Axt getötet hatte er ihn dennoch. Erneut wehte ein Lufthauch durch die Festhalle, die Schritte waren lautstark zu vernehmen. Es war wieder Nergogosch – und der angekündigte Großling. Menschen erkannte Xalgor immer sofort an ihren Schritten in unterirdischen Hallen. Sie bewegten sich unsicher auf dem blanken Stein, hatten wohl ständig Angst, auszurutschen – kein Wunder, wenn man ihre schlecht proportionierten, jeglicher Schönheit Hohn sprechenden Körper ansah. Zudem musste diese ständige Furcht beim Laufen auch an ihren zerbrechlichen, dünnen Knochen liegen. Der sich nun nähernde Mensch trug zudem eine schwere Last in beiden Händen.
Der Neuankömmling blieb mit seinem zwergischen Begleiter zwei Schritt hinter Xalgor stehen. Der bewegte sich zum ersten Mal seit vielleicht einer halben Stunde. Er strich sich über seinen langen grauen Bart, rückte seinen schweren Lodenmantel zurecht und drehte sich um. Er schaute den Menschen an, musterte ihn genau: Zwischen 180 und 185 Halbfinger groß, ziemlich schlaksig. Er war geschwitzt. Über Tage musste es ziemlich heiß in diesem Sommer sein. Die Haare des Menschen warn spannlang gestutzt und dunkelblond. Der ebenso dunkelblonde Vollbart – auch gestutzt! Warum nur? Diese eigenartigste aller eigenartigen Sitten der Großlinge würde Xalgor nie verstehen, und würde er tausend Jahre alt werden. Die braunen Augen des Menschen strahlten Selbstsicherheit aus. Ungewöhnlich für einen Menschen in einer Zwergenhalle. Es mochte daran liegen, dass er mit stolz ein Kettenhemd trug, das ein Schmied der Angroschim gearbeitet hatte. Das Langschwert, das der Mensch gegürtet hatte, war gleichfalls Zwergenwerk. Gute Arbeit, unzweifelhaft. Aber Xalgor hatte schon besseres gesehen. Zumal es nicht danach aussah, dass der Großling seiner Waffe angemessene Pflege zukommen ließ. Der Halbfinger des Hefts, der aus der Scheide herausragte, ließ deutlich erkennen, dass das Schwert seit mindestens drei Tagen nicht mehr fachgerecht poliert worden war. So sorglos waren nur Menschen, Orks und Goblins! Jedes Zwergenkind hatte mehr Sinn für das edle Wesen des Stahls, speziell des Waffenstahls! Nur tägliche Pflege mit tiefster angroschgefälliger Inbrust, zusammen mit höchster Konzentration auf diese so wichtige Arbeit verhinderte, dass Waffen an Güte und Glanz verloren.
Der Mensch hub an zu sprechen, sein Rogolan ließ kaum erkennen, dass seine Muttersprache das unstrukturierte und ausdrucksarme Garethi war. Nur wenig stand das gesprochene Rogolan dieses Großlings seiner ausgezeichneten Schriftsprache nach. Sofort hörte Xalgor jedoch, dass der Mann die Sprache der Angroschim am Grafenhofe zu Calbrozim erlernt hatte, diese typische Vermischung der Dialekte Xorloschs und Senaloschs war nicht zu überhören: „Angrosch zum Gruße, Xalgor Sohn des Xarmorosch Sohn des Xalgrim aus der Sippe der Xaxarosch! Ich danke Euch für Eure Einladung in Eure Hallen! Mein Name ist Angrond Sohn des Bernhelm Sohn des Sigismund aus der Sippe der Sturmfelser. Ich habe die Hälfte des von Euch geforderten Goldes dabei, in Dukaten des Reiches Rauls des Großen, von mir selbst abgezählt und zur Sicherheit auch abgewogen. Die zweite Hälfte erhaltet Ihr, wie vereinbart, nach Vollendung unseres Vertrages.“ Der Mensch ließ die beiden Säcke aus groben Leinen, die er in seinen Händen gehalten hatte, vor Xalgor auf den Boden fallen. Der alte Zwerg vernahm erfreut den Klang der aufeinander scheppernden Goldmünzen – dagegen war der Klang von Stahl auf Stahl geradezu schmerzvoll für die Ohren. Diese Reinheit, diese Harmonie! Nachdem er die Münzen fallen gelassen hatte, schüttelte der Großling zuerst einmal seine schwächlichen Ärmchen. Gerade diese kleinen, unüberlegten Dinge, die Menschen ständig taten, ließen sie noch hilfsbedürftiger erscheinen, als sie ohnehin schon waren. Xalgor schaute seinem Gast in die Augen. Er war der direkte Nachfahr der Drachentöterin Utsinde aus der Sippe der Sturmfelser. Diese hatte vor nunmehr 842 Jahren den Höhlendrachen Ygladrog in den Koschbergen erschlagen, was ein wirklich beeindruckender Kampf gewesen war, von dem selbst die Angroschim im Eisenwald erzählten. Danach war die Drachentöterin vom Patriarchen der Ingerimmkirche mit dem Edlengut Erzweiler im Eisenwald belehnt worden. Sein Gast war immer noch Herr Erzweilers, und zudem Herr der Lande am Darlin. Sein Vater Bernhelm und erst recht seine Urururgroßmutter Leumina waren für ihre Waffentaten bekannt, sein Leumund war einwandrei, seine Jugendzeit hatte er am Hofe des Isenhager Grafen in Calbrozim verbracht. Der Sippenälteste erwiderte: „Angrosch zum Gruße, Angrond Sohn des Bernhelm Sohn des Sigismund aus der Sippe der Sturmfelser! Ich freue mich, dass Ihr den Weg in meine Hallen gefunden habt und den ersten Teil unserer Vereinbarung erfüllt habt. Schlagt ein, und wir sind handelseinig!“ Der Erzzwerg strecke seinem Gast seine rechte Hand entgegen, der Mensch beugte sich nach vorne und schlug ein.
Der Händedruck des Großlings war nicht schwach, jedoch traute sich Xalgor kaum, so zuzudrücken, wie er es bei einem Zwergen getan hätte – er wollte seinem Vertragspartner ja nicht die Handknöchlein zermalmen! Dann fuhr Xalgor fort: „Damit ist es besiegelt, hier in der Festhalle meiner Sippe am heutigen Tage: Nach Eurer Zeitrechnung am 12. Tage des Mondes Rondra werden acht mal acht wohlgeübte Streiter meines Volkes aus meiner eigenen und befreundeten Sippen gerüstet und gewappnet in Eurem Heerlager in den Vogteien Nilsitz eintreffen, angeführt von mir selbst. Wir werden Eure Befehle ausführen und bis zum Tode für Euch kämpfen, sollte dies nötig sein. Dies schwöre ich, bei meinem Herrn Angrosch, bei der Ehre meiner Sippe und beim Andenken meines Vaters!“
Nach einer kurzen Pause fuhr der Angroscho fort: „Angrond Sohn des Bernhelm, ich hoffe, Ihr folgt meiner Einladung auf einen Krug Bier! Wie war das noch, als der Flammenatem Ygladrogs auf Utsinde zutoste, und sie Deckung hinter einem nahen Felsen suchte?“