Dohlenfelder Thronfolgestreit - Siobháran oder Hartsteen

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, weitere


Nordmarken, 1033

Schwer ging ihr Atem.
Nach frischer Luft ringend riss Gilia von Siobháran, Ritterin zu Perainshof und Jagdmeisterin der Baronie Dohlenfelde, treue Vasallin Baron Angronds, ihr Visier nach oben. Den ersten Atemzug sog die 27jährige Ritterin auf wie einen lang ersehnten Schluck aus dem Jungbrunnen der Göttin Tsa, dann blickte sie sich um:
Zahlreiche Reiter waren in Zweikämpfe verwickelt, doch die zahlenmäßige Überlegenheit von Angronds Berittenen brachte Hagens Leute immer mehr in Bedrängnis. Hier und dort lagen Verwundete und Tote auf dem zertrampelten Boden, ein von einer Lanze durchbohrtes und sich vor Schmerzen windendes Ross – welch‘ ein Rahjafrevel – sah man ebenso wie den toten Ritter, dessen Hand sein zerbrochenes Schwert immer noch fest umkrampfte.
Es war nicht Gilias erste Reiterschlacht, sie musste sofort an Crumolds Auen denken, wo sie eine der ersten war, die auf die eng geschlossenen Reihen der Weißen Löwen der Stepahan prallten. Welch‘ Ironie, dass sie nun Seite an Seite mit den Stepahan stritt, und dass ihr damaliger Anführer, Hagen von Salmingen-Sturmfels, das Heer der Gegenseite befehligte!
Gilia suchte im Getümmel einen Gegner, der noch nicht bedrängt wurde. Da erblickte sie, keine fünf Schritt entfernt, das ihr wohlbekannte Wappen des Hauses Ulaman, die schwarze Axt auf güldenem Grund. Wer außer diesem anmaßenden, sich selbst für den größten Frauenschwarm Aventuriens haltenden garetischen Ritter Trisdhan von Hartsteen, der sich „Ulaman“ und voller Anmaßung „Prinz von Albernia“ nannte, mochte dieser Tage noch einen Schild mit diesem ansonsten verschmähten Wappen führen? Ja, es musste Trisdhan sein!
Aus unerfindlichen Gründen hatte er sich mit Hagen von Salmingen-Sturmfels verbündet: Ein skandalträchtiger Adliger, dessen Großmutter Albernia an den Abgrund führte, und ein Adliger, dessen Tante als Borbaradianerin beinahe den Kosch zerstörte.
Gilia klappte ihr Visier herunter, packte ihr Schwert fester und lenkte ihr Streitross in Richtung Trisdhan, der nur wenig älter als sie selbst war. Sie würde den „Prinz von Albernia“ an Ort und Stelle erschlagen oder aber als Geisel an ihren Lehnsherrn Angrond übergeben. Womöglich würde das Haus Stepahan gut dafür bezahlen, Trisdhan mit auf ihre Burg Draustein nehmen zu dürfen, um dort nach eigenem Gutdünken mit ihm zu verfahren.
Trisdhan schien ohne Furcht, schaute aber verwundert auf Gilias Wappenschild. Er rief der sich nahenden Ritterin laut entgegen:
„Sollten wir nicht auf der gleichen Seite streiten, Frau Siobháran?“
Die Ritterin von Perainshof war angenehm überrascht davon, dass Trisdhan ihr Wappenbild erkannt hatte, und antwortete barsch: „Hartsteen, ergebt Euch oder kämpft!“
Er hob Schild und Schwert zur Parade und überließ Gilia galant den ersten Streich, den er gekonnt abwehrte. Es folgte ein lockerer Schlagabtausch, bei dem sich Gilia und ihr Gegner auf ihren Rössern ein paarmal umkreisten. Gilia merkte schnell, dass ihr Gegner wohl ein exzellenter Turniergänger sein musste, aber keine große Kriegserfahrung haben konnte. Sie hingegen hatte schon häufiger um ihr Leben gefochten als um den Turniersieg.
Dann flogen sich die Klingen entgegen, Waffe traf auf Waffe, Waffe traf auf Schild. Gilia hatte Trisdhan unterschätzt, in seiner Deckung fand sich keine Schwäche. Doch seine Angriffe waren zu zögerlich, um ihr ernstlich Sorgen zu bereiten.
Nach einiger Zeit, Gilias rechter Arm ermüdete bereits, stieg direkt neben Trisdhan ein Streitross, dessen Reiter stürzte und schrammte im Fallen mit seinem Kettenhandschuh noch Trisdhans edles Pferd, das daraufhin vor Schmerz laut wieherte und einen Satz nach vorne machte. Um nicht abgeworfen zu werden, konzentrierte sich Trisdhan einen Wimpernschlag lang mehr auf sein Streitross als auf seine Widersacherin.
Das war Gilias Gelegenheit. Exakt in dem Moment, als Trisdhan sein Pferd wieder unter Kontrolle hatte, schlug die Ritterin mit all ihrer Kraft die Unterkante ihres Schildes gegen den seinen. Fast gleichzeitig sauste ihr Langschwert auf Trisdhan herab, für eine Parade blieb ihm keine Zeit mehr. Die Klinge traf mit solcher Wucht auf Trisdhans linken Oberarm knapp unterhalb des Schulterschutzes, dass Trisdhan seinen Schild mit dem Ulamanwappen verlor. Gilia sah, wie die Schwebescheibe an Trisdhans linker Schulter durch ihren letzten Angriff nicht nur verrutscht, sondern verkantet war. Darauf hatte sie nur gewartet!
Mit einer komplizierten Drehbewegung, die ihr Roana von Schwarzfels – die Angrond verraten hatte und hier auf der Walstatt irgendwo für Hagen kämpfte – vor Jahren beigebracht hatte, stieß sie ihre Klinge, den Triumphschrei „Für Angrond!“ auf den Lippen, tief in die linke Schulter des Ritters Trisdhan von Hartsteen.
Dieser schrie vor Schmerz laut auf, schaute entsetzt auf Gilias Klinge, die seine Schulter durchbohrt hatte und blutverschmiert an seinem Rücken wieder austrat.
Gilia zog ihr Schwert in einer langsamen Bewegung aus der Wunde zurück und schrie Trisdhan, der kaum noch bei Sinnen war, ins Gesicht: „Ergebt Euch, Hartsteen, oder hört Golgaris Schwingen rauschen!“
Aus dem Augenwinkel sah die Ritterin überrascht einen ihr wohlbekannten Wappenschild, war er doch mit ihrem eigenen identisch: Das Wappen des Hauses Siobháran, auf blauem Grund eine gespaltene Eiche in Silber. Stritten noch andere Siobhárans hier auf dem Schönbunder Grün? Sie war verwundert.
Mehr Zeit zum Nachdenken hatte Gilia nicht, denn ein ebenso kräftiger wie dumpfer Hieb traf sie am Hinterkopf, ihr wurde schwarz vor Augen und schwanden die Sinne. Doch sie hörte noch: „Mein Prinz! Die Schlacht ist verloren! Ysilt und ich bringen Euch hier weg!“
Junker Ronan Siobháran-Carnaigh und Ysilt Grimwige von Wysberg nahmen den schwer verletzten Trisdhan Ulaman von Hartsteen in ihre Mitte und verließen das Schlachtfeld auf dem schnellsten Wege. Sobald sie das dichteste Getümmel hinter sich gelassen hatten, gaben sie ihren Rössern die Sporen und galoppierten gen Süden, zum Heerlager Hagens.
Ronan hatte gewusst, dass die in Dohlenfelde belehnte und treu zu Angrond stehende Gilia von Siobháran auf dem Schlachtfeld stand – jedoch gehofft, ihr nicht begegnen zu müssen. Er hätte Gilia, die seinen Dienstherrn so hart bedrängt hatte, ohne weiteres töten können, aber bewusst davon abgesehen. Nicht unbedingt, weil es unrondrianisch gewesen wäre, sondern vielmehr, weil im Krieg zwischen den Invheristen und dem Reich alle Siobhárans hinter Fürstin Isora Ulaman gestanden hatten. Und in einem der zahllosen Scharmützel hatte Gilia, schon damals im Gefolge Angrond von Sturmfels‘, ihm sein Leben gerettet. Bedauerlich, dass Gilia lieber ihrem nordmärkischen Baron und Reichskammerrichter folgte, anstatt sich dem Prinzen Trisdhan Ulaman und seiner Sache anzuschließen.