Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Firnholzer erscheint

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, weitere

Nordmarken, 1033

Ulfried und Lindgard von Firnholz waren spät zur Versammlung erschienen und hatten an der Jagd nicht mehr teilnehmen können. Erst als die anderen Adligen und Edlen in der Beratungshalle Platz genommen hatten, waren sie eingetroffen. Nach Pferdeschweiß stinkend und schmutzig von der Reise, doch bestens gelaunt. Die Stimmung zwischen Baron und Baronin schien wie von einem unsichtbaren Gewitter erfüllt, fast greifbar. Nach einer kurzen Pause um sich frisch zu machen, nahmen beide in der Halle Platz. In einer kurzen Redepause erhob sich Ulfried auf ein kaum merkliches Zeichen seiner Gattin und wandte sich an die Anwesenden.
„In Zeiten der Not steht der nordmärkische Adel wie ein Mann, und so haben wir uns hier versammelt, um einen Weg zu finden, das geschehene Unrecht wieder ins Recht zu verkehren. Ich bin kein Stratege und kein großer Planer. Daher habe ich jeden verfügbaren und tauglichen Kämpfer meiner Baronie mitgebracht und unterstelle sie Deinem Oberbefehl, Angrond. Leider ist die Landschaft in Firnholz nicht für Panzerreiter geeignet, und auch Fußtruppen tun sich in dem Gelände schwer. Daher mag es uns die Göttin Rondra nachsehen, dass wir mir drei Duzend Bognern gekommen sind, um Recht und Gesetz des Götterfürsten durchzusetzen.“
Als der Firnholzer und seine Gattin den Saal betraten, kamen ihnen Isida und Angrond umgehend entgegen, Isida machte einen höflichen Knicks vor den beiden, Angrond grüßte Ulfried auf die rondrianische Art, gab Lindgard einen Handkuss und sprach dann:
Praios zum Gruße, Hochgeboren! Es freut mich, Euch in dieser Runde begrüßen zu dürfen! Eure Nordgratenfelser Tatkraft weiß ich zu schätzen!“
Angrond winkte einen Lakaien herbei.
„So schafft doch Platz für die Dame und den Herrn zu Firnholz, und bringt frisches Bier für die beiden Weitgereisten!“
Dann wandte sich der exilierte Baron zu Dohlenfelde der jungen Baronin zu Ambelmund sowie der Gattin seines Vetters Voltan zu, denen er aufmerksam zugehört hatte.
„Hochgeboren Rohaja, in Eurer Argumentation finden sich Schwachstellen. So war ich zum Zeitpunkt des Verrats der Ritter zu Darlinstein, Schwarzfels, Freyen und Maringen durchaus de jure Baron Dohlenfeldes, denn vor Herrn Praios’ gekrönt von Seiner Hochwürden Werdomar von Gluckenhang-Binsböckel am 1. Efferd 1030. Des Weiteren hatten die Landadligen am Darlin sehr wohl eine Wahl, nämlich die Wahl, sich vor der Gewalt Hagens und Twergenhausens zu beugen, oder aber mir in mein unfreiwilliges Exil zu folgen.“
Nun erhob sich Angrond, um seine Rede fortzusetzen.
„Meine Hofheroldin Ardare sandte ich unmittelbar, nachdem ich vom dreisten Angriff Hagens erfuhr, zu meinen Rittern zu Schwarzfels, zu Darlinstein und zu Perainshof aus, um diese über meine Flucht nach Eisenhuett zu unterrichten und aufzufordern, mir dorthin zu folgen, um Dohlenfelde zurückzuerobern. Denn vor einem übermächtigen Feind zurückzuweichen, um die Kraft zu einem Gegenschlag zu finden, ist nicht feige, sondern strategisch wie auch politisch klug. Der Verrat des Ritters zu Maringen stand zu diesem Zeitpunkt fest, in Ritterin Wilgunde von Nadelfels setzte ich wenig Vertrauen.“
Bei diesem Nebensatz schaute Angrond zu Baron Lechdan, der wie kein anderer das Haus Nadelfels kannte. Dann fuhr er fort:
„Um einen Verrat zu vermeiden, wären die einzigen Alternativen zur – dies gebe ich unumwunden zu – nicht rondragefälligen Flucht gewesen, sich in Gefangenschaft Hagens zu begeben oder aber den Tod zu suchen. Doch den Verrat wählten Schwarzfels und Darlinstein, einzig die treue Ritterin zu Perainshof folgte mir hierher ins Eisenhuettsche!“
Angrond nickte anerkennend der 26jährigen Gilia von Siobháran zu.
Ardor von Schwarzfels blieb hingegen in seiner Burg und öffnete dem Feind kampflos die Tore, wurde für seine Kollaboration daraufhin mit der Erhebung zum Edlen belohnt. Markward von Darlinstein stellte sich, wie mir die Situation beschrieben wurde, alleine dem Heer Hagens entgegen und wurde dann vom Sohn des Bürgermeisters zu Twergenhausen aus dem Sattel gehauen. Um der ritterlichen Gefangenschaft des Ritters zu Maringen zu entrinnen, schwor er nach wenigen Tagen Hagen den Treueeid. Vor meiner Fehdeerklärung an Hagen und die genannten Ritter verstrichen sechs Monde, in denen ein jeder Dohlenfelder genügend Zeit hatte, sich eines Besseres zu besinnen. Doch die Ritter blieben Hagen treu.“
Dann drehte sich Angrond zur Baronin von Ambelmund, Wunnemine von Fadersberg.
„Verrat ist Verrat, da habt Ihr Recht, Hochgeboren. Und Verräter haben, je nach Stand, Strick oder Schwert verdient, unzweifelhaft. Aber Ihr dürft nicht vergessen, dass Gnade über dem Recht steht. So ist es Wille der Frau Travia. Wer in Dohlenfelde mir den Eid zu leisten bereit ist oder sich mir unterwirft, dem werde ich Gnade gewähren.“
"Ich widerspreche Euch ungerne, Hochgeboren" mahnte die wichtenfelser Dame höflich an. "Und ich sehe, dass es müßig ist, mit Euch bezüglich Eures derzeitigen Amtes als Baron oder Nicht-Baron zu Dohlenfelde zu disputieren. Daher erlaubt, dass wir diesen Punkt außen vor lassen. Hinsichtlich der Ritterschaft am Darlinfluss muss ich jedoch noch einmal in Euch dringen. Flucht ins Exil ist zu keinem Zeitpunkt eine Alternative, wenn man seinem Stand angemessen handeln und seine Leibeigenen beschützen will. Ich weiß nur zu gut, wovon ich spreche, glaubt mir das. Vergesst nicht, dass der Lehenseid nicht nur den Eid nach oben, zum nächsten Lehnsherrn hin enthält, wie Ihr ihn im Moment so verzweifelt anstrebt, sondern auch jenen nach unten, zu den Lehnsnehmern und den zu schützenden Eigenen. Euch sollte daran gelegen sein, Euren Eid als Baron zu Dohlenfelde in beide Richtungen zu erfüllen. Dass Ihr bereit seid, Gnade zu zeigen, ist ein Hinweis, dass Ihr versteht was ich meine. Tatsächlich aber solltet Ihr aktivere und wohlmeinendere Schritte wählen, das verlorene Vertrauen und die Gunst Eurer Ritterschaft wiederherzustellen, als Euch in Ultimaten und Fehdeerklärungen zu ergehen. Euer Vater, Rondra habe ihn selig, sagte wohl einmal, ein Baron sei nur so stark wie die Zahl der Banner hinter ihm."
Nun nickte auch Rohaja Ritterin Gilia zu.
"Dann steht es wohl derzeit eins zu sieben, nicht wahr?"
Aelfwyn Otresker, Ritter des Barons von Wolfsstein, stand bequem, aber nahezu unbeweglich hinter seinem Lehnsherren. Der schon in die Jahre gekommene Mann mit dem äußerst gepflegten leicht ergrauten Bart, der Oberlippe und Kinn bedeckte, blickte mit seinen ruhigen graublauen Augen in die Runde der versammelten Adeligen. Dies war, wenn man von der Heerschau in Abilacht absah, die erste große Versammlung des nordmärkischen Adels, an der er teilnahm, seit er Baron Lechdan den Lehenseid gelobt hatte. Mochte es vielleicht daher rühren, daß er so langsam in die Jahre kam, aber es fiel dem Albernier schwer, sich all die Namen und Gesichter und politischen Verwicklungen zu merken, die in der letzten Zeit auf ihn eingestürmt waren.
In Albernia war er mit all dem aufgewachsen, aber hier war das Adelsgeflecht eh sehr anders als in seiner alten Heimat. Es gab Manches, daß er vermisste, seit er sich dazu entschlossen hatte, in Wolfsstein zu bleiben. Die Ungezwungenheit und Spontanität der Albernier zum Beispiel. Hier in den Nordmarken war das alles doch ganz anders. Innerlich seufzte der altgediente Ritter. Er würde sich noch an Vieles gewöhnen müssen.
Wohl hatte er sich inzwischen eine eigene Meinung zu dem hier diskutierten Problem gebildet, aber er würde sich hüten, diese ungefragt zum Besten zu geben. Ihm war immer noch mehr als bewusst, wie fragwürdig und umstritten sein eigener Stand unter den Nordmärkern war, selbst wenn Baron Lechdan ihm jede Unterstützung und jedes Vertrauen entgegenbrachte, die ein Ritter sich von seinem Lehnsherren nur wünschen konnte. Aufmerksame Beobachter hatten in der Tat in den vergangenen Tagen durchaus eine gewisse Verbundenheit zwischen dem Albernier und dem Baron von Wolfsstein feststellen können. Dies war umso bemerkenswerter, als das, wie manch einer wusste, die beiden sich noch gar nicht so lange kannten.
Otresker hatte zwar, nachdem der erste Ritter des Barons, Magorn Fenwasian, Albernier wie Otresker selbst, Otresker im Zweikampf auf der Walstatt von Crumolds Au besiegt hatte, einige lange Götterläufe in der Gefangenschaft des Barons verbracht, doch während dieser Zeit hatte sich Baron Lechdan selbst vorwiegend im besetzten Albernia aufgehalten.
Dennoch, es herrschte anscheinend eine Art Vertrauen zwischen den beiden Männern, die keiner Worte zu bedürfen schien. Anders war es kaum zu erklären, daß der Baron den Albernier bei sich aufgenommen und ihn zu seinem Ritter gemacht hatte, anstatt ihn nach Albernia zurück zu schicken. Es hieß gar, Otresker hätte den Baron gebeten, bleiben zu dürfen und sich von seinem ehemaligen Lehnsherren, dem Baron zu Otterntal, aus seinem Eid offiziell entbinden lassen. Was seine Beweggründe für diese schwerwiegende Entscheidung gewesen sein mochten, darüber schwieg auch der noch so informierteste Gerüchtekoch.
So beschränkte Aelfwyn sich darauf, aufmerksam zu zu hören und den Namen, die er von Baron Lechdan erfahren hatte, zu den Gesichtern zu ordnen, die hier versammelt waren. Die meisten bisher vorgetragenen Punkte hatten durchaus ihre Berechtigung und Aelfwyn war gespannt, wie die Entscheidung des Barons zu Dohlenfelde ausfallen würde. Und vor allem, ob sein eigener Lehnsherr mit in eine mögliche Schlacht um die Baronie gehen würde. Angesichts der Taten seiner Gemahlin würde es Aelfwyn kaum verwundern, wenn Baron Lechdan allein deswegen zum Schwerte greifen würde. Selbst ihm, als einem Fremden, der lange in Gefangenschaft im Haushalt der Wolfssteiner gelebt hatte, war früh aufgefallen, daß Baron und Baronin kaum mehr verband als der Eid, den sie vor Travia geschworen hatten. Was jetzt allerdings passiert war, übertraf alles bisherige, allein in der Offenheit, mit der Praiodara die Züge ausgeführt hatte. Aelfwyn wusste, wie schwer besonders das Schicksal seines Sohnes auf Baron Lechdan lastete. Früher oder später würde es auf jeden Fall zur Konfrontation kommen müssen und er bedauerte dies, da er Baron Lechdan sehr schätzte. Gleichzeitig war er froh, solche schwierigen Probleme mit seiner Frau nicht zu kennen.
Auch Tsaja von Löwenhaupt-Berg hatte bisher geschwiegen, obwohl Zurückhaltung sonst nicht unbedingt zu ihren Stärken gehörte. Nun seufzte sie leicht und löste ihre Hand aus der ihres Gemahls, der ebenfalls geschwiegen und den Reden der anderen Versammelten gelauscht hatte. Ihn kannte man allerdings schon seit er, als Liebfelder, in die Nordmarken gekommen war, als sich äußerst bedeckt haltenden Menschen, zumindest was nordmarken- und auch mittelreichsinterne, politische Angelegenheiten betraf. Hier überließ er Tsaja stets das Wort, unterstützte sie jedoch bedingungslos in all ihren Entscheidungen. Nun bemerkte er ihr leichtes Unbehagen und nickte ihr aufmunternd zu.
Die Baronin zu Meilingen hatte stets ein gutes Verhältnis zu Bernhelm von Sturmfels gehabt. Seit sie ihrer Mutter im Amt als Baronin nachgefolgt war, hatte sie im Kontakt zu dem Dohlenfelder Baron und seiner Familie gestanden. Die jüngsten Ereignisse um die Dohlenfelder Baronie und die Spaltung der Familie des Sturmfelsers hatte sie mit zunehmendem Entsetzen beobachtet. Dass es nun soweit gekommen war, dass ein Krieg zwischen den Brüdern fast unvermeidlich schien, gefiel ihr ganz und gar nicht. Dennoch hatte sie nicht gezögert, demjenigen, der ihrer Meinung nach der allein rechtmäßige Nachfolger Bernhelms war, ihre Unterstützung zuzusichern. Darum war sie hier.
Die Ausführungen um Verrat oder Nicht-Verrat der Dohlenfelder Ritter interessierte sie jedoch gerade eher wenig. Sie wollte wissen, was Angrond nun zu tun gedachte, beziehungsweise, welche Vorgehen hier in der Runde vorgeschlagen werden würden und zu was sich Angrond schlussendlich entscheiden würde.
Noch wollte sie nicht das Wort erheben. Doch wartete sie nur auf den ihr passend erscheinenden Moment.
Prianna von Krotenau, Knappin des Wolfssteiner Barons, stand neben dem Ritter aus Albernia und grübelte darüber nach, wie Vertrauen und Verrat sich zuweilen die Klinke in die Hand gaben. Die junge Frau mit dem hellen Haar, der blassen Haut und den eisblauen Augen strahlte nur wenig Wärme aus, doch als ihr Blick Roderich von Quakenbrück streifte, dem sie einst als Pagin gedient hatte, schlich sich ein Lächeln in ihr Gesicht, das es ungleich sympathischer erschienen ließ. Doch kalte Wut stieg in ihr auf, als sie daran dachte, was die Baronin von Wolfsstein sich angemaßt hatte. Sie warf Lechdan von Wolfsstein einen kurzen Blick zu. Es war höchste Zeit, dass er etwas unternahm, aber das würde sie ihm sicherlich nicht sagen. Und das schien auch gar nicht mehr nötig zu sein. Scheinbar gedankenverloren folgte sie den weiteren Ausführungen.