Die Zweite Neufarnhainer Tafel - Verhandlungen im Zeichen des Phex

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1033, Neufarnhain

Im Innern des rustikal eingerichteten Rittersitzes fielen Reto und Erborn sogleich die beengten Verhältnisse auf, in denen Edelbrecht von Borking nebst seinem Leibdiener Leubold Garnelinger und einer jungen dreiköpfigen Familie auf 25 Rechtsschritt alles andere als standesgemäß hauste. Eine enge Diele teilte das Gebäude in zwei schmale Hälften. Die firunwärts gelegene wurde von der Küche und der Schlafstatt der besagten Familie ausgefüllt, wohingegen der nach Rahja gewandte Part dem Ritter und seinem Diener vorbehalten war, wie Edelbrecht gerade erklärte.
Eine Gestalt mit hängenden Schultern und trauriger Körperhaltung und einem Gesichtsausdruck, den Reto sich nicht hätte grimmiger vorstellen können, schlurfte soeben aus diesem Teil der Kate hervor und verkündete knapp: ”Herr, es ist angerichtet.”
Sehr gut”, tönte Edelbrecht ”das wäre dann alles, Leubold, du kannst dich in die Küche zurückziehen, ich rufe dich dann, wenn wir etwas brauchen.”
Dann hieß er Reto und Erborn ihm folgen und bat sie in zwei ältlichen, gemütlich wirkenden Sesseln Platz zu nehmen, die um einen kleinen runden Tisch herum standen, während er sich selbst mit einem Schemel zufrieden gab, den er hinter einem kärglichen Schreibtisch hervorkramte. Während er seinen Gästen aus einem großen Kessel ein dampfendes Gebräu in zwei bereitstehende tönerne Krüge schenkte, begann er zu sprechen.
”Weißt du, Reto, am Anfang unserer Einsiedelei konnte ich mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass im Westen in unmittelbarer Nachbarschaft von hier nicht Boromil vom Kargen Land, sondern du siedeln würdest. Ich sage das nicht, um dich zu beleidigen, sondern weil ich denke, dass du mich als einen offenen Menschen kennen gelernt hast, der frei heraus sagt, was er denkt, und um dir zu zeigen, dass ich auch fürderhin frei und ohne Falsch mit dir sprechen möchte.”
”Nun, Edelbrecht, auch du überraschst mich, ich glaubte nicht wie ein alter Freund hier willkommen geheißen zu werden. Aber gegen angenehme Überraschungen habe ich nichts, die sind hier in Moorbrück doch eher selten.”
Edelbrecht nickte gedankenverloren.
”Da hast du sicherlich Recht. Ich habe deine Klosterpläne für Therbunja nie ganz nachvollziehen können, aber wenn ich eines im vergangenen Götterlauf gelernt habe, dann, dass wir alle den Beistand der Götter hier im Sumpf viel nötiger haben, als ich es bislang glaubte. Doch der göttliche Beistand allein wird uns nichts nutzen, noch viel wichtiger ist es, dass wir zusammenhalten und uns unter die Arme greifen. Eben nicht nur mit unseren Erfahrungen, sondern gerade auch auf materielle Art und Weise.”
”Kennt ihr eigentlich meine Tante Alane von Tarnelfurt?” fiel Reto ein. ”Sie ist mit Tuchherstellung und -handel zu bescheidenem Wohlstand gekommen und lebt in Tarnelfurt. Sie würde uns Neusiedler sicher unterstützen und uns Baumaterial aus Tarnelfurt zukommen lassen. Allein es gibt keinen gangbaren Weg von Tarnelfurt nach Therbunja. Vielleicht sollte ich den Bau einer Handelstraße nach Tarnelfurt höhere Priorität zukommen lassen. Gäbe es diesen Handelweg würde sich sicher auch Neufarnhain besser mit Gebrauchsdingen aller Art versorgen lassen.”
”Daran wäre mir in der Tat sehr gelegen. Verzeih, wenn ich nun wie ein schmieriger kleiner Krämer klinge, aber um gleich zur Sache zu kommen und wie ich bereits in meinem Schreiben berichtete, möchte ich gerne in Handelsbeziehungen mit Therbunja treten und euch an den Erzeugnissen unserer Lederproduktion teilhaben lassen. Allein über die Menge und eine entsprechende Gegenleistung müssten wir uns einig werden. Du wirst verstehen, dass ich in dieser unwirtlichen Gegend mit Silbertalern und Dukaten nicht werde viel anfangen können. Stattdessen interessiert mich, was ihr in Therbunja herstellt und was ihr dort entbehren könnt.”
”Noch haben wir nicht viel, was wir zum Tausch anbieten könnten. Vielleicht Tuche und Stoffe meiner Tante. Auch hat sich die Lagerung des Saatgutes auf, bzw. über geweihten Boden bewährt. Vielleicht wollt ihr im kommenden Herbst etwas bei uns einlagern und es Peraine anvertrauen? Gutes Leder und vor allem stabile Riemen benötigen wir in Therbunja in großer Zahl. Sei es für die Einzäunung unser Felder zum Schutz gegen die Wildschweine oder für die höher gelegten Felder im Sumpf. Um was für Leder handelt es sich eigentlich, ich sehe keine Rinder? Aber was habt ihr gegen blinkende Taler? Wie entlohnt ihr denn all die Zwerge hier? Die wollen doch sicher lieber Silber und Gold, als Waren aus Therbunja..”
Edelbrecht verzog seine Mundwinkel zu einem leichten Schmollen, erwies sich Reto doch als ein härterer Brocken, als er gedacht hatte.
”Um auf die erste Frage zu antworten: Die Bockbuschs, unsere hiesigen Gerber, verarbeiten zur Zeit ausschließlich die Häute unserer Jagdbeute. Derzeit durchstreift derartig viel Rotwild die Wälder, dass wir keine Bedenken haben, unsere Produktion auch künftig stabil zu halten. Zum Zweiten: Generell habe ich gegen Taler nichts einzuwenden, allerdings scheue ich davor zurück, sie hier einlagern zu wollen. Die Zwerge arbeiten im übrigen sowieso für mich, da sie fürs erste hier eine neue Bleibe gefunden haben. Egal, auf irgendeine Art und Weise kommen wir sicherlich ins Geschäft. In der Tat werden wir hier in Neufarnhain übrigens bald so weit sein, auch Wolle herstellen zu können – die Schafe hierzu habe ich bereits kommen lassen - so dass mir an Tuche und Stoffe noch nicht sonderlich gelegen ist, aber sicherlich wird der Tag kommen, an dem wir hier auch für so etwas Verwendung haben werden. Bis dahin haben mich ‚Gebrauchsdinge aller Art’ aber hellhörig werden lassen.”
”Für die ihr wiederum Silber benötigt und was die Stoffe und Tuche angeht, meine Tante beliefert sogar den Fürstenhof. Ich glaube nicht, dass ihr in nächster Zeit in der Lage sein werdet, solch hochwertige Ware herzustellen”, erlaubte sich Reto einzuwenden.
”Das mag auch wieder sein, auf der anderen Seite, Reto, was sollte ich bei diesen Witterungsbedingungen wohl mit derartig hochwertiger Tuche? Was hältst du von folgendem Vorschlag: Du forcierst den Ausbau einer Handelsstraße von Therbunja nach Tarnelfurt, die über Neufarnhain führt, und ich liefere dir dafür eine noch näher zu bestimmende Menge Leder. Gerade hier im Sumpf wird ein hölzerner Knüppeldamm ausreichend sein, nehme ich an. Was sagst du, ist das ein Angebot?”
”Verzeih Edelbrecht, aber Therbunja liegt besser als Neufarnhain um an eine Straße nach Tarnelfurt anzulegen, zumindest wenn ich die Karten, welche ich bei Graf Growin einsehen, konnte richtig gedeutet habe. Ich kann dir für dein Leder Geld, von Peraine geschützten Lagerplatz oder das Anlegen eines Knüppeldamms nach Neufarnhain anbieten, jedoch nicht das von dir Vorgeschlagene.”
”In Ordnung”, entgegnete Edelbrecht nach kurzem Grübeln. ”Dann lass es uns doch so machen. Gegen eine gewisse Menge Leder, über die wir noch zu befinden haben und von deren Qualität du dir selber noch ein Bild machen kannst, übernimmst du die Kosten für den Bau eines Knüppeldammes, der unsere beiden Siedlungen miteinander verbindet. Danach wird neu verhandelt, was sagst du?”
Reto grübelte und strich sich durch den Kinnbart, 60 oder mehr Tage Arbeit für 5 Mann, dazu eine nicht unerhebliche Menge Holz, das müsste ja ein ganzer Wagen voll Leder sein.
”Verzeih, Edelbrecht, ich will hier weder die Krämerseele geben noch den Eindruck vermitteln, dass ich etwas gegen eine Verbindung unserer Weiler habe, aber im Kopf überschlagen wäre das verdammt viel Leder, was du mir dafür zukommen lassen müsstest. Auf so ein Geschäft möchte ich dir erst die Hand geben, nachdem wir das gemeinsam durchgerechnet haben, am besten mit Bruder Perainfried an unserer Seite. Du bist doch kein Roban, der vorschnell etwas mit Handschlag besiegelt, oder täusche ich mich in dir?”
”Wolkenbruch und Hagelschlag”, fuhr Edelbrecht auf ”ich dachte, es wäre auch in deinem Interesse, Reto, wenn wir einen Handelskontrakt schlössen. Wenn du nicht willst, kann ich mich natürlich auch an Rainfried von Grimsau wenden und mir anhören, ob er Verwendung für das fettgegerbte Neufarnhainer Wildleder hat. Ich will mich dir ja nicht aufdrängen. Immerhin ist davon auszugehen, dass auch du und Therbunja von einem Knüppeldamm zwischen unseren Siedlungen profitieren würdet – ist Neufarnhain schließlich doch ein Absatzmarkt auch für eure Waren, sofern ihr erst einmal welche produzieren und verkaufen möchtet. Ich denke jedenfalls, dass 8 Heller pro Rechtschritt Leder nicht zu hoch gerechnet sind.”
Reto schaute Edelbrecht ob seines Ausbruchs verdutzt an.
”Edelbrecht, du missverstehst mich völlig! Natürlich habe ich ein Interesse an einer Verbindung unserer Weiler, aber ich will dich nicht über den Tisch ziehen, wie es in Ferdok heißt. 8 Heller ist ein guter Preis, den ich gerne zahlen werde, aber die erwähnte Arbeit ist selbst bei einem Lohn von nur einem Silberling pro Tag und Mann schon 30 Dukaten wert. Schließen wir einen Vertrag und ich bestehe auf die Lieferung von 300 Rechtschritt Wildleder, was dann? Soviel Wild findest du ja in der ganzen Grafschaft nicht! Deshalb möchte ich hier keinen Vertrag schließen. Ich bin gerne bereit dir Leder abzunehmen, zu dem von dir genannten Preis, und werde auch den Ausbau einer Verbindung zu dir vorantreiben, aber nicht mit einem Vertrag, den du nicht erfüllen könntest. Können wir das also ohne Kontrakt machen, reicht dir mein Ehrenwort?”
Reto hat sich erhoben und reicht Edelbrecht versöhnlich die Hand.
Innerlich verfluchte sich Edelbrecht für seine Impulsivität. Wieder einmal hatte ihm ein anderer gezeigt, wie viel er noch in Sachen Diplomatie und Verhandlungen zu lernen hatte. Natürlich hätte er auch selbst auf den Gedanken kommen können, dass Reto von Tarnelfurt als ein Mann von Ehre zweimal darüber nachdachte, bevor er einen Kontrakt schloss, der sich objektiv gesehen zum Nachteil eines anderen auswirken konnte, und so wirkte Edelbrecht auch ein wenig kleinlaut, als er antwortete.
”Wie könnte mir das Ehrenwort eines Mannes wie dir nicht reichen, Reto? Verzeih mir den Wutanfall, ich denke wir werden zu beiderseitigen Nutzen in den kommenden Monden handeln. Mein Vater hält’s mit den Sprüchen Kaiser Retos ‚Was du schwarz auf weiß besitzt…’, aber in diesem Fall soll mir dein Wort genügen.”
Und so ergriff er des Tarnelfurters Hand und drückte sie kräftig, womit die schwierigen Verhandlungen vorläufig beendet waren.