Die Waffe des Heldenkönigs?

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Ausgabe Nummer 18 - Rahja 1020 BF

Die Waffe des Heldenkönigs?

Wunderliche Ereignisse bei der jüngsten Angbarer Feuermesse

ANGBAR. Seltsames geht vor sich in den altehrwürdigen Mauern des Feuertempels zu Angbar. Hatte jüngst der Erhabene Hilperton Asgareol, Hüter der Flamme, mit göttlicher Hilfe ein herrliches Artefakt erschaffen, so scheint nun — auf ebensolche wunderliche Weise — eine alte Reliquie des Hügelvolkes wieder zurückgekehrt zu sein. Unbegreiflich sind die Umstände — doch leset selbst, wie sich dies alles zugetragen!

Es war ein gnadenvoll schöner Erdstag, der letzte im Mond des Ingerimm. In aller Perainenfrühe tönte der Ruf von Baldarosch, der ehernen Zwergenglocke, über die noch schlafende Fürstenstadt. Und als sich die Praiosscheibe aus den Tälern des Kosch erhob, war der Platz der Ewigen Flamme gefüllt mit allerlei Volk. Die Fahnen der ingrimmschen Zünfte flatterten da lustig im Wind, der sanft vom Seeufer her blies, und die Sonne spiegelte sich auf den Messingknöpfen der Praiostagsröcke. Menschen und Angroschim, zumeist dem Hügelvolke zugehörig, doch auch Reisige aus dem Eisenwald und dem Amboß, waren es, die im festlichen Rotgewand Einlaß in den größten Ingerimmtempel des Landes suchten.

Als sich nun aber die beiden Flügel des Bronzetores wieder schlossen, da flammten im Tempelrund die Lichter auf, und sieben mal sieben Gesellen traten aus der Säulenhalle. Ein jeder hielt in Händen sein Weihewerk, eine eherne oder kupferne Lampe, deren Licht nie verlöschen darf. In den kehligen Lauten des Rogolan intonierten sie Angbaroschs siebente Feuerstrophe, ein heiliger Choral zu Ehren des heutigen Festes: Denn zu Angbar wird am 30. Ingerimm Murgrims Brauch gepflegt — der Herr Ingerimm gewährt dem Volke seine Gnade, indem er ein bislang nie gelungenes Werk zur Vollendung führt, oder aber ein verlorenes Stück wieder heil macht.

Auf diese Weise ward vor vielen Jahren ein Schmiedemeister vor dem Schuldturm bewahrt, als er durch ein Unglück das Schwert des Seneschalken zerbrochen hatte. Und noch viele andere Wunder ließen sich nennen, den Menschen zum Heil, dem Gott zur Ehre.

Als aber der Choral verklungen war, da schlugen zwei Gesellen die Eisentrommel, den heiligen Amboß der Halle. Und aus dem Allerheiligsten kam Meister Ibralosch, Igens Sohn, der Schürer der Flamme (und manch einer erstaunte hernach nicht wenig, warum nicht der Erhabene selbst es war). Er trug den Mantel in den Erzfarben und auf dem Haupt die goldene Haube mit dem Flammenzeichen. Alsdann erhob er die Stimme zum alten Koscher Gruß: „Daß Sein Feuer in euren Herden und Herzen auf immer brenne. Das walte Väterchen Ingmarosch.“

Und bedächtig entnahm er einem großen Schrein sieben Hände voll Kohle, die aus der Rottanne, Ingerimms Baume, gebrannt worden war. Und er legte sie auf den Altar, denn der war eine große Esse.

Nun wandte sich der Gevatter seiner Gemeinde zu: „Ihr alle wißt, daß wir heut Murgrims Brauch begehen wollen. Also tretet vor Väterchen Ingmarosch und tragt Eure Bitten vor. Er wird seinen Willen kundtun.“ (Denn es heißt, daß die heilige Esse eben da aus eigner Kraft zu glühen beginnt, wenn die rechte Bitte vorgetragen wird.)

Zuvörderst kam ein ehrwürdiges Großväterchen, seiner Tracht nach einer aus dem Eisenwald. Er sprach zu Ibralosch: „Ach, Söhnchen, viele Jahre bin ich alt, und Angroschs Kraft und Feuer ist in mir erloschen. Doch zu gerne würde ich meinem Enkelchen Ramobrox noch ein rechtes Fleischermesser schmieden, damit er später gut arbeiten kann.“

Da hatte Ibralosch genickt und gesagt, daß seine Bitte wohlgefällig sei. Aber das Glutbecken der Esse blieb dunkel und kalt. Als zweites kam ein Zinntellermacher, dem war sein schönstes Stück, eine große Platte mit dem Relief von Angbar, zerbrochen. Und danach ein dritter, ein vierter, und ach wie viele! Ein jeder brachte seine Bitte vor. Doch bei keinem wollte die heilige Glut entflammen.

Nun wunderte sich Ibralosch, denn viele hätten des Gottes Gnade verdient. Er rief: „Ist denn sonst keiner da, der Ingmaroschs Gunst erfleht?“

Da trat ein unbekannter Angroscho hervor, gehüllt in eine Kutte aus Rot, die Kapuze über dem Haupte. Und in den Händen trug er die Trümmer eines gewaltigen Spießes, wie ihn das Zwergenvolk in alten Zeiten wider die Lindwürmer führte. Er hielt die Lanze dem Schürer der Flamme vor und sprach mit dumpfer Stimme: „Nimm hin, Igens Sohn, und tu Angroschs Willen.“

Wie er aber den Namen des Gottes nannte, da bebte die Erde, daß zwei Kohlenbecken umstürzten und ihre feurige Flut auf den Boden schütteten. Und siehe! aus der heiligen Altaresse brach eine Flamme hervor, daß zwei Schritt hoch die Funken stoben. Schrecken packte die Gemeinde, und viele waren wie erstarrt. Als sich aber der Rauch verzog und die Augen nicht länger geblendet waren, da sahen sie den Fremden an der Pforte stehen und sich nochmals umwenden: „Heil dir, Igens Sohn, denn du sollst den Weg zu Ihm finden.“ Sprach’s und ward nimmer gesehen.

Ein großes Geraune ging da durch die Menge, als Ibralosch die Trümmer des Spießes in die Höhe hielt und sie dann behutsam in das Glutbett senkte. Dann machte er mit seinem Schmiedehammer das heilige Zeichen darüber und rief das Brogum dosch, die Formel der Urkraft.

Doch was geschah da? Die Glut umfing die Trümmer, und wie das Metall weich wurde, da ging ein Schimmer von ihm aus, zunächst grau, dann silbern, und schließlich schien es zu erstrahlen wie Eternium! Und die Bruchstücke der Lanze strebten aufeinander zu und — man mag’s nicht glauben — vereinten sich in der Glut, als wären sie aus Quecksilber. Da plötzlich erlosch alles Feuer, und alle sahen den Drachenspieß, wie er heil und hell leuchtend auf der schwarzen Asche lag.

Da ergriff ihn Ibralosch mit behandschuhter Rechten und wollte ihn über die Gemeinde erheben, daß alle das Wunder schauen könnten. Doch wie? Dem kraftvollen Arm des Zwergen entfiel die Waffe und bohrte sich mit der Spitze in den Boden aus Marmor. Und eine Stimme erfüllte die Luft, als dröhne ein Hammer auf den Amboß: „Wehe, Ibralosch! Keiner soll Gwendulon schwingen denn Ambros, Aragax Sohn!“

Da wunderten sich aber alle und fürchteten sich sehr. Denn im Koscher Lande ist das Gedenken an den letzten Hochkönig der Zwergenheit, Ambros von Koschim, noch immer lebendig. Und wird er nicht von seinem Volke als der Heldenkönig verehrt, der seine Kinder in den Zeiten des Schwarzen Borbarad zu schützen wußte? Und ranken sich um den Namen Gwendulon nicht Märchen ohne Zahl? Denn ‚Gwen dolong‘ heißt im Rogolan ‚Der Felsenspalter‘, und solche Macht sagt man der Wehr auch nach!

Meister Ibralosch aber faßte sich ein Herz und sprach: „Ein großes Wunder ist uns widerfahren. Behaltet es stets in Euren Geistern und Herzen. Nun aber gehet hin und traget das Feuer in die Welt!“

Und so entließ er die fragende Gemeinde. Viele aber wunderten sich, was das alles wohl bedeuten mochte, und wenige nur wußten Antwort.

Im Tempel der Ewigen Flamme aber berief Herr Ibralosch den Priesterrat und bat auch manchen Gelehrten hinzu, auf daß man das Rätsel lösen mochte. Auch sandte man flinke junge Gesellen als Boten aus, ins Kloster Ingrahall und nach Xorlosch und Koschim (was ein Zeichen sein mag, denn freundlich waren diese dem Patriarchen nicht für Hunderte von Jahren). Den Speer aber, den die Stimme Gwendulon genannt hatte, beließen sie alle unangetastet. So hat sich der Herr Ingerimm zu Angbar den Seinen offenbart und ein Wunder getan.

K.R.