Des Prinzen erstes Wort

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Ausgabe Nummer 55 - Rondra 1035 BF

Des Prinzen erstes Wort

Zufall oder Omen?

ERLENSCHLOSS. Es ist ein alter Glaube, dass die ersten Worte, die einem Kleinkind über die Lippen kommen, einen Hinweis auf seinen Charakter geben und die Art, nach der es wohl sein Leben führen wird. Dass dies nicht immer der Fall sein muss, versteht sich, doch gerne erinnern wir uns daran, dass der kleine Prinz Edelbrecht am Morgen seine Amme mit einem freudigen „...an! ...an!“ überraschte, nachdem er am Abend zuvor erstmals das Koscherlied vernommen hatte. Und von unserem guten Fürsten Blasius wissen die Älteren, dass ihm im zarten Alter ein strahlendes „Smeckt!“ über die Lippen kam, als er von einer Schüssel süßen Haferbreis gekostet hatte.

Daran ist zu erkennen, dass man sich um den Begriff „Wort“ streiten mag, zumal gewisse Laute (wie das „rauschende S“ in „schmeckt“) den Kleinsten noch recht schwer fallen. Zudem neigen stolze Eltern, gleich welchen Standes, dazu, auch in das kleinste Lallen die Worte „Mama“ oder „Papa“ hineinzudeuten. Darum lassen viele nur dann ein erstes Wort gelten, wenn es von einem Dritten vernommen und als solches erkannt wurde; da dies – zumindest in vornehmen Häusern – in der Regel die Amme ist, spricht man auch vom „Ammenwort“.

Aus Erlenschloss, dem Hofe des wackeren Erbprinzen Anshold und seiner reizenden Gattin Nadyana, erreichte unsere Schreibstube nun die Nachricht vom Ammenworte des Prinzchen Erlan, des – so es den Göttern gefällt – künftigen Fürsten unseres Landes. Dem Kinde hatte ein Handwerksmeister des Hofes, der in der berühmten Menagerie des Erbprinzen die Käfige instand hält, aus Holz einen Satz gar putziger Tiere geschnitzt, worauf er sich als Wengenholmer trefflich versteht. Da tummelten sich also gestreifte Luchse, langohrige Hanghasen, dickwollige Schnucken, zottige Bären und gar ein (recht brav geratener) Wolf – und natürlich durfte auch das Wappentier des Hauses Eberstamm nicht fehlen..

Mit einem verzückten Quietschen habe sich das Prinzlein auf die kleine Herde gestürzt und sich alsbald von dem zwei Jahre älteren Enkelbub des Meisters, der zugegen war, die Mecker-, Fauch- und Brülllaute der Tiere vormachen lassen, wobei er es leutselig duldete, dass der Spielgefährte sich des prinzlichen Spielzeugs bediente. Als aber der kleine Gerobald – so hieß der Bub nämlich – nach dem Keiler griff und ein veritables Grunzen zu Gehör brachte, da schoss Jung-Erlans Hand vor und entriss dem andern das Holztier, wobei er deutlich das Wort „Meins!“ gezischt haben soll. Nach der ersten Überraschung zeigte sich bei den Umstehenden natürlich Freude darüber, dass dem jüngsten Eberstammer schon Name und Wappen seines Hauses so gewärtig sind... und es ist ja auch ein schöner Trost, dass sich auf das erste Wort „Meins!“ so trefflich das gutherzige und mildtätige „Deins!“ als Reim finden lässt.


Karolus Linneger