Bluttat in Oberangbar

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Ausgabe Nummer 68 - Efferd 1044 BF

Bluttat in Oberangbar

Flussfest endet mit Totschlag

OBERANGBAR, Efferd 1044 BF. Bunt und fröhlich ging’s zu beim Flussfest zu Oberangbar – doch die Fehde der garetischen Nachbarn warf ihre Schatten auch über das frohe Treiben hierzulande.

Der Rondramond war mit Blitz und Donnerhall über der Harschenheide zu Ende gegangen, und die braven Bürger von Oberangbar und den umliegenden Orten atmeten auf, als der neue Morgen sie mit Sonnenschein und blauem Himmel begrüßte. Regen mag ein Geschenk des Herrn Efferd sein, den die Bauern dringend auf den Feldern brauchen – doch beim Flussfest hat man’s lieber heiter und trocken.

In diesem Jahr waren mehr Gäste als sonst in das Städtchen gekommen – woran auch immer das liegen mochte. Entsprechend groß war dann auch die Gemeinde, die sich zur Morgenstunde auf der Wiese am Ufer einfand, um dem Launenhaften zu huldigen. Weithin schallten die frommen Lieder über das Wasser, und am Ende wurden kleine Schiffchen in die Fluten gesetzt, an die man Zettel oder Stücke aus Birkenrinde geheftet hatte; diese enthielten die Wünsche, Bitten und Gebete der Gläubigen, die der Flussvater auf seinem Rücken in die Ferne tragen sollte, bis ins Meer der Sieben Winde und vor Herrn Efferds Korallenthron.

Nach dem Götterdienst wurde gefeiert, wie es im Koscherlande üblich ist: mit lauter Musik, deftigem Essen und gutem Bier. Natürlich durfte auch der Met nicht fehlen, das berühmte »Gold von Oberangbar«. Doch Vorsicht! Dieser steigt einem leicht zu Kopf, noch dazu an einem warmen Tag – was böse Folgen haben kann, wie man noch sehen wird.

Vorerst aber trübte kein Wölkchen den Himmel und nichts die Feierlaune. Auf der Wiese spielten die Barden zum Tanze auf, und die Burschen und Maiden drehten sich in ihren Praiostagstrachten wirbelnd im Kreise und jauchzten. Auch den Alten zuckte es in den Beinen, und tatsächlich sah man gar den hochbetagten Holler Gänseblum mit seiner Travine sich im Takte wiegen – und beide zählen an die achtzig Götterläufe! Manch einer mutmaßte, dass wohl der Fiedler dies bewirkt habe, unter dessen goldenen Haaren zwei spitze Ohren hervorschauten. Am anderen Ende des Platzes ging es hoch her, im wahrsten Sinne des Wortes: Hier hatte man einen alten Schiffsmast in die Erde gerammt und tüchtig eingefettet; an der Spitze hing ein Ring von Knackwurst mit Kümmel, der dem gehörten sollte, der ihn erhaschen konnte. Nicht wenige versuchten ihr Glück, doch alle rutschten unter dem Lachen und Johlen der Menge wieder herab, sei es nach wenigen Spann, sei es nur eine Handbreit vom Ziel entfernt. Schließlich gelang es einem Mädel, der flachsblonden Jesina Weißrock, bis zur Spitze zu klettern. Als sie wieder unten war, leuchteten die sommersprossigen Wangen vor Freude. Der Ruhm des Sieges gehörte ihr allein, den Preis jedoch teilte sie mit ihren fünf Geschwistern.

So feierte man ausgelassen, aber friedlich, und fast hätte man meinen können, die guten, alten Zeiten wären wieder da. Doch um die dritte Mittagsstunde gab’s Geschrei, Krawall, Tumult, und ehe man sich’s versah, lag einer am Boden, ein Messer im Leib, und röchelte sein Leben aus. Ein anderer stand triumphierend da und rief der scheidenden Seele noch nach: »Da hast du’s, verdammter Mistkerl!« Erst war man fassungslos, dann fasste man sich ein Herz, und nach kurzem Gerangel war der Mörder, der fliehen wollte, gefasst. Wie sich herausstellte, handelte es sich um zwei Garetier, die den Hader aus ihrer Heimat über den Fluss getragen hatten. Zumindest einer, der Tote nämlich, sei ein Werber gewesen, auf der Suche nach frischer Nahrung für den nimmersatten Krieg. Seine Sprüche und der dreiste Versuch, nun auch im Koscherland „auf Fischfang zu gehen“, hätten den Täter, wie dieser angab, sehr erbost. So sei eins zum anderen gekommen, und sicher habe der reichlich genossene Met auch eine Rolle gespielt. Letzteres freilich kann nach Meinung der Schriftleitung keine Entschuldigung sein, denn wie viele Menschen und Zwergen trinken im gleichen Maß davon und greifen doch nicht zum Messer! Den guten Leuten von Oberangbar und ihren Gästen aber war die Feierlaune vergangen, und so endete der Tag zu Ehren des Herrn aller Wasser mit frisch vergossenem Blut.

Karolus Linneger