Aus dem Tagebuch einer Boron-Novizin - (Un-)Glücklich verheiratet (Teil 4)

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Rondra 1044

Auf dem Weg zurück ins Gasthaus „Zur Stube“ berichtete Bram uns noch, dass Isentas Verwandte aus dem Sarindelwald sich nicht direkt einzumischen gedachten, obgleich sie uns nach Kräften unterstützen würden. Meine Gedanken gingen noch einmal zu Wildebur Grobendorn zurück und ich glaubte, dass seine Gefühle am Heftigsten waren, als er über Lisara sprach. Das war auch den anderen aufgefallen. Ob die beiden eine Beziehung hatten?

Im Gasthaus befragten wir dazu die Wirtin Algunde Höhenwursch und deren Mutter Aulia, die keine gebürtige Höhenwursch war, sondern in die Familie eingeheiratet habe und inzwischen seit geraumer Zeit verwitwet war. Sie erzählte davon, dass Wildebur schon immer hinter Lisara hergewesen sei, die habe ihn aber stets vertröstet. Stattdessen habe sie ein Verhältnis mit einem almadanischen Offizier von Grimmenhall gehabt. Wildebur habe eine andere Frau geheiratet, habe aber noch immer Lisara nachgestellt, auch während der Ehe. Vor geraumer Zeit sei seine Frau am Fieber gestorben. Arme Frau, ihre Ehe dürfte nicht sonderlich glücklich gewesen sein. Schweigsamer, sei ihr gnädig, sie hatte es im Leben schon nicht leicht.

Ich fragte Mutter und Tochter noch, ob sie einen rothaarigen Knaben kannten. Sie meinten, dass einer der Enkel Grobendorns rothaarig sei. Da er allerdings erst 11 Götterläufe zählte, konnte er nicht jener junge Mann gewesen sein, der sich uns als Gröja vorgestellt hatte. Ich frage also weiter und beschrieb den rothaarigen Knaben noch einmal genauer. Da wurden die beiden plötzlich merkwürdig still. Nicht wieder ein Geist, entfuhr es mir und Nortalosch pflichtete mir bei. Ob wir denn schon einmal etwas vom Rabbatzmann gehört hätten? Hatten wir natürlich. Jedes Kind kannte ihn. Ja, selbst die Zwerge kannte ihn. Oft trete er als großer, gut gebauter Mann mit rotem Haar auf und sei dafür bekannt, so manche Maid beglückt zu haben. Da wurde ich nun ganz still. Was nicht unbemerkt blieb. Ich schwieg mich dazu aus. Es war ja nichts passiert, obgleich er es versucht hatte. Irgendwie war ich froh darüber. Und irgendwie... Ob es ihn tatsächlich nicht gestört hätte? Ich würde es nie erfahren. Und genaugenommen war es ja auch nicht wichtig und dennoch... Seltsam war das ganze schon. Mit Leichtigkeit hätte er sich nehmen können, was er begehrte, mich in diesem Fall, aber er hatte es nicht getan. Er hatte mein Nein akzeptiert. Ein seltsamer Geist, dieser Rabbatzmann, ein seltsam netter Geist.

Wir fragten die beiden nach dem Junker Barthalm von Lychtenhüg aus. Er sei ein aufrechter, junger Mann, der sich bei den Schlachtenreitern bereits bewiesen habe. Das klang durchaus vielversprechend. Mit einem Proviantpaket und der Aussicht auf einige leckere Wachteln zum Abendessen brachen wir zum Junker auf.

Das Gut liegt auf einem Hügel und ist von einer Mauer aus Stein umgeben. Innerhalb der Mauer steht ein zweigeschossiges Haus aus Stein mit einem daran angebauten doppelt so hohen Turm, daneben gibt es noch eine Scheune. Zuerst trafen wir auf einen Knecht. Er holte seinen Herren herbei. Eberhalm und Barthalm kannten sich. Der Junker ist tatsächlich ein gutaussehender junger Mann, nur ein wenig älter als ich es bin. Er bat uns herein und wir nahmen seine Einladung gerne an. Auf die Frage des Junkers, was denn Eberhalm hier mache, erwähnte er, dass er nicht zum ersten Mal hier gewesen sein. Dann kommt sie Sprache auf das verfluchte Thargen. Von dem hatte Barthalm natürlich gehört und auch davon, dass dieses nun frei von Geistern sei. Ob wir das etwa gewesen seien. Waren wir, bestätigte Eberhalm. Da war der Junker ganz enttäuscht, weil er doch so gerne dabei gewesen wäre.

Endlich konnten wir ihm dann mitteilen, was uns zu ihm geführt hatte. Als die Sprache auf Isenta fiel, da begannen seine Augen zu leuchten. Ohne Zweifel, der Ritter war verliebt. Das brauchte er nicht zu sagen, das sah man ihm an. Dies bestätigte auch sein Großvater, Brorrhold von Lychtenhüg. Wir unterhielten uns kurz mit ihm. Sein Sohn, Gerdebrecht, sei in Tobrien gefallen. Schlussendlich entschuldigte er sich und nahm auf einem Stuhl in der Nähe des offenen Kamins Platz. Ich zweifelte jedoch nicht daran, dass er jedem unserer Worte lauschte. Kurz darauf lernten wir auch noch Barthalms Mutter, Rechhild von Schwarzbröcken-Lychtenhüg, kennen. Mit ihr unterhielten wir uns geraume Zeit. Sie kannte Isenta nicht, lediglich Lisara war ihr bekannt. Diese hatte den Zehnt stets mit Lämmern oder Schafen bezahlt. Mehr wusste sie nicht. Als volksnah konnte man sie nicht gerade bezeichnen. Dennoch war sie schon ein wenig verwundert, als wir ihr erklärten, dass Isenta nicht die Tochter Lisaras sei. Aber es kümmerte sie auch nicht weiter. Wir klärten mir ihr noch, ob es genüge, die Schulden Lisaras und nun Isentas zu bezahlen. Das bejahte sie. Seien sie bezahlt, hätte der Grobendorn keine Handhabe mehr. Dennoch bezweifelten wir alle, dass der Alte sie dann auch gehen lassen würde. Es ging ihm ja gar nicht um das Geld... Ihre Schulden, das wusste Grimrosch noch sehr genau, beliegen sich auf 323 Silbertaler und 8 Heller. Dass Wildebur Grobendorn hinter Lisara her war, das bestätigt auch Brorrhold. Seine Ehe habe daran nichts geändert. Aber selbst nachdem der almadanische Offizier versetzt worden war, hatte Lisara ihm die kalte Schulter gezeigt. Wollte er sich also an Lisara rächen, indem er ihre vermeintliche Tochter an seinen Enkel verheiratete?

Das der Junker gerne Isenta zur Frau nähme, das brauchte er gar nicht erst zu sagen, das stand ihm ins Gesicht geschrieben. Seine Mutter hielt freilich wenig davon. Isenta war eben nur eine einfach Schäferin. Rechhild mahnte uns auch noch, uns an Recht und Gesetz zu halten. Wir versicherte, dass wir kein Interesse an unrechtmäßigen Dingen hatten. Der Junker begleitete uns noch nach draußen. Barthalm gab uns zu verstehen, dass er für Isentas Schulden aufkommen würden, wenn er sie damit befreien könne.

Auf dem Weg vom Junkergut zum Gasthaus dachten wir darüber nach, dass es ja vielleicht sein könne, dass Isentas Vater ein Adeliger gewesen sei. Freilich wussten wir das nicht. Es schien geradezu unumgänglich, Nachforschungen ihrer Eltern betreffend anzustellen. Da trafen wir am Eingang zum Dorf ganz unvermittelt auf eine junge Frau. Sie trug ein Bündel Reisig und bot uns einige Äpfel an. Verräterisch war jedoch, dass sie Bram mit Namen ansprach, obwohl sie uns nicht bekannt vorgekommen war. Der Schreiberling des Kosch-Kuriers glaubte zu wissen, dass es sich um eine von Isentas Verwandten aus dem Sarindelwald handele. Wir erzählten der vollkommen harmlosen Frau, bei der es sich um eine der Hexen aus dem Sarindelwald handeln musste, dass wir mehr über Isentas Eltern wissen mussten. Vor allem der Vater war für uns von besonderem Interesse, denn wenn er adelig gewesen wäre, dann wäre es auch Isenta und damit würde eine möglicher Ehebund zwischen dem Junker und ihr in greifbare Nähe rücken. Die Fremde meinte, dass die Nacht lau werden würde und man gut bei geöffnetem Fenster schlafen können. Abschließend kaufte Bram ihr noch das Reisigbündel ab, dann setzten wir unseren Weg ins Dorf fort.

Im Gasthaus hielten sich keine weiteren Gäste auf. Auch die Gelehrte Ismene Jallenthal war wohl bereits abgereist. Ob sie sich auf die Suche nach den Marbonien gemacht hatte? Wir wussten es nicht, vertrieben uns die Zeit bis zum Abendessen mit einer kleinen Zwischenmahlzeit. Am Abend gab es dann die Wachteln. Sie waren köstlich. Einzig eines hätte sie noch besser gemacht: Wenn Grimrosch sie zubereitet hätte. Dazu gab es Klöße, viel Soße und zum Abschluss Pflaumenkompott.

Bei geöffnetem Fenster warteten wir. Schließlich kam Tadolla auf ihrem Besen hindurchgeflogen. Domislai habe ihr erzählt, dass wir Fragen hätten. Wir wollten wissen, wer ihre Eltern waren. Sie, Tadolla, sei Isentas Mutter, den Namen von Isentas Vater kennen sie nicht. Es sei eine schicksalhafte Begegnung gewesen: Eine kleine Schar Reiter sei auf der Jagd gewesen. Sie hätten das Wild vor sich hergetrieben, da sei einer der Reiter gestürzt und habe den Anschluss zu den anderen verloren. Tadolla habe sich um ihn gekümmert. Er sei nicht mehr ganz jung gewesen, aber gutaussehend, äußerst charmant und hatte einen gezwirbelten Bart. Bram glaubte zu wissen, um wen es sich handelte: Graf Orsino von Falkenhag. Tadolla konnte dazu nichts sagen. Er sei nur eine Nacht bei ihr gewesen und in jener Nacht sei eben passiert, was passieren hatte müssen, danach habe sie ihn nie wieder gesehen. Er trug, so erinnerte sie sich, aufgestickte silberne Federn auf seinem Gewand. Wir erklärten ihr weiter, dass wir ihre Tochter auszulösen gedachten. Tadolla versprach, in der morgigen Nacht mit Tränken wiederzukommen, die wir verkaufen könnten. Über Geld verfügte sie leider nicht. Als wir meinten, dass der Grobendorn sie auch nach Bezahlen der Summe nicht gehen lassen würde, wurde sie schrecklich wütend. Wir beruhigten sie. Dann verabschiedete sie sich. Davor redete ich ihr jedoch noch ins Gewissen, oder versuchte es zumindest, denn ich war der Meinung, dass sie ihrer Tochter sehr wohl sagen sollte, dass sie ihre Mutter sei, wusste ich doch selbst, wie es war, die eigene Mutter nicht zu kennen. Ach, Schweigsamer, ich hätte sie so gerne gekannt. Isenta hatte die Möglichkeit und ich war der festen Überzeugung, dass sie es ihr sagen sollte. Nicht unbedingt jetzt sofort, aber irgendwann. Sie erzählte uns auch noch kurz, wie es damals war. Sie habe das Kind Lisara übergeben und sie gebeten, sich darum zu kümmern. Über Lisaras Vater habe sie lediglich mit Heidruna gesprochen.