Aus dem Tagebuch einer Boron-Novizin - (Un-)Glücklich verheiratet (Teil 3)

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Rondra 1044

Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück, machten wir uns auf den Weg zu Isenta. Im Nachhinein bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob Grimrosch nun Proviant mitgenommen hat – so wie es seine Art war – oder nicht – vielleicht war der Kummer über den Verlust seiner Lieblingssalami doch größer und ernster zu nehmen, als ich dachte? Auf dem Grobendornhof sprachen wir erst einmal beim Hausherrn, Wildebur Grobendorn vor. Er erlaubte uns, unsere Freundin Isenta, von der es wohl im ganzen Dorf hieß, dass sie weder Familie noch Freunde hatte, zu sehen. Wir wurden also in das kleine Giebelzimmer gebracht. Die junge Schäferin freute sich überschwänglich, uns zu sehen. Sie fiel uns in die Arme. Weil das Zimmer so klein war, mussten wir uns regelrecht hineinquetschen, aber es ging irgendwie. Natürlich sprachen wir dem Mädchen, das in meinem Alter war, zuerst unser Beileid zum Tod Lisaras aus, bevor wir uns nach dem Vertrag erkundigten. Von dem habe Isenta nichts gewusst, erklärte das Mädchen, aber er besagt, dass all das Hab und Gut Lisaras an Wildebur Grobendorn ging. Dafür habe ihre Ziehmutter zehn Golddukaten bekommen. Es gäbe aber noch weitere Schulden, fuhr Isenta fort, und der Grobendorner hätte ihr gedroht, wenn sie nicht seinen Enkel heirate, dann würde er sie in den Schuldturm werfen lassen, schließlich konnte sie die Schulden nicht begleichen. Sogar der ansässige Junker sei da gewesen und habe den Vertrag vorgelesen und die Richtigkeit bezeugt. Wie hoch Lisaras und damit ihre Schulden seien, wusste das Mädchen indes nicht. Wir versprachen ihr zu helfen, doch das würde dauern, bis dahin sollte sie standhaft bleiben. Hier oben, erwähnte sie abschließend, fühle sie sich immerhin sicher vor ihrem zukünftigen Gatten. Ach Isenta, arme Isenta, der Tod bringt in manchen von uns nicht das Abscheulichste zum Vorschein sondern auch die Abgründe des Seins. Wir gingen. Als wir aus dem Zimmer traten, hörten wir sich von uns eilends entfernende Schritte: Man hatte uns also belauscht.

Bei Wildebur Grobendorn baten wir um Einsicht des Vertrages. Er gewährte sie uns, wenn auch nur widerwillig. Lisara hatte sich tatsächlich 10 Golddukaten von Wildebur geliehen und da sie diese nicht zurückbezahlt hatte, ging all ihr Hab und Gut – die Hütte, die Weiden, das verfluchte Thargen – nach ihrem Tod an ihn. Bezeugt hatte diesen Handel wohl der ansässige Junker Gerdebrecht von Lychtenhüg. Eberhalm kannte ihn, wenn auch nur flüchtig. Das war jedoch nicht der Grund, warum man Isenta in das Giebelzimmer gesperrt hatte. Der Alte war im Besitz weitere Schuldscheine Lisaras. Auf ungefähr 30 Dukaten belief sich die Summe. Und deswegen habe er – so Eberhalm – Isenta in Schuldknechtschaft genommen. Ob es richtig war, dass Isenta für die Schulden ihrer Ziehmutter herangezogen wurde? Ich wusste es nicht. Weiter kam jedoch heraus, dass es Wildebur gar nicht um das Geld an sich ging, sondern um Isenta. Das warf Fragen auf, die der Alte uns nicht beantworten wollte, weil es uns nichts anginge. Er würde sich nicht vor uns erklären. Daraufhin erwiderte ich ihm, dass er spätestens vor den Göttern Rechenschaft ablegen müsse. Und Nortalosch fügte hinzu, dass das in Anbetracht seines Alters ja nicht mehr lange dauern konnte. Wir gingen.

Warum Wildebur Grobendorn an einer mittellosen Schäferin so großes Interesse zeigte? Das Hab und Gut Lisaras war ja bereits an ihn übergegangen. Isenta besaß also gar nicht mehr als die Kleider, die sie am Leib trug. Was konnte aber dann für den Alten von Interesse sein? Isenta, so viel wussten wir ja bereits, war nicht die Tochter Lisaras. Die Vermutung lag nahe, dass sie Tochter einer Hexe aus dem Sarindelwald war. Magisch begabt schien sie jedoch nicht zu sein. Ob es etwas mit ihrer Mutter zu tun hatte? Oder aber mit ihrem Vater?

In diesem Augenblick fielen mir zum ersten Mal eine Reihe von Parallelen zwischen Isenta und mir auf. Beide kannten wir unsere Eltern nicht. Inzwischen wusste ich wohl, wer meine Mutter war und dass sie wohl eine Hexe gewesen sein soll, aber ob Isenta von ihrer Mutter wusste? Ich war genauso wenig magisch begabt wie sie. Noch deutlicher war jedoch, dass keine von uns ihren Vater kannte. Ich kannte noch nicht einmal seinen Namen. Vermutlich ging das auch Isenta so. Der Schlüssel, so vermutete ich, lag also in der Herkunft Isentas. Doch wer sollte uns darüber Auskunft geben?