Auf dem Grevensteig, Teil II: Von Uztrutz nach Fünfbrunnen

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Ausgabe Nummer 52 - Tsa 1033 BF

Auf dem Grevensteig, Teil II: Von Uztrutz nach Fünfbrunnen

Und weiter geht unsere Wanderung auf dem Grevensteig, jenem wichtigen Handels- und Reiseweg durch den schönen Schetzeneck. Unsere nächste Etappe heißt Fünfbrunnen, berühmt durch die dortige Badilikanerstube, in der vor vielen Jahren schon einmal ein Chronist des KOSCH-KURIER einkehrte. Ob sich dort viel verändert hat...?

Durchs Praiosblumenfeld

Verlässt man Uztrutz durchs östliche, größte Tor, läuft man bereits auf dem Grevensteig. Es ist wohl vor allem die Händler- und Uztrutzer Bürgerschaft, die diese Landstraße in leidlich gutem Zustand hält. Sommers, in den Strahlen der ersten Morgensonne, leuchtet die rote Stadt wie die Blüte einer Tarnele und wirkt gar nicht mehr so blutig wie zuvor. Dann wandert man in grüne Wiesen und Auen hinein, die immer häufiger gelb gesprenkelt sind von voll erblühten Praiosblumen, bis man endlich kaum noch etwas anderes erblickt als goldbraune Köpfe mit gelbem Strahlenkranz über grünen Stängeln und Blättern. Ein Anblick, der auch Frau Hesinde und Frau Peraine erfreuen dürfte.

Einer Volkssage nach sind sie die Sonnenlegion Priesterkaiser Noralecs, die immer noch Gräfin Leonore und die Stadt belagert. Ein unheimlicher Gedanke, wenn man zwischen den bis zu drei Schritt hohen Gewächsen herläuft, die mit dunklen runden Gesichtern auf einen herabstarren! Andere Legenden erzählen, die heiligen Blumen bewachen ein Schlachtfeld aus den Magierkriegen oder bannen die Geister von acht Geoden, die hier einst von den Priesterkaisern in ihrem Steinkreis verbrannt worden waren.

Der einzige Spuk dort ist das aber wohl nicht. Nach etwa einem Viertel Wegs passiert man den „Freinhag“. Das ist ein Dorngestrüpp, das einen alten Grenzstein bergen soll, der einst Uztrutz in zwei Baronien teilte. Genau an diesem soll Baron Ontho seine Konkurrentin auf der Jagd erschossen haben. Tatsächlich gehörten Teile von Uztrutz, Koschgau und Drakfold einst zu einer weiteren Schetzenecker Baronie, deren Grenze aber weiter westlich verlief. Jedoch mag der Freinhag mit dem nie geklärten Verschwinden einer „Freijungfer von Rhaunen“ zu tun haben, die sich gegen die Verschwörerbarone gestellt hatte.

Einige Meilen weiter gemahnt eine aufgerichtete Deichsel mit einem zerbrochenen Wagenrad an die Bauernfamilie Rübsam. Mit ihrem beladenen Karren war sie Baron Onthos Wilder Jagd in die Quere gekommen. Rüde abgedrängt, stürzte das Fuhrwerk um und begrub sie unter sich. – Boron schenke ihnen Frieden!

Fünfbrunnen

Nähert man sich dem Dorf Fünfbrunnen, wird die Gegend wieder deutlich grüner. Sommerliches Gelb stammt hier eher von reifendem Korn oder den Blüten der vielen Kürbispflanzen. Erst zum Herbst hin färben sich deren Früchte leuchtend orange und sind dann fürwahr „Travias Suppenschüsseln“!

Schon von weitem fällt der turmartige Tempel der Gütigen Mutter am Marktplatz auf. Man würde ihn für ein trutziges Haus der Rondra halten, liefen nicht Bauern und Badilakaner in ihren schlichten Kutten dort ein und aus.

Obwohl direkt am Grevensteig gelegen, soll Fünfbrunnen nur der drittgrößte Ort der Baronie sein. Vielleicht zählt man aber auch nicht alle Einwohner mit, die einen wegen ihres geistlichen Standes, die anderen, weil sie nur für gewisse Zeit hier aufgenommen worden sind.

Fünfbrunnen

Einwohner: knapp 300, hinzu stets etliche Reisende Herrschaft: Baron Ontho Steigbügel von Uztrutz, Badilakaner-Orden Tempel: Travia Gasthäuser: Badilikaner-Stube Markt: Wöchentlich am Windstag Spezialitäten: Arzcorner Honig Erzeugnisse aus bäuerlichen Gärten

Wege von und nach Fünfbrunnen

Von Uztrutz her läuft man etwa zwei Stunden gen Nordnordwest, bis man Fünfbrunnen erreicht. Der Grevensteig führt mitten durch den Ort hindurch und wendet sich dann gen Nordwesten auf Drakfold und die Koschberge zu. Deren waldige Hänge beginnen nicht weit hinter dem Ort, ihre schroffen Gipfel sind auch im Sommerdunst gut zu sehen. Dass man die Berge oder gar Koschtal innert eines Vormittags erreichen kann, hielt ich schon vor meiner Reise für Flunkerei. Tatsächlich sollte man bis Koschtal gut zwei Tage einplanen, eher mehr. Nordöstlich führt ein Weg nach Arzcorn, südöstlich nach Rhaunen am Großen Fluss.

Herrschaft über Land und Leute

Herr ist auch hier natürlich Baron Ontho, jedoch ordnen die Badilakaner die Geschicke des Ortes, die Vorsteherin des Tempels, Mutter Balbine, ist als Vögtin eingesetzt.

Einstellung zu Fremden

Wie in einem so traviabestimmten Ort nicht anders zu erwarten, kennt man hier keine „Fremden“, sondern nur „Gäste“. Jeder findet hier zu jeder Zeit Unterkunft, ein sättigendes Mahl und Hilfe in Not. Kaufherrin und Adelsmann wird man gebührenden Respekt zollen, nur dürfen sie nicht erwarten, dass man ihretwegen das Vieh des Dorfes schlachtet oder ärmere Leute aus ihren Kammern jagt. Allerdings soll nicht einmal Baron Ontho in jüngeren Jahren so etwas je gefordert haben.

Herbergen und Schänken

Gleich neben dem Tempelturm Travias steht das stattliche Fachwerkhaus der „Badilikanerstube“. Durch das Bierkrugschild über der Tür ist es sofort als Gasthaus kenntlich, aber ohnehin wird einen jeder in einem Umkreis von fünf oder zehn Meilen hierhin verweisen. Ganz stolz zeigte man mir übrigens den Kosch-Kurier Nr. 12, in dem das Gasthaus unter der Rubrik „Schänken des Kosch“ schon einmal beschrieben worden ist. Im Vorraum begrüßt einen Travia selbst! – sehr lebendig aus Roteschenholz geschnitzt, in der Tracht einer Koscher Wirtin aus älteren Tagen und mit einem Beutel in der einen Hand. Mit der anderen winkt sie den Gast einladend herein.

Pflöcke in der Wand und hölzerne Ständer nehmen Mäntel und Waffen auf. Auch klobiger Reitstiefel oder schmutziger Schuhe kann man sich hier entledigen und stattdessen in bereitstehende Strohpantoffeln schlüpfen. (Nasses Zeug kann auch getrocknet werden.) Im hinteren Teil des Hauses liegen die Küche und einige weitere Räume, zur eigentlichen Schankstube geht es eine breite Holztreppe hinauf. Der Wirtsraum gleicht der Stube eines großen Freibauernhofes: einfach, aber keineswegs ärmlich. Zwei große und zwei kleinere Tische stehen für die Gäste bereit, die hölzernen Bänke und Stühle sind überraschend bequem. Mobiliar und Wände sind mit Motiven bäuerlicher Frömmigkeit verziert. Ein erschöpfter Gast wird bedient, jeder andere kann sich von den Badilakanern am langen Tresen holen, was er möchte – das Angebot verkündet eine an die Wand gemalte, bebilderte Liste. Nur bei wenigen der einfachen Gerichte (etwa bei Fisch) wird man je zu hören bekommen, das sei „leider gerade aus“. Preise findet man nirgends. Die Küche ist, außer in den tiefsten Nachtstunden, ständig in Betrieb. Essen wie Bier wird durch eine Art Kamin aus dem Erdgeschoss heraufgezogen, was nicht auskühlen soll, halten der große Ofen und heiße Steine warm. Ist man satt und will zahlen, wird man freundlich an „Mutter Travia“ verwiesen. Tatsächlich streckt die Statue unten dem, der das Haus verlassen will, nun die Hand mit dem Beutel entgegen. Dieser ist ein echter „Klimperbeutel“ aus Tuch, wie er auch nach Messen für Spenden herumgereicht wird. Und seltsam: Ganz selbstverständlich greift man nach der Börse und wirft einen Betrag in den Beutel, wie man ihn auch sonst in einem guten Wirtshaus gezahlt hätte, vielleicht mit noch etwas mehr Trinkgeld dazu. Dabei wirkt die Geste gar nicht drängend. Eher scheint Mutter Travia freundlich zu fragen: „Hat es dir geschmeckt?“ – „Ja, danke!“, antwortet man fröhlich im Geiste und zückt das Geld.

Ein ärmerer Wanderer, der mit mir geschmaust hatte, warf dagegen nur einen Heller hinein, obwohl er nicht weniger zufrieden wirkte, und eine andere Tischgenossin sah ich später, wie sie ganz munter beim Abspülen half. Eine Badilakanerin, die ich danach fragte, lachte und meinte: „Tja, die Mutter weiß halt schon, was einer geben kann!“ Das Gasthaus heißt übrigens wirklich „Badili-“, nicht „Badilakanerstube“. Wie auch die Badilakaner selbst hier überall die „Badilikaner“ sind.

Handel und Spezialitäten

Auch in Fünfbrunnen gibt es einen Markt, allerdings am Windstag. Das Angebot ist ähnlich wie in Uztrutz, wenn auch mehr aus Bauerngärten feilgeboten wird. Wer „Arzcorner Bienengold“ nur probieren, nicht damit Handel treiben will, kann hier kleine Mengen recht günstig erstehen.

Tempel und Heilige Orte

Den trutzigen Traviatempel habe ich bereits erwähnt. Außer der Badilikanerstube gehören zu ihm noch Unterkünfte für Menschen, die nicht mehr arbeiten können und um die sich sonst niemand kümmert. Früher waren das vor allem alte Mägde und Knechte, die im armen Schetzeneck keiner mehr durchfüttern wollte. Inzwischen verschlägt es aber auch Jüngere hierher, die in Kämpfen im Osten oder vom Alagrimm versehrt worden sind.

Feste und Gedenktage

In Fünfbrunnen begeht man vor allem die ländlichen Festtage und die der Travia.

Aus der Historie

Ort und Tempel gehen auf die Dunklen Zeiten lange vor Bosparans Fall zurück. Die Badilakaner gründeten ihre Niederlassung jedoch erst in der Kaiserlosen Zeit, um den von Raubrittern und Kriegsherren bedrängten Schetzeneckern zu helfen.

Was sonst anzumerken ist

Fünfbrunnen spielt auch in dem Wilbur-Sumspflog-Schwank „Geküsst und ungeküsst“ eine Rolle, nachzulesen im KOSCH- KURIER Nr. 40.

Hibernatius Flock