„Frohes Singen, lust’ges Jauchzen“

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Ausgabe Nummer 8 - Efferd 1016 BF

„Frohes Singen, lust’ges Jauchzen“

Hochzeit des Angbarer Vogtes erstes Fest seit langem

Ein Bericht aus der Capitale

„Mein Bruder, nun bin ich in Angbar und will Dir berichten, was ich hier erlebt habe: Wer meint noch, die Koscher hätten das Feiern verlernt in den schlimmen Zeiten von Answin und Orkeinfällen? Dergleichen ward nicht zu spüren, als ganz Angbar am dritten Tage der Travia eine besondere Eheschließung feierte. Denn überall schmückten bunte Wimpel die Straßen, zierten farbenfrohe Bänder die Giebel der Häuser und allenthalben war's wie Musik, die durch die Gassen schallte. Und fürwahr — es gab da mehr und viel mehr Spielleute denn sonst in den Mauern der Eberstammer Hauptstadt, wie man mir versicherte. Gar mancher fliegende Händler nutzte die Gunst der Stunde und errichtete seinen Strand inmitten des ausgelassenen Menschenstroms, der sich durch die Straßen der Stadt schob. Menschen aus allen Teilen der Provinz: bärbeißige Schetzenecker, flachshaarige Ferdoker, stämmige und wehrhafte Wengenholmer und feingekleidete Männer und Frauen aus der Grafschaft Angbarer See; die alle waren gekommen, das ungewöhnliche Brautpaar zu schauen, auf dem Ratsplatze vor dem ehrwürdigen Stadthaus:

Die traten nun endlich auf den Balkon des Ratshauses, der Vogt von Angbar, Eberwulf zu Stippwitz, und die Tochter des Reichs-Truchsessen, Praiodane von Hirschfurten. Staunend bog die Menge ihre Köpfe empor zu dem Balkon, wo der siebzigjährige Bräutigam nun die Hand zu verhaltenem Winken erhob, worauf die Menge endlich jubelte und pfiff und rief. Die Braut hingegen beobachtete die Menschen mit kühler Miene. Sie ist gewiß keine Schönheit, trotz ihrer Jugend, doch eine gute Partie, als Tochter des Truchsessen Ungolf von Hirschfurten! Der nun trat neben seine Tochter und setzte zu einer Rede an, die allerdings im Rufen der Menge unterging. Ich vernahm jedoch einige Wortfetzen, da ich auf halber Höhe der Freitreppe, den hohen Gästen und dem Brautpaare sehr nahe stand und mehr als nur die ausladenden Gesten des Truchsessen gewahren konnte: „.. und so möge die gütige Frauen Travia allzeit ihre schützende Hand über das Paar halten ... wünsche ich meiner Tochter, daß sie an der Seite des tapferen Vogtes von Angbar in dieser stolzen Stadt ... Wacker die Angbarer! Treu dem Reichsbehüter! Hoch das Reich! Gelobt seien die Zwölfe, Praios vor! Heilig!“

Rechterhand des Vogtes hatte sich der hohe Fürst des Kosch, Blasius vom Eberstamm, in ritterlichem Paradecyraß aufgebaut und winkte nun seinerseits seinen Koschern zu. Er hatte zu dem Fest zu Ehren des Traviabundes einen Großen Markt aufschlagen lassen, dem Willen und Wohl der Angbarer zuliebe. Doch der Truchseß und der Fürst waren wohl nicht die einzigen hohen Gäste dieses Tages, denn ich konnte noch das gepuderte Gesicht des Grafen Orsino von Falkenhag und Angbarer See ausmachen, des Reiches Groß-Siegelbewahrer, den man hier im Kosch — wie ich vernahm — nur selten zu sehen bekommt, da er sich lieber am Hofe zu Gareth aufhält. Auch erspäht ich die kleine Gestalt des Ferdoker Grafen Growin, der ein Zwerg ist und darob mit dem Helme kaum über die Brüstung des Balkons reicht.

Am Abend frug ich die Leute, warum sie denn so laut gejubelt hätten und ob denn der Vogt Eberwulf ein beliebter und gütiger Mann wäre. Doch bekam ich zu hören, der Vogt sei ein knauseriger Krämer, der zwar die Stadt eisern verwalte und den Handel und das Gold hierher holt, wie es kein anderer vermag, doch auf die Bürger und Handwerker wenig Rücksicht nimmt. Dieses Mal aber hat er die Kornspeicher und sein Säckel weit geöffnet, hat für Licht und Musik in den Gassen gesorgt, hat viele Zugezogene noch vor Jahr und Tag zu Städtern gemacht und noch hier und da öffentlich große Almosen gegeben, weshalb man überdies einmal zu jubeln Grund hätte. Außerdem munkelt man, daß die junge Frau den alten Vogt wohl arg beanspruchen müßte und ihn schneller dazu brächte, abzutreten, wegen der Anstrengungen ... Was nun damit gemeint war, wollte mir der Angbarer nicht sagen, doch ich kann's mir wohl denken.

Nun machte ich mich auch daran, die dargebotenen Köstlichkeiten und vor allem das reichlich vorhandene Freibier auf dem Ratsplatze zu genießen und gedachte nicht mehr der mißtrauischen Worte, die ich vormals eingeholt. Am nächsten Tage — noch benebelt von den wirren Geistern des Alkohols, mit schwerem Kopf und Stechen in den Schläfen — wurde ich unsanft geweckt, von Gardisten im Wappenrock der Reichsstadt. Ich hatte im Rinnstein genächtigt, ohne dessen im Trunke gewahr zu werden, so daß ich nun herangeholt wurde, die Reste des Festes zu beseitigen. Außer mir wurden noch viele andere traurige Gestalten zusammengebüttelt. Als ich nun die Stufen der Freitreppe mit einem trockenen Reisigbesen kehrte, trat vor mich ein schmales, altersgebeugtes Männlein in edler schwarzer Händlerkleidung, auf einen Schwarzholzstock mit goldenem Knauf gestützt: der Vogt Eberwulf daselbst! Und mit ungebrochener Stimme schimpfte der Alte und trieb mich zu schnellerem Arbeiten an, daß mir die Ohren sausten und die Finger vom Kehren schmerzten. Fürwahr, er ist kein rechter Menschenfreund, der Vogt von Angbar, doch reich und schlau und willensstark. Hüte Dich also, ihm unter die Augen zu geraten, solltest Du Deine Schritte einmal nach Angbar lenken wollen. Travia behüte Dich.“

Brieflicher Bericht des Zinngießers Melchio aus Lutrun in Bragahn an seinen Bruder

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Zur Vermählung die besten Wünsche, den Segen

der Frau Travia allzeit obendrein

Es gratulieren

Gobrom zu Stippwitz & Familie

sowie sämtliche Geschäftspartner, Handelsgehilfen und Dienstknechte der Brakem-Südmeerkompagnie