Unter Schurken - Der Stollen

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Hinterkosch, 1021

Aber Gorbosch kehrte zurück. Und er hatte den Eingang des Stollens entdeckt:
“Nicht weit von hier, dort, beim Überhang, der wie ein Ziegenkopf aussieht“, berichte der neue Kamerad den Gefährten.
“Wie der olle Graphiel? Na, woll’n wir uns das mal ansehen.“
Ritter Falk machte Anstalten, voranzustürmen, aber die anderen hielten ihn zurück.
“Was ist mit Wächtern?“ fragte Wolfhardt den Zwergen. Der zuckte die Schultern.
“Ich habe keine gesehen, aber ich bin mir sicher, daß darinnen jemand haust. Meine Augen sind zwar nicht mehr so gut wie noch vor dreißig Jahren, aber daß da noch in diesem Götterlauf Steine verrückt wurden, ist so sicher, wie daß wir den Hauptvortrieb eines Eisenerztagewerks vor uns haben. Und Fußspuren sind drumherum zu Hauf zu finden.“
“Aber warum ist dann kein Wächter da? Das paßt doch nicht zusammen“, meinte Rena, dem verblüfften Siebentaler keine Beachtung schenkend.
Praiosnochmal, da muß doch Hexerei im Spiel sein, wenn selbst Steine verrückt werden. Deshalb also haben wir den Schurken nicht erkannt…“, murmelte der Ritter, ohne daß einer der anderen an seiner Erkenntnis teilhatte.
“Laßt uns das noch einmal ansehen“, bestimmte Rena.
“Würdet Ihr uns zum Eingang führen, Meister Gorbosch?“
Der Angroscho verbeugte sich knapp, aber würdevoll.
“Zu Euren Diensten. Dann folgt mir.“
Er schulterte seine Axt und stapfte davon. Nach etwa hundertfünfzig Schritt bedeutete er den Menschen, erneut Deckung zu nehmen – diesmal in einer Kuhle.
“Dort!“
Es war, wie er gesagt hatte: in der steilen Felswand, tat sich unweit des Ziegenkopfes eine etwa zwei Schritt hohe und drei Schritt breite, annähernd rechteckige Öffnung auf, die auch die Menschen sofort als Stolleneingang erkannten. Aber außer einigen Fußspuren in der Nähe deutete nichts auf die Bewohner hin, auch wenn Gorbosch versicherte, die Felsbrocken im Eingangs seien gewiß erst in jüngster Zeit beiseite geräumt worden. Wie sehr sich die Gefährten auch anstrengten und die Umgebung absuchten, wie sehr sie auch lauschten, ein Wächter war nicht zu entdecken.
“Der Vogel fühlt sich zu sicher, oder er ist bereits ausgerückt, wie damals zu Albumin“, meinte Wolfhardt.
“Ja, den Raben hab’ ich auch schon lange nicht mehr gehört“, wollte Falk ihm zustimmen, als neben ihm Wolfhardt mit einem kurzen “Na, dann woll’n wir mal“ auf den Lippen das Schwert aus der Scheide zog und die schützende Kuhle verließ.
Merwerd Stoia sah, wie es erst Falk, dann Rena dem Wiesner gleichtat und sie zum Eingang liefen, leicht unbeholfen im Schnee, der in weißen Flocken hinter ihnen aufstob, die Schwerter gezückt und rondragefälligen Mutes beseelt. Er sah, wie Falk mit einem erstaunten Gurgeln in vollem Lauf hintüber fiel, der Wiesner plötzlich von einem Bolzen in den Arm getroffen wurde, wankte. Mit einem spitzen Schrei sprang Rena ihm zur Hilfe, da ereilte sie selbst ein Geschoß. Fassungslos, mit einem Ausdruck unenendlicher Verzweifelung sah Wolfhardt, wie die Ritterin blutüberströmten Kopf zu Boden ging, spürte nicht, wie ihm ein zweiter Bolzen das Bein zerschmetterte und ein dritter in die Brust fuhr, hörte nicht, daß das Rauschen von Golgaris Schwingen auch ihm galt, schrie nur, weil der Todesvogel die Arbasierin nicht hinwegtragen durfte, nicht sie...