Der Ruf des Friedwanger Raben 1032 BF: Teil 3

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Texte der Hauptreihe:
K1. Prolog
K2. Teil 1
K3. Teil 2
K4. Teil 3
K5. Teil 4
K6. Teil 5
K7. Teil 6
K8. Teil 7
K9. Teil 8
K10. Teil 9
K11. Teil 10
K12. Teil 11
K13. Teil 12
K14. Teil 13
K15. Teil 14
K16. Teil 15
K17. Teil 16
K18. Teil 17
K19. Teil 18
K20. Teil 19
K21. Teil 20
K22. Teil 21
K23. Teil 22
K24. Teil 23
K25. Teil 24
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Briefspielgeschichte der Golgariten

Wildermark/Senkenthal, Anfang Praios 1032 BF

Kein Zweifel, da draußen stampften Pferde. Freudig erstaunt sprang Bishdarielon auf, öffnete die Tür - und blinzelte ins goldene Praioslicht, das ihm jetzt, zur Ingerimmstunde, fast genau in die Augen schien. Er beschirmte seinen Blick mit der rechten Hand und sah die Schemen mehrerer Reiter, hörte Rösser schnauben und Waffen klirren. Es war mindestens ein Dutzend Schwerbewaffneter, das sagte ihm bereits sein in einigen Schlachten erprobter Kriegerinstinkt. Ihm schlug das Herz höher. Sie haben mir mehr Kämpfer geschickt, als ich erwartet hätte, dachte er – dem Schweigsamen sei Dank!

"Werte Brüder und Schwestern in Boron, ich freue mich, dass...." Ein raues, kratziges Lachen. "Halt den Schnabel, Pissdarielon." Ein schwarzgefiederter Klumpen pflatschte ihm, beiläufig von einem der Reiter geworfen, vor die Füße. Es war Oswins Auge, das ihn leblos und glasig anstarrte, ein Armbrustbolzen hatte den Raben glatt durchschlagen. Bishdarielon spürte, wie er innerlich vereiste, fast reflexartig in die Knie sank. Er hatte gute Freunde neben sich sterben sehen - und, verdammt, seine geliebte Frau - ohne eine Träne zu vergießen. Boron, er wunderte sich selbst, warum ihm ausgerechnet der Tod eines Tieres das Feuchte in den Augen hochsteigen ließ.

Krähen krächzten heiser in der Luft. Eine finstere, unheilschwangere Wolke zog vor Praios' Schild. Die Schemen verwandelten sich erst in Schatten und dann in dreizehn berittene Krieger, mit schwarzen Umhängen, in dunkel glänzenden, mit Schreckfratzen und Schädeln verunzierten Rüstungen. Einige hielten Armbrüste auf ihn gerichtet. Oswins Mörder trug einen mit schwarzem Rossschweif geschmückten Helm, dessen Visier als Totenkopf gestaltet war und sein narbiges Gesicht halb verdeckte. "Es stimmt, was man sagt", grinste dessen Nebenfrau, eine kleine, blasse Söldnerin im speckigen Lederkurbul, die auf fast schon wieder abscheuerregende Weise gewöhnlich wirkte - ein Mensch ohne sofort erkennbare Eigenschaften oder hervorstechende Merkmale, ein Allerweltsgesicht unter einer mit Kettenzeug verstärkten Beckenhaube - auch wenn sicherlich nicht jeder Aventurier mit einem Gürtel aus Schrumpfköpfen, mit einem schweren Streitkolben darin, und einer Armbrust im Anschlag herumritt. Die Pferde schnaubten und scharrten aufgeregt mit den Hufen. Der geweihte Grund und Boden schien ihnen nicht recht zu behagen, ebenso wenig wie ihren Reitern. Das Blesshuhn, wie Bishdarielon die Unscheinbare taufte, verfiel in Schweigen. Hinter ihr stiegen die Krähen auf, ein schwarzer Schwarm wie aus den Abgründen der Niederhöllen, verdunkelten die Sonne zusätzlich - ein apokalyptisches Bild. "Was sagt man denn?" verkündete der Schädelhelm, und verrieb etwas Rabenblut auf seinen behandschuhten Fingern. Es klang drohend und ungeduldig, was nicht nur dem Friedhofswächter galt. "Dass dieser Golgarit ein Schwachkopf ist", fügte das Blesshuhn hastig hinzu, wie eine Schülerin, die mit ihrer Antwort einen Lehrmeister zufrieden stellen wollte. Sie lachte, es klang tatsächlich gackernd. "Ein Narr, der sich um sein rechtmäßiges Erbe hat prellen lassen..." "Ist er das?" Der Anführer gab seinem schwarzen Rappen die Sporen, das Streitross stampfte vor, zertrat beiläufig den Rabenkadaver. Bishdarielon stand auf, er wollte nicht vor seinen Feinden knien - die ganz offensichtlich k e i n e Golgariten waren. Der Friedwanger griff zum Schwert, wägte seine Chancen ab. Mit etwas Glück könnte er sich in der Hütte verbarrikadieren, aber dazu musste er schnell sein. Und dann? Erst jetzt sah er, dass einige der Dunkelreiter Fackeln entzündeten, als hätten sie ihm eben seine Gedanken von der Stirn gelesen. Bishdarielon schwitzte. Dreizehn zu eins - die Wehrheimer Zahlen hatte er schon mal nicht auf seiner Seite. Trotzdem stellte er sich breitbeinig hin, Brust raus, das Kinn gereckt. Vor Oswins Mördern würde er keine Schwäche oder gar Feigheit zeigen. Eine der Nachteile im Leben eines privilegierten, adeligen Kriegers war nun mal, dass man damit rechnen musste, von einem Herzschlag zum nächsten am trostlosen Ufer des Nirgendmeers zu stehen. "Er hat Graumade getötet", sagte die Schädelfratze und parierte das wie ein Untier schnaubende Pferd. Die kalten Wolfsaugen musterten ihn durch die silbrig umrandeten Sehschlitze des Helms, abschätzig, aber auch ein klein wenig respektvoll. "Er ist g u t." Bishdarielon grinste kühl zurück. Ob dieser Skelettkrieger den kleinen Novaditrick kannte, den er weiland im Khomkrieg gelernt hatte? Wie man ein Schlachtross mit einem einzigen Griff zu Fall bringt und seinem darunter eingeklemmten Reiter die Klinge an die Kehle hält (oder blitzschnell hinein jagt)? Ob es die Warunker - mit tödlicher Sicherheit handelte es sich bei den ungebetenen Gästen um Schergen des Nekromantenrats - überhaupt scheren würde, wenn er ihren Befehliger als Geißel nahm? Sie sahen nicht so aus. "Grütze", sagte Bishdarielon. Ein fragender Blick durch den Totenkopf hindurch. "Ich habe noch Brei auf dem Feuer. Habt Ihr schon gefrühstückt? Darpatien ist ein gastfreundliches Land, Herr...." Ein frostiges Lachen. "Ssssidion" zischte es unter dem Helm. "Wir haben bereits gespeist, danke", knurrte er eisig hinterher. "Also gut, Sidion Schädelhelm. Nachdem ihr nicht einfach nur auf der Durchreise seid...wärd Ihr so freundlich, mir den Grund Eurer Anwesenheit zu erläutern? Und würdet Ihr bitte Euer Pferd von meinem Raben herunterlenken, der mir nicht nur überaus wertvoll, sondern h e i l i g war." Bishdarielons Griff um Jasperion wurde fester. Ihm war nicht entgangen, dass dieser Sidion sich gerade im Schussfeld der meisten Armbruster befand, er selbst also für den Moment ganz gut gedeckt war. Vielleicht sollte er versuchen, den Warunker vom Gaul zu ziehen und sich mit ihm in der Hütte verschanzen? Es war riskant, aber einen Versuch wert. Das Schwert des Anführers hing noch an der Seite, er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. "Wer hätte gedacht, dass so ein kleines mieses Golgaritendreckschwein im Angesicht des Todes zu Scherzen aufgelegt ist. Die Krähen haben heute noch nicht gefressen, wenn du es genau wissen willst". Noch ehe Bishdarielon seinen Entschluss in die Tat umsetzen konnte, lenkte Sidion das Pferd zur Seite, auf ein altes Grab, ließ es ein morsches Boronsrad umtreten und die Begräbnisstätte zertrampeln. Bishdarielon blickte jetzt wieder in ein halbes Dutzend Pfeilspitzen. Er war noch immer völlig überrumpelt. Orkscher Anfängerfehler. ...Wie hatte er sich nur derart vorführen lassen können? Das Leben auf einem Friedhof schläferte einen eben früher oder später ein. "Sie werden als erstes deine Augen heraus picken ..." kicherte das Blesshuhn. "Ich meine, wir reden hier natürlich von lebend fressen...Würde sagen, wir nageln ihn an die Tür seiner Hütte, Hauptmann, und dann..." "Halt's Maul, Sigrid", sagte der Schädelhelm roh und spuckte - nein, rotzte widerwärtig auf das Grab. "Halt einfach dein dummes Mundwerk. Die Befehle des Meisters sind eindeutig. Eine Rotte der unseren wurde von diesem Aas da ausgelöscht, also brechen wir jetzt eine ihrer Schwingen. Bishdarielon war so freundlich, auf Burg Mersingen um Verstärkung zu betteln. Ich nehme an, diese Narren sind bereits auf dem Weg hierher." Bishdarielon runzelte die Stirn. Langsam dämmerte ihm was. Der Warunker sprach vermutlich von einer Rotte Paktierer, die ihm einmal im Schratenwald, in der alten Karrermühle am Jargel, aufgelauert hatten. Jener Sägemühle, wo damals, im Jahr des Feuers, gefangene Baronssoldaten von den Warunkern zersägt worden waren...Auf Befehl Merwans, dieses namenlosen Blutsaugers, der sich damals als Herr des Landes aufgespielt hatte, als Statthalter des ewig verfaulenden Drachen. Ritsch ratsch, ritsch ratsch. Warte, warte nur ein Weilchen, bis Merwans Messer kommt zu dir .... und die Säge, die hat Zähne, hat sie nicht allein zur Zier. Ritsch ratsch, ritsch ratsch. Alveranorkschundzwirn, warum sägte ausgerechnet jetzt die Melodie dieser friedwanger Moritat an seinen Nerven? Er musste sich konzentrieren. ..Graumade.. .ja, das war der Geliebte der Anführerin einer Horde Paktierer gewesen, abtrünnige Golgariten vermutlich, die ihn seinerzeit in den Pfuhl hatten werfen wollen, einem stinkenden, blubbernden Sumpfloch an der Ruine der Karrermühle.. ..Weil er Graumade im Zweikampf getötet hatte...Diesen Boronsfrevler. ..Lucarda, so hatte das Weibstück geheißen...er konnte sich nur zu gut an ihr Dämonenmal erinnern - Pupillen in der Form von Stundengläsern, als Verhöhnung von Borons Geschenk der Vergänglichkeit...Im letztem Moment hatten ihn Gernots Leute aus den Klauen der Paktierer gerettet, bei Nacht und Nebel....Gernot, ausgerechnet der. Nur um dann zu versuchen, ihn auf Burg Friedstein mit seiner schändlichen Tochter, "Baronin" Oleana zwangszuverehelichen. Nein. Dann sich schon lieber mit dem Abschaum der Dunklen Herrin am "Pfuhl" herumbalgen.

Die Luft war nun erfüllt von dem Geflatter und dem Kreischen der Krähen, die immer wieder Kotbatzen wie Wurfgeschosse auf den Gräbern landen ließen. Von dem Rabenweibchen war nichts zu sehen, vermutlich - hoffentlich - war sie vor der Übermacht geflohen.... Es stank süßlich, nach Blut und Verwesung... "Du solltest uns dankbar sein, kleiner Golgarit. Wir haben deinen Boten beschützt, den Bauerntölpel wie einen Schatten begleitet. Sonst wäre er nicht unbehelligt in die Rabenmark gelangt...." Sidion lachte leise auf. "Ich meine...wir brauchen schließlich kostbare Opfer, für ein machtvolles Insanctuarium im Rücken unserer Feinde." "Sie werden sich von euch niemals in den Pfuhl werfen lassen, bei Borons Gnade!" "Wer spricht von diesem armseligen Morast im Wald, du Schwätzer?" Sidion ließ seinen Blick über den Friedhof gleiten. Die unruhigen Schatten der Krähen huschten umher - oder waren es Thargunitoths Vögel selbst? "DAS hier ist ein würdigerer Ort, der Herrin der Heulenden Finsternis zum Wohlgefallen", verkündete Sidion mit feierlicher Stimme. "Hier ruht eine Legion der Toten, die sich schon bald erheben wird, IHR zu Ehren". Er hob beschwörend die Rechte zum verdüsterten Himmel, als wolle er die Leichen solcherart aus den Grüften ziehen. "So aus der Nähe betrachtet, muss ich sagen - ja, die Ecke hat was. Hier weht ein Hauch von Todesliebe...und...und. .." Sidions Finger bewegten sich etwas, während er nach lyrischen Worten suchte. "Lebensverachtung. Wenn wir jetzt noch das Rabennest dort entweihen, dann lässt es sich für Rhazzazors Brut aushalten. Nicht wahr, meine Kinder? Der Sensenmann wird überaus zufrieden mit uns sein..." Bisdarielon lachte - es klang selbst für ihn hohl. "Schaut doch mal in den Spiegel, ihr traurigen Gestalten. Selbst wenn sie nur eine Handvoll Golgariten schicken, werden die spielend mit euch boronsverfluchten Frevlern fertig..." Die Wolke vor der Sonne zog wie zur Bestätigung weiter, es wurde wieder heller. "Sei unbesorgt: Wir sind nur die Vorhut größerer Ereignisse, Bishdarielon". Ein Totenschädelgrinsen. "Ich möchte wetten, dass deine Betbrüder keinen blassen Schimmer haben, wie der schöne Alrik, pardon, Bishdarielon überhaupt aussieht. Die fragen sich vermutlich gerade verzweifelt, wo Senkenthal liegt." Sidion legte sich die Hand ans Kinn, starrte in die Luft, seufzte theatralisch. "Aber du hast recht. Ein Plan, ich brauche einen Plan. Ah, ich hab's..."" Ein prüfender Blick über die Reihen seiner Kämpfer hinweg. "Ulfrik, du siehst ihm am ähnlichsten. Außerdem bist du noch nicht von der Dunklen Herrin gesegnet, kannst also den Schrein dort betreten. Du wirst in seine Rolle schlüpfen und den Feind in einen Hinterhalt locken. Ich werde dir noch sagen wie. Ja...ja...Ulfrik wird Alrik...das gefällt mir...Wie das mit Sidion Schädelhelm. Danke, Alrik...ich werde diesen Namen behalten.... Und jetzt macht ihn kalt..." Die Armbrüste ruckten hoch. "Nicht so, ihr Trottel. Ulfrik braucht seine Klamotten ohne blutige Löcher drin." Der Friedwanger zog das Schwert, aber nur einige Fingerbreit - so dass der Stahl in der Sonne glühte. Dies, und ein schriller Piff ließ die Pferde steigen. Fluchend versuchten die Warunker ihre Rösser wieder zu bändigen. Bishdarielon glitt grinsend durch die Tür, warf sie hinter sich zu, schob den Riegel vor. Noch ein Trick aus Al´Anfaner Zeiten. Dann keuchte er selbst, als zwei, drei Bolzenspitzen durch die Holzbretter der Tür drangen und ihm böse ins Gesicht starrten. Er warf sich zur Seite, an die Mauer. Marbon flatterte auf seiner Sitzstange matt mit den Flügeln. "Keine Angst...mit denen werde ich fertig" knurrte Bishdarielon, mehr um sich selbst zu ermuntern. Er kippte den Tisch gegen die Tür, um sie zu verkeilen, ohne auf die Breischale zu achten, die auf dem Boden zerbrach. Das Bett folgte quer. Dann schloss er die kleinen Fensterläden. Durch winzige Lichtlöcher flutete noch etwas Praiosschein herein, tauchte zusammen mit der Glut des Feuers die Kammer in ein fast schon gemütliches Halbdunkel. Bishdarielon atmete erstmal durch. Draußen beruhigten sich die Reittiere langsam wieder, nur das Geschrei der Krähen war noch zu hören... "Komm raus", brüllte Sidion. "Oder wir zünden dir die Bude an..." Macht mal, dachte Bishdarielon. Und erklärt die rauchende Ruine dann meinen Ordensgefährten. ...Oder den Senkenthalern, die in einigen Meilen Entfernung die Rauchsäule ebenfalls sehen würden... "Hast du kein besseres Angebot?" Der Edle von Senkenthal lachte. Aus irgendeinem wahnwitzigen Grund gefielen ihm solche aussichtslosen Situationen. Er saß hier wirklich in der Falle....Oder? Er wechselte zur basaltenen Steinmauer des Boronschreins, an dem die Hütte direkt anschloss. Viele der Warunker schienen Paktierer zu sein, wenn er die Worte des Schädelhelms richtig gedeutet hatte. Das bedeutete, dass er auf geweihtem Grund sicher sein würde, zumindest die Zahl der Gegner, mit denen er sich herumschlagen musste, schlagartig vermindern konnte. Abgesehen davon, dass Basalt und Ziegel nicht so gut brannten wie Stroh und Fachwerk. Seine Finger tasteten über das Mauerwerk. In der Breite sicher massiv, aber schon etwas bröckelig in den Fugen - kein Wunder nach all den Jahrhunderten. Mit Hilfe der unsterblichen Zwölfe musste ein Durchbruch zu schaffen sein...vorausgesetzt, der Schweigsame duldete es, dass er hier eines seiner Heiligtümer demolierte.. Er öffnete den Schrank, in dem sich das Werkzeug des Totengräbers befand: Außer Schaufel und Stricken auch ein wunderbarer, schwerer Pickel..."Verzeih, Boron", rief er, holte mit der Spitzhacke weit aus und trieb sie wuchtig in das Mauerwerk. Die Steine dröhnten, Splitterchen und Staub schwirrten umher. Er hatte ein gutes Gefühl, das musste zu schaffen sein...Hämmern, Klirren, Bröckeln...Seufzend und ächzend hieb er auf die Wand ein, als stünden dort die Todfeinde des Herrn...Ein Knarren von oben...Bishdarielon blickte besorgt zur Decke. War er gerade dabei, alles zum Einsturz zu bringen?

Wie schwere Säcke brachen zwei der Warunker durch das Strohdach, stürzten sich ohne Umschweife auf ihn. Pech, dachte Bishdarielon, mit Hacken als Waffen kenne ich mich aus. Ein bärtiger Bursche im wattierten Waffenrock, strohbedeckt, versuchte ihm einen Fausthieb zu verpassen- und hielt inne, als der Golgarit mit bösem Lächeln sein Mordwerkzeug hob. "Soll ich dir etwas sagen?" Der Stahl sauste ohne Vorwarnung durch die Luft. Die Spitzhacke zerknackte den Schädel des Warunkers wie eine Nuss. Der Mann schrie, brach in die Knie. "Du hast da einen Pickel im Gesicht" brüllte Bishdarielon, drehte die dunkel bespritzte Waffe heraus, trat den zuckenden Körper beiseite. Die zweite Angreiferin, die sich offenbar beim Sprung den Knöchel verstaucht hatte und hinkte, war so schlau, ihren Säbel zu ziehen. Wütend griff die blonde Walküre an, in den hereinflutenden Lichtstrahlen sah sie wie eine Rachedämonin aus. Bishdarielon parierte, wich einen Schritt zurück, hieb gegen ihren Plattenpanzer. Funkensprühend prallte die Hacke ab. Die Warunkerin, die nun nicht mehr lahmte, stieß erneut zu, der Adelige wehrte über Kopf ab, drehte die Hacke, deren Zacken sich nun mit der Klinge verhakte. Ein scharrender Ruck, und die Söldnerin war entwaffnet. Der Gegenhieb galt ihrer Stirn. Zu hoch! Bishdarielon fluchte, als der Pickel in einem der Dachbalken stecken blieb. Die Blonde sprang an den Nachbarbalken, hielt sich beidhändig daran fest, nahm Schwung, trat ihm mit voller Wucht gegen den Brustkorb. Mit Sternchen vor Augen und nach Luft ringend ging der Edle zu Boden, wälzte sich schreiend durch das heruntergebrannte, aber noch immer glühendheiße Feuer. Dann war die Dämonenbraut auch schon über ihm, eine Hand an seiner Kehle, mit der anderen den Dolch gezückt. Er versuchte den Waffenarm zurück zu drücken, vergeblich - das Korsweib, dessen rechtes Auge eine Klappe zierte, war grausam kräftig. Wie ein Verhängnis näherte sich der nadelspitze Dolch seiner Kehle, bereit für den letzten Stoß. Dann war Marbon über ihr, zerkratzte ihr das Gesicht, hackte wütend mit dem Schnabel hinein. Die Angreiferin heulte auf, er stieß sie von sich, stand auf, zog blank - und sah, wie Marbon in einer Blutlache am Boden lag, vom Dolch durchbohrt. Der Rabe flatterte noch ein paar Mal schwach mit den Schwingen, dann lag er still.

Die Frau stand auf, wirkte leicht unsicher, das blutige Stilett, an dem eine einzelne schwarze Feder klebte, hielt sie in der Linken. Bishdarielon stieß mit dem Stiefel den Säbel in ihre Richtung. Zur Überraschung der Blonden lächelte er, wenn auch mit grimmigem sewerischem Frost auf den Lippen. "Du hast Marb getötet..." Es klang unangemessen nüchtern. „Das wirst du büßen.“ Das Weib hob, ängstlich in Bishdarielons Richtung blickend, ihre Waffe auf. Dann, wieder mutiger geworden, spuckte sie auf den toten Vogel. Ihr Gesicht war rot zerschrammt, ein Hieb hatte das linke Auge nur knapp verfehlt. "Wenn du dich beeilst, Golgarit, kannst du mit ihm zusammen über das Nirgendmeer fliegen..." Sie griff mit einem einzigen Satz an, stieß nach Bishdarielons Bauch, was sich als Finte entpuppte. Stahl klirrte gegen Stahl, als Jasperion sich dem Säbel in den Weg stellte, knapp über seinem Schädel. Heimtückisch stieß die Söldnern mit dem Dolch in der anderen Faust zu. Die Klinge zerriss die Tunika am Oberarm, ein heißer Schmerz zeigte an, dass er verwundet war. Bishdarielon schlug zurück, viel zu schnell, viel zu wütend. Die Bauernklinge zerschnitt nur die flimmernde Luft über der Feuerstelle. Wieselflink trotz ihrer schweren Rüstung wich die einäugige Warunkerin aus, tänzelte, spielte mit ihm. Sie war eine erprobte Kämpferin, kein Zweifel. "Ist das alles, was du kannst?" foppte sie ihn, bewegte mit spielerischer Eleganz ihre beiden Waffen durch die Luft, als wäre sie eine Säbeltänzerin. "Sieht so aus, als hättest du deine endgültige Meisterin gefunden..." "Unter den Blinden ist die Einäugige Königin, oder was?" Bishdarielon griff mit seiner Lieblingsattacke an, dem Friedwanger Steinbock: Scheinangriff, Gegenattacke ins Leere laufen lassen, Schräghieb von der Seite. Aber diese Kampfhenne wurde auch damit locker fertig, ließ Jasperion höhnisch lächelnd von ihrem Säbel abgleiten. Um Haaresbreite hätte ihn nun wieder das fauchende Stilett aufgeschlitzt. Bishdarielon zog sich zurück, stolperte über den Arm des erschlagenen Gefährten der Warunkerin. Er spürte, wie seine Kräfte nachließen, was eigentlich nicht sein durfte. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, die Hütte begann sich zu drehen, erst langsam, dann immer schneller. Stroh fiel auf seinen Kopf. Bei der himmlischen Leuin, der Schnitt am Arm schien tiefer gegangen zu sein, als...Ihm wurde schlecht...Er sackte zusammen, sah auf Knien, wie die Soldfrau näher kam, den Säbel locker erhoben, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. "Was ist? Gibst du schon auf?" Glockenhelles, demütigendes Gelächter: "Ist das etwa alles, was du kannst?" wiederholte sie sich. Er wollte etwas sagen, aber seine Zunge war so schwer wie ein Sack Blei. Sie stieß ihn, der vor ihr kniete wie ein unglücklicher Verehrer, kalt lächelnd auf den Rücken. "Ach so...das Gift auf meinem Dolch habe ich ganz vergessen... Wir sehen uns in den Niederhöllen, Golgarit..." Bishdarielon tastete stöhnend nach Jasperion, aber seine Glieder gehorchten ihm nicht mehr. Die Soldfrau steckte ihre Waffen weg und zog eine tönerne Okarina aus der Gürteltasche, stimmte eine klagende, an den Nerven zehrende Melodie an - einen Al´Anfaner Söldnerjammer, den er nur zu gut kannte: "Spiel mir das Lied von Uthars Pfeil..." Als wäre es ein Wiegenlied in den Tod, schwanden ihm bei diesen Klängen die Sinne.