Wolfsjagd zu Wengenholm - Ein unerwarteter Gast

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Angenburg, 1023

Ein Hornstoß schallte vom Burgtor herauf. Verwundert hielt der Graf in seiner Rede inne und meinte: „Wer mag das sein, der zu so später Stund’ und noch dazu bei diesem Efferdgruß auf Reisen ist? – Lucrann“, wandte er sich an den Rothaarigen, „geht Ihr und schaut, ob’s etwas Ernstes ist, warum der Türmer bläst.“

Der Ritter nickte und erhob sich, wobei sein schweres Kettenhemd ein leises Klirren von sich gab. Dann verließ er mit schwerem Schritt den Saal und ließ die Tür ins Schloß fallen. Der Graf blickte ihm nach und wandte sich dem Geistmärker zu: „Ein vielversprechender Mann, der junge Auersbrück; eigentlich sollte er bei meinem Herrn Vater – Boron hab’ ihn selig – in die Knappschaft gehen, doch die Götter wollten’s anders. So übernahm auf Wunsch der Gräfin Stolzenburg die Ausbildung – offenkundig eine kluge Wahl.“

„Wie Ihr meint“, erwiderte Baron Kordan ausweichend. „Nun, solch jungen Haudegen stehen ja noch alle Wege offen – wie unserm guten Globerich hier; er hat neulich erst das Erbe seines Vaters angetreten, und da er bislang wenig vom Kosch und der Welt gesehen hat, soll er sich in Euren Wäldern einmal seine Sporen verdienen. – Aber, Hochwohlgeboren, Ihr erwähntet eben Eure gute Frau Mutter; wird sie uns nicht Gesellschaft leisten? Es wäre mir eine Freude und Ehre, sie zu begrüßen.“ „Gewiß doch“, entgegnete Jallik, „sie wird wohl bald herunterkommen und mit uns zu Abend speisen. Habt noch ein wenig Geduld.“

„Nicht nötig, mein Sohn“, erklang da die Stimme der Altgräfin Ilma von Wengenholm, welche soeben den Saal betrat. Die Herren erhoben sich rasch von ihren Plätzen, um die hochwohlgeborenen Dame gebührend zu empfangen, allen voran der Baron von Geistmark. „Wie ich sehe, weilt der Stolzenburg noch ferne“, bemerkte sie nach einem Blick in die Runde. „Zu schade, er schuldet mir noch die Revanche im Kamelspiel.“

Und mit einem spielerischen Lächeln, das ihr gut zu Gesichte stand, wandte sie sich dem Geistmärker zu, dessen Miene sich eben merklich verfinstert hatte: „Nun, bester Kordan, seid doch so gut und reicht uns einen Becher Wein.“

Mit diesen Worten gesellte sich die Gräfin zu den Edelleuten, und es entspann sich bald ein höfliches Gespräch. Vor allem die letzten Neuigkeiten, die Seine Gnaden Lucardus aus der Fürstenstadt zu berichten hatte, waren den Wengenholmern willkommen; denn wenig spürte man hier im Norden vom Glanz der Thalessia und den Festen auf Schloß Grauensee.

Derweilen begann das Gesinde, die Speisen aufzutragen: dampfende Schüsseln mit Albuminer Allerley, zwei gebratene Fasanen in Garnelbeertunke, ein Spanferkel mit Bratäpfeln und Röstkastanien im gestopften Bauche; dazu Kohl, Klöße und frisch gebacknes Roggenbrot. Da trat auch Auersbrück wieder in den Saal und meldete einen weiteren Gast, einen unverhofften. „Wer ist es denn?“ fragte die Altgräfin mit gehobenen Brauen. Doch bevor sie die Antwort ihres Vasallen erhielt, drängte sich eine in Leder und Eisen gerüstete Gestalt herein und stolzierte auf Tafel und Anwesende zu: „Schönen guten Abend, Herr Graf und Frau Gräfin! Ich bin gekommen, um den Wolf zu fangen – und gerade rechtzeitig zum Vespern, wie es scheint.“ Der Hausherr räusperte sich verlegen, während der Fremde aus allen Falten seines Mantels den halben Angenstrom auf den Boden des Saales triefen ließ.

Geistesgegenwärtig kam ihm Frau Ilma zuvor: „Travias Gruß und willkommen in unserer Halle, werter Falk Barborn! Wir sind hoch erfreut, einen so weithin bekannten Rittersmann als unsern Gast begrüßen zu dürfen.“

„Da dank’ ich schön“, krächzte der Munkelsteiner etwas heiser. „War ja auch höchste Zeit, daß ich die Burg endlich gefunden habe. So gegossen hat’s nicht mehr, seit ein paar Strolche dem dicken Müller von Koschtal das Wehr geöffnet haben und alles in die Höhlen von den Hügelzwergen geprasselt ist, hehe.“

„Jetzt kann uns der Wolf ja gar nicht mehr entwischen“, brummte Baron Kordan und animierte damit den neuen Gast sogleich, eine treffliche Märe zum besten zu geben, wie er einmal auf seinem Hochsitz eingeschlafen und einem Wolf schier vor die Läufe gefallen sei. „Da haben wir aber beide Augen gemacht, hoho! Doch dann hab’ ich ihm...“ Das Ende des Satzes ging in einem fürchterlichen Donnerschlag unter, der den edlen Lucardus herumfahren und zum Fenster spähen ließ: „Herrin, zürnst du?“ murmelte er leise – aber den Ohren des kauzigen Ritters war’s nicht entgangen.

„Ich geb’s ja zu, ein bißchen anders ging die Geschichte schon, aber gleich Blitz und Donner?“ Da brach die Runde in herzliches Lachen aus, und der Graf reichte Falk Barborn einen großen Humpen, schaumgekrönt: „Hier, Ritter, bestes Bier nach Hügelländer Art. Das vertreibt den Schrecken.“ Da hoben auch die anderen Edlen die Krüge und prosteten ihren Gastgebern zu, wünschten dem Hause Wengenholm all’ Glück und Gedeihen und tranken auf eine gute und erfolgreiche Jagd. „Und nun wollen wir zugreifen – wer weiß, ob wir in den nächsten Tagen so behaglich speisen werden“, sprach der Graf und reichte seiner Frau Mutter das beste Stück vom Fasanen.