Wenn Roban eine Reise tut 5 - Unliebsames Erwachen

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Hügellande, 1034


Irgendwann gingen die Lichter wieder an.
Erst trübe, widerwillig, und so hell wie zuvor wurde es auch nicht mehr. Dann schob sich etwas in sein Blickfeld und trübte das Licht noch weiter.
Roban? Kannst du mich hören?“ drang eine Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm hindurch.
Roban schloß die Augen und versuchte sich zu erinnern. Bilder des ausgetragenen Kampfes schossen ihm durch den Kopf. Der Sturz! Er war an einer der Wurzeln hängen geblieben, gestürzt! Und vermutlich hatte dieser schwertschwingende Greis die gute Gelegenheit gleich genutzt, um ihm den Rest zu geben.
Na bravo! Jetzt war er auf einer harmlosen Reise krepiert statt auf dem Schlachtfeld. Rondra würde begeistert sein und ihn vermutlich Phex schenken – der hatte für derlei Humor mehr übrig.
Noch einmal öffnete er vorsichtig die Augen.
„Kannst du mich hören?“ fragte die Stimme erneut. Jetzt erkannte er zumindest eine Frauenstimme, und die Konturen eines rundlichen Gesichtes schälten sich aus dem Dunst vor seinem Blick.
„Ich hatte mir Walküren immer anders vorgestellt“, brachte er heraus. Die Frau wirkte ihm irgendwie zu…rundlich, zu wenig kriegerisch. Das Gesicht erinnerte mehr an eine etwas zu groß geratene Zwergin, erst recht mit den langen, geflochtenen Zöpfen.
„Immer noch der alte Komiker“, kicherte die Frau über ihm. Dieses Lachen…
Es war nicht leicht, ein paar Gedanken am Schlaffittchen zu bekommen und so zu sortieren, dass sie einen Sinn ergaben, aber im dritten Anlauf gelang es.
„Angroschna?“ fragte er vorsichtig. „Ich meine…Anglindchen? Die kleine Anglinde?“
„Gar nicht mehr so klein!“ kam der Protest sofort zurück. „Und schön, dass du noch unter den Lebenden weilst! Bruder Lechdan meinte, dein Schädel müsse hart sein wie ein Amboss, sonst hätte dich Golgari schon aufgeladen!“
„Bruder Lechdan?“
Roban versuchte, sich aufzusetzen, doch sofort klopfte ein übellauniger Zwerg von innen gegen seinen Schädel, mit einem Hammer von der Größe einer hundertjährigen Eiche.
„Der Perainegeweihte“, erklärte Anglinde sofort. „Nachdem der Herr Falk Barborn dich hierher gebracht hatte, bewusstlos und mit einer riesigen Beule am Kopf, haben wir nach ihm geschickt. Der hat sich die Sache angesehen und gemeint, du würdest wohl bald wieder aufwachen.“
„Falk Barborn? Hierher? Wo zum Donner…“
„Na wo schon, du Gemütsbirne“, erklang eine Männerstimme irgendwo in weiter Ferne.
„Auf meinem Gut, natürlich!“
Roban schaffte es, den in seinem Kopf rumorenden Zwerg zu überraschen. Das Aufsetzen gelang, und sogar das Drehen des Kopfes funktionierte einigermaßen.
„Onkel Nottel? Auf deinem Gut?“
„Leg dich erst einmal wieder hin, dann erkläre ich dir alles!“ versprach Nottel Grobhand von Koschtal und wartete, bis sein Neffe der Aufforderung nachkam.
Dann hörte Roban die ganze Geschichte: wie er von dem landauf, landab bekannten Ritter Falk Barborn zu Siebental für den einst gefürchteten Räuber Wengerich den Roten gehalten worden war. In vollster Überzeugung, den gefürchteten Strauchdieb endlich fassen zu können, war der Rittersmann auf Roban losgegangen. Dann war Roban gestürzt und mit dem Kopf gegen einen Stein geschlagen. Der siegessichere Falk hatte ihn fesseln und auf sein Pferd laden wollen, als ihm das Wappen auf Robans Ring aufgefallen war. So hatte er ihn nicht zum Galgen nach Rhôndur gebracht, sondern erst einmal zu seinem alten Freund Nottel, der vollsten Überzeugung, dort müsse der Halunke den Ring gestohlen haben.
Erst hier, auf dem Rittergut der Grobhands, hatte sich der Irrtum aufgeklärt. Herr Falk hatte sich vielfach entschuldigt, aber nicht warten können, bis Roban erwachte. Mit der Versicherung, dass er überhaupt wieder erwachen würde, hatte er sich begnügt und war seiner Wege gezogen.
„Der Kerl muss doch einen Dachschaden haben, der für drei reicht!“ knurrte Roban, immer noch in der Horizontalen. Sein Onkel hob die Schultern.
„Zugegeben, auf seine alten Tage bringt er manchmal was durcheinander. Andererseits gebe ich im Recht: so, wie du herumläufst, könnte man dich wirklich für den roten Wengerich halten. Zumindest, wenn man vergessen hat, dass fünfzig Götterläufe vergangen sind, seit er sein Unwesen trieb. Und siebenundvierzig, seit man ihm in Rhôndur aufgeknüpft hat!“
„Na bravo“, murmelte Roban. „Umgehauen von einem verwirrten Ritter und einer missliebigen Wurzel. Sind meine Klamotten auch hier?“
„Girte steht im Stall und dein Gepäck gleich nebenan“, erklärte Anglinde ungefragt.
„Sehr schön! Ich muss nämlich gleich weiter!“
Roban nahm alle Selbstbeherrschung zusammen, stemmte sich erneut hoch und schlug die Decke zur Seite. Ein kleines, aber nicht gänzlich unwesentliches Detail fiel ihm auf.
„Sind meine Kleider rein zufällig ebenfalls nebenan?“
Anglinde errötete und kicherte, wandte sich aber höflicherweise ab, bis er die Decke gerichtet hatte.
„Auf der Leine“, erklärte Nottel kopfschüttelnd. „Sie sahen aus, als hättest du die letzten Meilen auf dem Bauch rutschend zurück gelegt. Ich habe sie waschen lassen. Und weiterreisen kannst du frühestens übermorgen. Bruder Lechdan bestand darauf, dass du mindestens zwei Tage lang das Bett hütest, ehe du aufstehst.“
„Zwei Tage?“ ächzte Roban. „Das geht nicht! Ich bin ohnehin viel zu spät dran! Ich muss los, sonst…“
„Du bleibst hier!“ unterbrach sein Onkel ihn. „Erspar es uns beiden, dich in der Kammer einsperren zu müssen. Ich kenne deinen Sturschädel, habe nämlich selbst den gleichen! Du bleibst im Bett und ruhst dich aus. Ganz gleich, welche dringenden Geschäfte dich erwarten, sie werden noch ein wenig länger auf dich warten müssen!“