Veränderungen - Nachspiel

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Hinterkosch, 1030

Die enge Schreibstube des Barons war in diesen Tagen stark frequentiert. Nachdem das frisch vermählte Brautpaar Jileia und Roklan seine ersten gemeinsamen Tage auf Roklans Gut Hainen verbrachte, rief Riobhan seine engsten Berater zu sich. Nun saßen der Baron, der Seneschall und der Konnetabel zusammen in der Schreibstube. Vor sich hatte der Baron verschiedene Pergamente liegen, Wachs und Siegelstock lagen ebenfalls schon bereit. Riobhan hatte einige einschneidende Änderungen zu verkünden.
Riobhan sah in die gespannten Gesichter. Die Katzenaugen seines halbelfischen Lehensvogtes wirkten schwer zu ergründen, doch die Robe eines Nandusgeweihten rückte ihn wieder in die derische Wirklichkeit. Neben ihm saß der große und kräftige Burghauptmann, Befehlshaber der freiherrschaftlichen Landwehr und der Burgwachen. Das Gesicht wies ein scharfes Profil auf, die Augen standen leicht schrägt – nivesischer Einfluss? – und er war wie so häufig in ein blank poliertes Kettenhemd und einen Wappenrock mit seinem eigenen Wappen als Edler von Lovast gewandet.
„Lasst uns gleich zur Sache kommen, ich möchte jetzt nicht um den – wie sagt man unter den Bauern – heißen Brei herumreden“, leitete der Baron das Gespräch ein und nahm dann die Dokumente. Das erste entrollte er und reichte es dann seinem Lehensvogt. Der Halbelf las die fein geschwungenen Buchstaben, geführt von eleganter Hand mit energischem Strich. Es handelte sich dabei um das Testament seiner Hochgeboren. Ynbaht las es genau, doch er hatte nichts zu beanstanden. Es entsprach dem Geiste des Hauses Leihenhof: ein Alleinerbe und alle weiteren Familienmitglieder hatten sich an diese Entscheidung zu halten. Es war ohnehin eine reine Formsache, galt doch nach nordmärkischem Recht Roklan als ältester Sohn als Alleinerbe. Allerdings – das musste Ynbaht zugeben – hatte Riobhan jedem Ärger dadurch vorgebeugt, dass er alle Personen deutlich beim Namen nannte.
Er reichte das Testament weiter an den Burghauptmann. Hlûthard von Lovast nahm es entgegen und las es ebenfalls sehr genau. Währenddessen hatte der Baron Ynbaht schon das andere Dokument gegeben. Der Halbelf runzelte schon die Stirn, sah durchaus verwundert vom Dokument zum Baron und wieder zurück – doch er sagte noch nichts. Dann gab er es Hlûthard zum Lesen. Dieser reagierte ähnlich – blickte verwundert auf. Unwirsch fuchtelte er plötzlich mit dem Pergament vor dem Schreibtisch des Barons.
„Was wollt Ihr?!“ blaffte der Ritter, während Ynbaht nur sanft das Haupt neigte und ein „Verstehe“ murmelte. Riobhan verzog sein Gesicht, funkelte den Ritter an. Bei allem Vertrauen durfte sich ein Untergebener nicht diese Art herausnehmen. Ynbaht bemerkte den aufkeimenden Ärger seines Lehnsherrn und legte Hlûthard die Hand auf die Schulter.
„Beruhige dich, wir werden die Sache hier besprechen“, sprach er und wandte sich dann an Riobhan.
„Euer Hochgeboren, weshalb diese Entscheidung? Und noch viel wichtiger, wann wollt Ihr sie umsetzen?“
Riobhan erhob sich von seinem Platz und trat ans Fenster. Die Läden waren verschlossen, draußen tobte ein Unwetter in das man nicht seinen Hund vor die Tür jagte. Doch die Mauern der Galebburg waren stark. Sie war ein trutziges Gemäuer, stark und wehrhaft seit Jahrhunderten. Niemand hatte sie bisher eingenommen – nun, Riobhan musste sich eingestehen, dass es bisher auch niemand ernsthaft versucht hatte. Vielleicht waren die Leihenhofer einfach nur glimpflich davon gekommen? Unvermittelt drehte er sich wieder um.
„Ich muss aus bekannten Gründen so handeln, meine Freunde.“
Kryptisch klang die Antwort und einige Augenblicke lang musste Hlûthard überlegen, wovon der Baron eigentlich sprach. Zu sehr hatte er sich schon an den Gedanken gewöhnt, dass sein Lehnsherr ein – jetzt begriff er die Tragweite. Und jetzt begriff er auch, warum der Baron auf die Heirat mit Jileia von Metenar gedrängt hatte. Sie war nicht nur eine schöne und kluge junge Frau, sondern auch Schwester eines Bannstrahlers, gerecht vor Praios in den Augen anderer Adliger und insbesondere des praiosgläubigen Herzogenhauses. Roklan würde den Basaltthron ohne Schwierigkeiten und Zweifel besteigen können, wenn … ja, wenn Riobhan dereinst nicht mehr Baron sein würde.
„Ich verstehe, Euer Hochgeboren.“
Hlûthard nickte zur Bekräftigung.
„Doch sagt mir … uns …wann?“
Riobhan schüttelte sachte den Kopf und nahm beide Pergamente an sich.
„Noch nicht. Ich weiß es noch nicht. Der Zeitpunkt muss gekommen sein und das ist er noch nicht. Wenn es aber soweit sein wird, dann muss ich auf Euch beide vertrauen können? Roklan muss Euch vertrauen können!“
Ynbaht und Hlûthard konnten erneut nur nicken und kamen sich so langsam ein wenig lächerlich vor bei dem ganzen Genicke. Riobhan ließ nun seine beiden Vertrauten das Testament unterzeichnen, unterschrieb es selbst. In heißes Wachs drückte er schließlich das große Siegel der Baronie Galebquell. Das Testament war nun rechtskräftig.
„Das Testament wird Dûrfrida Beringer zur Aufbewahrung gegeben, wie es seit altersher Brauch ist. Doch Ihr, Ynbaht von Lichtenberg, nehmt diese Verfügung und verwahrt sie gut. Niemand darf sie vorher lesen, unterzeichnen oder gar offenbaren, bevor ich es nicht gestatte!“ erklärte er mit ungewöhnlicher Schärfe. „Ihr tragt dafür Sorge, wohlgeborene Herrschaften!“
Ynbaht nahm das Dokument an sich und blickte verwundert zu Hlûthard. Riobhan von Leihenhof erwies sich als ein ganz anderer Herrscher als sein steinstarrer Vater Relfon. Es waren neue Zeiten auf der Galebburg angebrochen und sie würden sich noch weiter verändern.
Veränderungen …