Unter Schurken - Godroms Dienst

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Hinterkosch, 1021

Der Angroscho machte große Augen.
“Du erbittest Godroms Dienst von mir? Du, ein Jungchen?“
“Ich spreche die Sprache der Ahnen und ehre Allvaters Gedenken. Wirst du mir Godroms Dienst verweigern?“ fragte Wolfhardt mit Nachdruck. In den Augen Norges leuchtete es. Schon seit Jahrzehnten hatte er nicht mehr den herrlichen Klang des Rogolan vernommen, keine Zwergenseele mehr zu Gesicht bekommen. Und nun forderte einer, wenn auch ein Menschling, von ihm, dem Ausgestoßenen, Gobroms Dienst! Derweil hatte sich Wolfhardt von Falk dessen Bierschlauch reichen lassen und hielt ihn dem alten Köhler hin.
“Hier, Väterchen, nimm einen tüchtigen Schluck und gedenke der alten Zeiten.“
Norge setzte die Flasche an und nahm sieben ordentliche Schlucke, wie es sich geziemt. Dann setzte er sie ab, wischte sich mit der Hand von Wange zu Wange, wobei er das Ruß in seinem Gesicht noch mehr verwischte, und grunzte.
“Norge war früher ein guter Schmied und hat manchem Gesellen und Wanderer Gobroms Dienst erwiesen. Weil du Norge an die alten Zeiten erinnert hast, erweist er ihn dir auch.“
Er reichte dem Wiesener seine kohlenbeschmierte Hand, die der Ritter zum Erstaunen seiner Gefährten ohne Zögern ergriff.
“Was habt Ihr gesprochen?“ fragte Rena. “Und woher kommt Eure plötzliche Freundlichkeit?“
“Ich habe ihn um Gobroms Dienst gebeten. Das ist das Gebot der Angroschpriester, jedem Zwergen, der in Not ist, beizustehen. Er wird uns sicher helfen.“
Die anderen nickten, nur der Baron wunderte sich: woher kam dieses Wissen um die zwergischen Sitten? Sollte der alte Dragosch den jungen Ritter so viel gelehrt haben, oder las der Spielmann allerlei Schriften über Ingerimms Kinder?
Während der Vinansamter aber noch sann, winkte der rußige Angroscho bereits den Koschern zu folgen. Und in der Tat: hinter dem Gebüsch offenbarte sich ein schmaler Waldweg. Langsam trottete Norge dahin, zu langsam für die ungeduldigen Jäger. Doch Wolfhardts Beteuerungen erfüllten sie mit Zuversicht – der alte Brauch würde ihnen helfen. Denn wenn sich einer in diesen Wäldern auskannte, war es sicherlich der alte Norge. Zudem war er bestimmt nicht erfreut, fremdes Räubergesindel in “seinem“ Wald zu haben.
Nach gut einer Stunde Fußmarsch gelangten sie an einen hochaufragenden Felsen, der aus dem Waldboden zu wachsen schien. Die graue Gesteinsmasse war nur an einigen Spalten und Vorsprüngen mit Moosen und Farn bewachsen, in zwei Dutzend Schritt Höhe prangte eine kleine Silberbirke auf einem Plateau. Norge deutete auf einen klaffenden Spalt im Felsen, dem aufgerissenen Rachen eines Höhlendrachen gleich. Die fünf traten hindurch und fanden sich in einem kleinen Talkessel wieder, zu allen Seiten von fast senkrechten Granitwällen umgeben. An die rückwärtige Felswand lehnte sich eine windschiefe Hütte aus roh behauenen Stämmen, gedeckt mit Reisig und Moos.
“Das ist Norges Hütte“, sagte der Zwerg und öffnete die Tür. Im Innern war es duster und roch nach Tannenrauch. Zögernd traten die Menschen ein und bemerkten schnell, daß die Hütte für einen aus dem Kleinen Volke gebaut war; ständig berührten ihre Scheitel das Dachmaterial, so daß sie sich rasch auf das Lager aus allerlei zusammengeflickten Fellen niederließen. Das erste und einzige, das sie erkannten, war ein kleiner Tisch an der Nordwand, auf dem eine grob geschnitzte Figur stand, vor der ein paar Späne glommen – der vielleicht geringste Altar Allvaters im weiten Derenrund. Aber er war das untrügliche Zeichen, daß sie selbst hier, im entlegensten Winkel der Marken, in der Hütte eines von seinem Volke Verstoßenen, noch unter dem Schutze der gerechten und segenspendenden Götter standen...