Retter in höchster Not

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Dunkelheit tauchte das Rosenschloss in der Stadt Tarnelfurt in ein tiefes Schwarz. Der blonde Jüngling schlich um das Gelände und erklomm gerade eine Mauer, als Pferde an ihm vorbei preschten. Zwei Hände voll Reiter galoppierten das Eisentor und seine Wachen nieder und weiter Richtung Haupthaus. Thorben von Hammerschlag und Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm ließen ihren Gegnern keine Chance. Der Wehmeister stürmte mit seinen Mannen das Rosenschloss, als sich im Innern die Wachen formierten.
„Wir wollen den Hausherren sprechen – sofort!“ brüllte er fordernd in das Rund. Als hätte er ihn schon vorher gehört, trat Elwart vom Hochfeld aus einem Raum, am oberen Ende der Eingangstreppe. Kurz entglitt Elwart sein Gesichtsausdruck, hatte er den Wehrmeister doch in Borons Hallen erwartet. Er überspielte seine Überraschung und schloss provozierend seine Schließe an der Bruche - wohlwissend, dass dieses den Wehrmeister zur Weißglut trieb. Süffisant schaute er hinunter.
„Euer Hochgeboren, entschuldigt meine ungebührliche Kleidung, doch die Herrin Rahja ließ meine Frau und mich heute Nacht ihre Freuden spüren. So seid doch willkommen in meiner beschaulichen Bleibe.“
Thorbens Haupt lief rot an, er würde ihn töten – jetzt, hier, sofort. Bevor er losstürmen konnte, stellte sich Kordan schützend vor seinen Freund. Sollte er ihn vor Elwart oder doch besser vor sich selbst schützen?
„Euer Wohlgeboren,“ wandte er sich dann an Elwart, "entschuldigt unser grobes Eintreten. Mein Freund möchte zum Ausdruck bringen, dass ihm Eure Entscheidung sehr missfällt, dass Eure Tochter ihre Knappschaft nicht an seinem Hofe abschließen kann, und er ersucht Euch darum diese erneut zu überdenken.“
Diplomatisch versuchte er die angespannte Situation zu beruhigen, während er fast fühlen konnte, wie hinter ihm der Wehrmeister vor Anspannung fast platzte. Elwart war in seinem Element. Mit einem breiten Grinsen strich er durch seinen stattlichen Kaiser-Alriks-Bart.
„So sehr ich das Anliegen des Wehrmeisters verstehen kann, das tue ich wirklich, werde ich meine Entscheidung nicht revidieren können. Ihr müsst auch mich verstehen, der Herr Boron nahm mir vor kurzen meinen geliebten Sohn und Erben, so dass meine kleine Lanzelind nun an seine Stelle rückt. Mit all meiner Liebe und Güte werde ich sie nun erziehen und ihr eine forcierte Ausbildung zu teil werden lassen. So wie es mein Recht als Vater ist. Und wenn die Herrin Tsa mir und meiner Familie wohlgesonnen seien sollte, wird sie uns sicher alsbald noch weiteren Nachwuchs schenken. Vielleicht bekommen meine liebreizenden Töchter baldig noch ein Brüderchen geschenkt.“
Während der Geistmärker noch um Worte für eine höfliche Antwort kämpfte, griff Thorben sein Schwert fester.
„Du feister Bulle, die Herrin Tsa wird nicht mehr richten können, wenn ich Dich gleich zu einem Ochsen gemacht habe“, schleuderte der Hammerschlager dem Junker entgegen. Bevor er jedoch nach oben stürmen konnte, sah er die nur mit ihrem Unterkleid gewandete Gislind mit einer schweren Vase in der Hand hinter Elwart schleichen. Mit einem lauten Rums zerschepperte sie das Kunstwerk über seinem Schädel. Der Junker ging bewusstlos zu Boden.
Tumultartige Szenen spielten sich ab. Die Gardisten kämpften gegen die Männer des Hammerschlagers, deren Führung Kordan übernommen hatte. Thorben lief zu seiner Geliebten, legte ein Tuch um sie und schloß sie kurz in die Arme, ehe er sie hinter sich schob, um sie zu schützen.
Währenddessen nutzte der Jüngling im Rosengarten seine Chance. Phexgeschwind lief er durch den Rosengarten bis zu dem hohen Turm des Schlosses. Die Rosen rankten den Stein herunter. Er zog seine Lederhandschuhe an und kletterte die Rosenranken hinauf zu dem vergitterten Fenster. Mit Geschick und eine Feile bewaffnet hebelte er das Gitter aus und zerschlug die Butzenglasscheibe. Lanzelind von dem Kampfeslärm wach, schaute ihn angespannt und überglücklich an.
„Komm mit, ich befreie Dich. Man nennt mich Halmbart, Halmbart von Herbonia.“
Ihre Augen funkelten einander an. Er kletterte flink dort hinunter, wo er gerade aufgestiegen war. Lanzelind direkt hinter ihm. Unten angekommen, wollte er Richtung Stadt flüchten, als Lanzelind ihm am Arm packte und flehte.
„Nein, meine Mutter!“
Lanzelind zog dem überraschten Halmbart das Schwert aus der Scheide und stürmte los, der verdutzte Junge nach einer Schrecksekunde hinter ihr her. Mit Wut im Bauch warf sich Lanzelind regelrecht in den Kampf, als sie ihren Vater oben bewusstlos erblickte, daneben ihre Mutter und ihr Schwertvater der schützend vor dieser stand. Lanzelind war überfordert, dennoch kochte die Wut in ihr über. Sie stolzierte die Treppe hinauf, direkt vor ihren Vater, der langsam seine Augen öffnete. Lanzelind hob ihr Schwert über ihren Kopf und wollte es mit Wucht nach unten führen, als ihr Schwertarm feste gepackt wurde. Thorben hielt ihn fest.
„Du bist ein unschuldiges, junges Mädchen. Du solltest nicht Deinen Vater erschlagen.“
Elwart nutzte die Gelegenheit und setzte sich auf. Um sie herum endete das Kampfgeschehen, die Männer Elwarts waren den Angreifern unterlegen. Thorben, der eben noch den Junker erschlagen wollte, schaute zu seiner Knappin. Nein, vor ihren Augen konnte er nicht tun, wozu er eigentlich gekommen war.
Elwart erhob sich und sagte laut: „Ihr habt gewonnen. So nehmt meine Tochter mit Euch!“
Dann beugte er sich zum Wehrmeister vor und murmelte: „Aber ansonsten macht ihr gar nichts, und ich werde Details zu meiner geliebten Tochter Livelind und euch zu unser aller Wohl für mich behalten. Einverstanden?“
Voller Hass funkelten sich die Augenpaare des Junkers und Wehrmeisters an. Thorben zischte zu ihm:
„Lanzelind wird meine Knappin bleiben, ihre Mutter wird zu ihrem Wohl mit nach Gut Salingen kommen und ein Auge auf sie haben, offiziell aber wird sie mein Unterpfand sein, dass mich vor einem weiteren Angriff eurer Schergen bewahrt. Ich wiederum werde auf eine Anklage und Satisfaction verzichten.“
Das war etwas mehr, als Elwart eigentlich zu geben bereit war, aber er sah, dass er keine Wahl hatte, und so fauchte er nur missmutig zurück:
„Raus, raus aus meinem Haus!“
Kordan befahl seinen Männern sich zurückzuziehen, während Thorben Gislind zu seinem Pferd geleitete. Der strenge Blick Elwarts folgte ihnen. Lanzelind folgte Halmbart nach draußen, ihre Hände berührten sich zärtlich, während er in ihr Ohr flüsterte.

Autoren: Lanzelind, Hammerschlag