Neulich in Sindelsaum - Tag der Abrechnung

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Praios 1038

Angbart von Salzmarken-See fasste die Lanze härter und starrte zur Straße nach Angbar hinab. Die Geschehnisse der vergangenen Monate und Jahre, der Tod seiner Tochter durch die Hand Selissas von Sindelsaums und die gewonnene Fehde gegen die Sindelsaumer hatten ihn beschäftigt gehalten und ihm doch keine anhaltende Befriedigung gebracht, denn er wusste, dass die Mörderin seiner Tochter noch immer auf freiem Fuße war. Seitdem die Fehde zu Ende gegangen war, hatte er sie mehrfach zum Zweikampf gefordert, doch immer hatte sie ihn ignoriert. Angbart wusste, dass dies wohl vor allem an ihrem Bruder Erlan lag, der sicherlich eine Fortsetzung der Gewalt verhindern wollte. Doch war er kein gemeiner Mörder, der ihr irgendwo auflauern würde, um sie so zu Boron zu befördern, nein, es musste ein ritterlicher Zweikampf sein - und zwar einer aufs dritte Blut. Der Fürstenfrieden hatte solche Zweikämpfe zwar offiziell verboten, doch rechtlich bindend war dies nicht.
Angbart hatte herausgefunden, dass Selissa sich auf dem Rückweg von einem Turnier befand, sie würde also ihre Waffen und Rüstung bei sich haben und so hatte Angbart geduldig auf sie gewartet und zwar nicht bei seiner Burg Fuchsfels, sondern etwas weiter nördlich, schon im sindelsaumschen, nämlich nahe bei Stielzbruk. Begleitet wurde Angbart nur von seinem Schwager Relf von Angenbrück.
Endlich kam Selissa mit ihrer kleinen Reisegruppe in Blick. Selissa wurde nur von ihrer Cousine Angunde, der Junkerin von Rakulbruck, und zwei Knechten mit einem Wagen begleitet, auch dies hatte Angbart gewusst. Die beiden Ritterinnen hatten die zwei wartenden Reiter erblickt und hielten an; ihre Hände wanderten zu ihren Schwertern, war Angbart doch von Kopf bis Fuss in Angbarer-Stahl gekleidet und hatte seine Lanze erhoben. Als er langsam zu der Gruppe herantrabte, öffnete er sein Visier nicht und auch sein Schild zeigte kein Wappen.
„Selissa von Sindelsaum.“, rief Angbart. „Ich kann und will euch den Tod der jungen Salzmärkerin nicht verzeihen. Über zwei Jahre ist es her, dass ihr sie mutwillig zu Tode gebracht habt. Seitdem habt ihr euch wie ein Hanghase versteckt, doch heute habt ihre keine Wahl. Rüstet euch und sattelt euer Pferd und wir werden diesen Streit lösen, wie es sich für zwei Rittersleute gehört, und zwar mit Schwert und Lanze, bis einer nicht mehr atmet. Dieser edle Ritter wird mein Sekundant sein und Wohlgeboren Angunde kann für euch auf die Einhaltung von Rondras Geboten achten.“ Auch Relf von Angenbrück zeigte sein Wappen nicht und hatte sein Visier verschlossen gehalten.
Selissa seufzte schwer. Obwohl sie Angbart nur kurz getroffen hatte, konnte sie sich denken, dass es sich um ihn handelte. „Ihr habt meine Beteuerungen gehört, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat, doch noch immer nennt ihr mich eine Lügnerin. Ich bin eurer üblen Nachrede Leid, daher nehme ich eure Forderungen an. Wir bringen das hier und jetzt zu Ende.“ Angbart nickte und Selissa sattelte ab, um sich zu rüsten.

Wenig später standen sich die beiden gerüsteten Ritter auf einem flachen Feld unweit von Stielzbruk gegenüber. Die beiden Sekundaten überprüften die gegnerischen Streiter, um sicherzustellen, dass hier alles nach Rondras Geboten vor sich ging. Derweil blickten Selissas Knechte aus einiger Entfernung unruhig zu den beiden Rittern herüber.
Als die Sekundanten sich entfernt hatten, grüßten die beiden Ritter mit ihren Lanzen und trabten dann an und senkten ihre Lanzen. Immer schneller beschleunigten die massigen Pferde und wühlten den Untergrund auf. Diesmal glitt Selissas Pferd nicht aus und ihre Lanze prallte gegen Angbarts Schild, doch auch der Salzmärker Junker hatte sein Ziel getroffen. Selissa hatte den Eindruck, ihr Rückrat würde zerspringen, so hart wurde sie gegen die hohe Lehne ihres Sattels gedrückt, doch der Moment war schnell vorüber, dann zersprangen die Lanzen unter dem enormen Druck. Sie hatten jeweils den Schild durchdrungen und beide Kontrahenten bluteten, doch hatte keiner von ihnen eine lebensgefährliche Wunde davongetragen.
Selissa brauchte einen Moment, um ihr Schwert zu ziehen und ihr Pferd zu wenden, doch auch der Salzmärker hatte mit seinem Pferd zu kämpfen gehabt. Hastig trieben sie ihre Rösser aufeinander zu und kurz darauf krachten die Schwerter mit ohrenbetäubendem Knall gegeneinander und prasselten auf Helm, Rüstung und Schild ein. Holzsplitter flogen durch die Luft und Selissas Schädel dröhnte, hatte sie doch einige Schläge gegen ihren Kopf davon getragen. So ging es für einige Minuten hin und her. Ermüdung machte sich bei beiden Rittern breit, doch keiner war bereit, zurückzuweichen. Selissa versetzte Angbart einen Schlag gegen den Helm, dass es nur so schepperte und der Kopf des Junkers kurz zur Seite baumelte, doch er konnte ihre folgenden Streiche mit dem Schild abwehren. Sie holte zu einem weiteren Schlag gegen seinen Helm aus, doch erneut glitt ihr Schwert an seinem Schild ab. Für einen Augenblick war ihr Helm ungedeckt und Angbart nutze die Gelegenheit und rammte ihr das Schwert durch den Augenschlitz in den Kopf hinein. Ihr Visier knirschte schrecklich, als das Schwert Stahl, Haut und Knochen durchschnitt. Sofort sanken ihre Arme hernieder, Selissas Pferd stand still dar und Angbart wartete schwer atmend ab, ob die Sindelsaumerin diesen Streich überlebt hatte, doch das Blut, das aus ihrem Helm hervorquoll, verhieß nichts Gutes für Selissa. Das Schwert hatte ihr Auge und den Wangenknochen erwischt und war tief in ihren Kopf eingedrungen und hatte ein tiefes Loch hinterlassen. Entsetzt lenkte Angunde von Sindelsaum ihr Pferd herbei und ergriff die Zügel. Angbart war ein Stück weit fortgeritten und hielt sich nur mühsam im Sattel aufrecht. Die vielen Schläge gegen seinen Helm hatten ihm massiven Schwindel und Übelkeit beschert und er traute seinen Beinen nicht, weswegen er im Sattel blieb.
Derweil hievten Relf, Angunde und die beiden Knechte die gefallene Selissa aus dem Sattel und luden sie auf den Wagen auf. Relfs Gesicht hinter dem Visier war steinhart, während die beiden Knechte schockiert waren. Angunde hielt ihre Tränen derweil nicht zurück. Selissa und sie waren eng befreundet gewesen. Es hatte sie mehr verbunden als nur ihre Familienbande. Während sich die beiden Knechte und Angunde auf dem Weg nach Sindelsaum machten, ritten Relf und Angbart gen Fuchsentrutz davon, ohne dass sich einer von ihnen zu erkennen gegeben hatte. Angbart hatte zahlreiche Wunden, die es zu versorgen galt, und dennoch war er erleichtert, dass die Mörderin seiner Tochter endlich ihre gerechtes Ende gefunden hatte.

Erlan von Sindelsaum saß auf einer Bank im Garten des Dachsbaus und blickte auf den ruhigen Fluss der Sindel hinab. Gerade überlegte er, ein weiteres Kirschtörtchen zu vertilgen, als er aufgeregte Rufe vernahm. Was da wohl los war? Hatte Thalian ihm mal wieder einen Streich gespielt? Interessiert schlenderte er zum Fronteingang des Dachsbaus und erbleichte. Er hatte Selissa und Angunde erwartet, doch dort stand nur Angunde mit versteinertem Gesicht und auch die beiden Knechte wirkten betreten. Auf dem Karren aber war deutlich der Umriss einer menschlichen Gestalt unter einem blutgetränkten Laken zu erblicken. Erlan begann zu rennen. Das durfte nicht wahr sein. Das konnte nicht seine Schwester sein. Erlan wusste, was ihn unter dem Laken erwarten würde, und dennoch war er schockiert, als er es herabnahm. Selissa war in ihrer Rüstung erstarrt. Fast wirkte sie friedlich, wäre nicht die furchtbare Stichwunde in ihrem Gesicht zu sehen. Erlans Knie wurden weich. „Was ist geschehen?“ fragte er Angunde. Sie berichtete ihm mit versteinertem Gesicht. Derweil kamen immer mehr Familienmitglieder, Bedienstete und Dorfbewohner zusammen. Halmar vom Erlenschloss, Selissas Ehemann, brach in sich zusammen und schluchzte nur unzusammenhängend vor sich hin. Ihre Kinder Iralda und Anglinde schrien und wurden von Baroscha Dornenstrauch zurückgehalten, damit sie das Gesicht ihrer Mutter nicht sehen mussten, und doch hatte sich ihr Anblick sicherlich für immer in die Gedächtnisse der Kinder eingebrannt. Erlan war wie versteinert und nickte nur, als Gerwulf vorschlug, den Körper ins Hausinnere zu bringen.

Selbst drei Tage später, als ein großer Scheiterhaufen errichtet worden war, war Erlan noch immer nicht ganz bei Sinnen. Er wusste, dass dies alles kein Traum war, und doch kam es ihm unwirklich vor. Vor einigen Jahren hatte er seinen Sohn Kordan begraben müssen und nun auch noch seine Schwester. Zu Hunderten waren die Leute aus den Dörfern der Umgebung herbeigekommen und auch viele Niederadlige hatten sich eingefunden. Halmar vom Erlenschloss trat gemeinsam mit seinen Töchtern vor und legte die Fackeln an den Scheiterhaufen. Ihre Gesichter waren vom vielen Weinen aufgequollen. Zu Hunderten schauten die Sindelsaumer, wie der Scheiterhaufen in Flammen aufging und die Schwester ihres Barons umfing. Es dauerte einige Zeit bis der Körper verbrannt war. Morgen würde die Asche in eine Urne getan und im kleinen Kreise beigesetzt werden.
Es war zwei Tage später, als Erlan wieder auf seiner Bank saß und versonnen auf die Sindel starrte. Selissa und er hatten dort früher oft kleine Rindenboote fahren lassen. Er wurde durch Schritte aus seinen Gedanken gerissen. Angunde und Halmar waren herangetreten. Erlan nickte ihnen traurig zu. Die beiden hatten noch mehr gelitten als er selbst. Angunde und Selissa hatten stets ein enges Verhältnis gehabt und Halmar hatte seine Frau abgöttisch geliebt. „Erlan, wir gehen fort.“ begann Angunde. „Ich gehe zurück nach Rakulbruck und Halmar will mit den Kindern zu seiner Familie ziehen.“ „Ich verstehe das“, antwortete Erlan. „Hier gibt es zu viele Erinnerungen.“
„Ich glaube nicht, dass du uns verstehst, Erlan.“ fuhr Halmar fort „Wir gehen nicht, um Abstand von Selissas Erinnerungen zu finden, sondern von dir. Es war dein Machtstreben, das Selissa zu dem Zweikampf mit der Salzmärkerin geführt hat und sowohl der Tod des Mädchens, als auch Selissas Tod sind darum auch deine Schuld. Ich möchte nie wieder etwas von dir hören und ich möchte auch, dass du dich von den Mädchen fernhältst. Dein Aufstiegsdenken hat dieser Familie schon genug Trauer beschert.“ Erlan wusste nicht, was er antworten sollte. Er war zu überrascht. Auch er hatte sich in seinen Gedanken bereits eine Mitschuld an Selissas Tod gegeben, aber dies hatte er nicht erwartet. Halmar würde er kaum eine Träne nachweinen, war er Erlan mit seinem Künstlerdenken immer fremd geblieben, doch die Mädchen waren ihm ans Herz gewachsen und es schmerzte ihn, dass er sie nicht wiedersehen würde. Angunde fuhr fort, als Erlan keine Antwort gab. „Auch ich werde meiner eigenen Wege gehe. Uns verbindet unser Großvater, aber ich werde meine eigenen Wege gehen. Es ist genug Blut unserer Familie geflossen. Wenn du magst, kannst du dein eigenes vergießen, aber ich werde dir nicht zur Verfügung stehen. Selissas Tod kann ich dir nicht verzeihen.“ Erlan nickte nur schwer. Ihm gingen viele Antworten durch den Kopf, aber keine schien passend zu sein. Angunde verdankte ihren Titel seinem Geschick und Halmar hatte er lange hier im Dachsbau mit durchgefüttert, aber nun war diese Dankbarkeit verschwunden. Es war Angbarts Schuld, dass Selissa nun neben ihrer Mutter lag!
Schwermütig blickte er ihnen nach. Er konnte nur hoffen, dass sie ihre Meinung eines Tages ändern würden, aber für den Moment sah es nicht danach aus.
Erlan ging der Wunsch nach Rache durch den Kopf, doch was würde ihm ein Schlag gegen die Salzmärker bringen? Nichts vermutlich. Dank ihres neuen Standes bei Graf Wilbur würde dieser sicher intervenieren und Angbart einfach aufzulauern und zu ermorden war ja auch nicht gerade die feine Koscher Art.