Hoch lebe Prinz Erlan!

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Ausgabe Nummer 52 - Tsa 1033 BF



ANGBAR – Die Reichsstadt am See hatte sich herausgeputzt. Seit Wochen schon war die Vorfreude auf das Fest zu Ehren des kleinen Erlan vom Eberstamm gewachsen. Nun prangten Girlanden und Kränze in den Farben des Fürsten- hauses – Schwarz und Grün – an den Stadttoren, Fassaden und über den Gassen. Nach und nach trafen auch die hohen Gäste ein. Besonders herzlich wurden jene hohen Herrschaften begrüßt, ohne deren Einsatz man diesen Tsatag kaum hätte feiern dürfen. Noch vor knapp zwei Jahren waren die Sorgen um die Zukunft des seit eintau- send Jahren regierenden Fürstenhauses groß. Anshold und Nadyana, dem Erbprinzenpaar, auf dem die gesamte Hoffnung lag, schien kein Kindersegen geschenkt zu werden.
Damals reifte unter Freunden des Paares ein phexischer Plan. Sie brachten beide heimlich auf die entlegene, eigens von Geweihten gesegnete Burg Firntrutz, um ihnen die nötige Ruhe zu verschaffen, die sie benötigten um den kleinen Erlan zu zeugen. Aus dem Schelmenstück wurde bald bitterer Ernst, als der Winter vorzeitig hereinbrach, eine Rückreise verhinderte und die Sorge um eine Entführung des Paares die Runde machte. Bald trafen Getreue ein, die sich auf die Suche machten und das Paar schließlich fanden. Aus Greifenfurt waren nun einige jener Gefährten von Prinz Edelbrecht angereist, die an der Seite des Prinzenbruders das Erbprinzenpaar im denkwürdigen Winter 1031 gerettet hatten (siehe KK 49). Edelbrecht selbst ließ sich entschuldigen, da ihn dringende Angelegenheiten in der Markgrafschaft fesselten – doch ließ er von den Baronen von Hexenhain, Nardesfeld und Zalgo eine Sammlung hölzerner Waffen und einen passenden kleinen Hauork aus Stoff und Pelz überbringen ... auf dass der kleine Prinz schon bald üben könne.
Dass die damalige angebliche „Entführung“ des Erbprinzenpaares nunmehr als reizende Anekdote gehandelt wird, sah man auch, als die Retter aus Greifenfurt den angeblichen „Entführer“ Grimm von Firntrutz herzlich begrüßten. Ritter Grimm, der bärige Onkel des Wengenholmer Grafen, war angereist, um auf dem Turnier seine aufrechte Gesinnung zu beweisen.
Für Aufsehen sorgte auch die neue sechsspännige Kutsche der Baronin Neralda Cella von Nadoret. Das reich mit geschnitztem Hirschhorn verzierte Gefährt übertraf das altbekannte des Ferdoker Grafen an Pracht um Längen.
Als anschließend die Gesandtschaft des alten Hauses Salmingen einzog, kam Unruhe ins Volk. Nicht wegen des streitbaren Barons Hagen von Dunkelforst, der sich derzeit eine erbitterte Fehde mit seinem Halbbruder im Hinterkosch liefert – sondern wegen dessen Begleitung. Besorgte Eltern zogen ihre kleinen Kinder zu sich, Honoratioren mit gezwirbelten Bärten murmelten grimmig, Wachen gingen wachsam in Stellung, als die Mutter des Barons hinter ihm in offener Droschke einfuhr. Frylinde von Salmingen ist wahrlich das Ebenbild ihrer Zwillingsschwester Charissia – jener Schwarzmagierin, die so viel Leid über Angbar und den Kosch gebracht hatte und noch immer frei herumläuft. Nicht wenige beschlich die Furcht, dass sich hinter der Larve der edlen Baronsmutter in Wahrheit ihr schändlicher Zwilling verbergen könnte – andere fanden es zumindest taktlos, zu einer solchen Feier zu erscheinen – wo doch Erlans älterer Bruder Holduin Hal nicht zuletzt durch den dunklen Zauber aus jener Familie ums Leben kam.
Von all diesen Vorwürfen wissend, ließ sich Frylinde indes nicht beirren und trat vor den – sorgsam von der Greven-Garde bewachten – Fürsten. Elegant in weitem grünem Kleid sank sie vor Blasius in die Knie und bat um Milde und Gnade angesichts des Leides, welches ihre ehemalige, und nun aus der Familie verstoßene Schwester in die Welt und über das Fürstenhaus gebracht hatte.
Anerkennend, und auch etwas überrascht, gewährte unser Landesvater ihr zum Zeichen seines Wohlwollens sogleich das Ehrengeleit durch seinen Hofmagier Erolân von Mersingen. Der kürzlich ernannte Zaubermeister gesellte sich sogleich neben die holde Dame, um der hesindenahen Familie etwas kundige Gesellschaft zu leisten. Als er, wie ein dunkler Schatten, neben ihr stand, kehrte auch ins Volk wieder Ruhe ein. Der gestrenge Herr Magus würde schon ein Auge darauf haben, dass nichts Unrechtes geschähe.

Schützenfest und Knappenspiel
Während des Einzugs der Gäste war das Fest schon im vollen Gange. Barden und Musikanten sangen und spielten, Leckereien und Andenken wurden angepriesen, und in Heimeling trafen sich die Schützen. Angbarer Bürger maßen sich mit edlen Teilnehmern des Turnieres, Zwerge mit Menschen – letztlich konnte sich einer der neuen Ritter durchsetzen, die es wagen, den Moorbrücker Sumpf zu besiedeln: Reto von Tarnelfurt zu Therbunja. Er siegte, für ihn selbst überraschend, vor dem wohlbekannten Ratsherrn Odoardo Markwardt und dem Baron von Nardesfeld. Auch auf dem Turnierfeld im Brodilsgrund unter dem Rondratempel herrschte bereits reges Treiben. Die Knappen hatten die Ehre den Platz mit ihren Wettspielen zu weihen. Wie zu erwarten taten sich vor allem die fürstlichen Schützlinge hervor. Nach dem Ziegenfangen, Ringstechen, Duell auf dem Balken und dem Gefecht mit stumpfer Klinge hatte am Ende einer der Ihren, Viridian von Albenbluth-Lichtenhof, die meisten Kränze gesammelt. Wohl aber nur, weil der Zweitplatzierte Halmar von Sindelsaum – der wohl schon bald seiner Schwertleite entgegensieht – im entscheidenden Moment durch den Anblick seiner Holden, Perainhild von Leihenhof, der Hofdame Prinzessin Nadyanas, abgelenkt wurde.

4. Rondra: Geburtstag des Prinzleins Erlan

Die Feste am Ehrentag begannen bereits mit dem ersten Hahnenschrei. Ein gemeinsamer Ingerimmsdienst eröffnete die Zwergenwettkämpfe auf dem Platz des Feuers. Es war der ausdrückliche Wunsch des Fürsten, dass auch die Angroschim ihren gebührenden Anteil an diesen Festlichkeiten haben sollten, und so hatte er als Preis einen prächtigen, grün-silbernen Helm gestiftet. Da ließen es sich die Sippen nicht nehmen, ihre kräftigsten Streiter nach den Regeln der Hallen von Lûr antreten zu lassen. So wurde munter mit Äxten gekämpft, mit Armbrüsten auf Drachenpuppen geschossen und gerungen. Überraschender Sieger war Nonemio S.d. Protgrosch, der zuvor vor allem damit Aufmerksamkeit erregt hatte, dass er an seinem fahrenden Feldofen leckere Prinzenküchlein und Erlanpasteten verkaufte. Wohl gestärkt durch seine Köstlichkeiten, bezwang er selbst die wehrhafte Hügelzwergin Norescha Dreizopf und den Wirt Galosch aus Alt-Angbar, dessen Taverne berühmt-berüchtigt ist für den Steinerweicher, der dort ausgeschenkt wird.

Das Gestampfe am Nachmmittag
Mit klarer Stimme verkündete der fürstliche Herold Hernobert von Falkenhag die Regeln des Gestampfes. Die 48 geprüften und angenommenen Streiter würden in drei Gruppen zu je 16 Kämpfern gleichzeitig antreten. Güldene Armbänder sollte jene Gruppe tragen, die für den Fürsten streiten würde; die Ritter mit den blauen Bändern sollten für Erbprinz Ansholds Ehre fechten, und unter dem Zeichen von Prinzessin Nadyana schließlich würden die lindgrünen Krieger reiten. Reihum kürten die drei Schirmherren beziehungweise die Schirmherrin ihre Favoriten. Illustre Gruppen wurden so gefunden – und es war wohl der Umsicht der Auswählenden zu verdanken, dass so mancher Ritter sich an der Seite seines Freundes oder Nachbarn wiederfand. So stand etwa der angereiste Greifenfurter Adel an Nadyanas Seite, während Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels ebenso Fürstengold trug wie sein getreuer Freund aus Kindertagen, Ritter Idamil Wubblinger.
Bevor der Wettstreit begann ergänzte der Herold die Siegesbedingung: Gestritten würde mit stumpfen Waffen zu Ross. Ziel sollte es sein, die Mitglieder der gegnerischen Gruppen aus dem Sattel zu stoßen – sei es mit Lanze oder anderer Waffe. Diejenige Gruppe, welche als letzte mindestens ein Mitglied hoch zu Ross in ihren Reihen behalten würde, erränge den Sieg… und damit nicht nur ein Ehrenmahl mit der jeweiligen Schirmherr- schaft, sondern auch das Recht, morgen die erste Runde der Tjoste kampflos überspringen zu dürfen. Auf diese elegante Weise konnte man Freilose oder einen Fürstenstich vermeiden und hatte gleichzeitig einen weiteren handfesten Ansporn für das Gestampfe geschaffen.
Wobei dies freilich nicht nötig gewesen wäre… was die Reiter sogleich bewiesen. Mit rondrianischer Ehrhaftigkeit und ritterlichem Ehrgeiz waren sie alle gesegnet, als sie nach dem Hornstoß des Herolds aufeinander zustieben. Das Donnern von über hundert Hufen erfüllte unter dem Jubel der Zuseher den Brodilsgrund. Anspornende Rufe erklangen sowohl auf der Tribüne des Adels, wie auf den Rängen der Angbarer Bürger und Zugereisten vom Lande. Auch Fürst, Erbprinz und dessen Gemahlin waren aufgesprungen um das Abschneiden ihrer jeweiligen Gruppe gebannt zu verfolgen. Bald trennte sich die Spreu vom Weizen auf dem Feld. Vor allem die Unerfahrenen wur- den bald Opfer üblicher Anfangsmanöver, wie der „Tralloper Bärenjagd“ oder der „Pervalschen Walze“. Für Aufsehen sorgten unter anderem die blutjungen Zwillingsritter Leobrand und Leubrecht vom Roten Weiher aus den Nordmarken, die sich lange gemeinsam Rücken an Rücken kämpfend ihrer Gegner erwehrten. Letztlich brachte sie jedoch ein anderes Gespann zu Fall, das fortan die Aufmerksamkit auf sich zog: Gisbrun von Treublatt, der älteste Sohn des Fürstenhorter Vogts, und Trest von Vardock, der umtriebige Vasall seines Vaters. Was das Publikum in den Bann schlug, war jedoch nicht nur der Erfolg der beiden, sondern vor allem deren bisweilen trickreiche und nicht immer saubere Methoden. Als Ritter Trest in einem Scheinangriff gegen die Darpatin Gari von Firunslicht-Sjepensen anritt und dabei unflätige Gesten machte, während Gisbrun von Treublatt sie von hinten aus dem Sattel rammte, sah Herold Hernobert sich gezwungen einzugreifen und beide zu verwarnen. Daraufhin setzten sie zu wütendem Protest an, was wiederum die beiden Moorbrücker Reto von Tarnelfurt und Rainfried von Grimsau nutzten, um die abgelenkten Fürstenhorter zu überwinden. Diese schworen bittere Rache beim Gestech des nächsten Tages.
So lichteten sich die Reihen der Schlacht. Schließlich sahen sich Welfert von Mersingen als letzter lindgrüner Streiter Nadyanas und Wehrmeister Thorben von Hammerschlag als verbliebener güldener Fürstenreiter der Übermacht von fünf Rittern des Erbprinzen Anshold gegenüber. Die Träger der blauen Bänder hatten stets versucht, Ruhe und Geschlossenheit zu bewahren, um sich nicht im Getümmel zu verlieren – eine Taktik, die Erfolg zeigte. Welfert und Thorben sahen ihr Heil nun darin gemeinsam gegen die Überzahl anzutreten, statt sich gegenseitig den Garaus zu machen. Doch zu spät kam diese Erkenntnis. Es gelang ihnen zwar noch zwei Streiter zu fällen, letztlich ritten mit Hagen von Dunkelforst, Larona von Bardostein und Holdwin vom Kargen Land jedoch drei erschöpfte, aber stolze blaue Ritter die Ehrenrunde. Ihr Schirmherr Erbprinz Anshold krönte sie – wie auch ihre zuvor geschlagenen Gruppenkameraden – unter Fanfarenklängen und Hochrufen mit den Siegerkränzen.

Minnesang und Lautenklang
Nachdem die Sonne glühend hinter den Koschbergen versunken war, Laternen die Stadt und Glühwürmchen das Land zu erhellen begannen, ward es Zeit, den eigentlichen Anlass dieser Turnei zu begehen: den ersten Tsatag des kleinen Prinzen Erlan vom Eberstamm.
Erschien es doch wie gestern, dass der Kosch in banger Sorge auf das Fürstenhaus blickte: der erste Prinz im Feuer des Alagrimm verloren, ohne auch nur das erste Lebensjahr vollendet zu haben, seine Eltern Anshold und Nadyana über Jahre kinderlos und ohne rechte Freude. Umso erfreulicher nun, dass das zweite Kind des Erbprinzenpaares jenen Jahrestag als wahrer Wonneproppen begehen konnte – kräftig die Ärmchen und Beinchen, kräftig auch die Stimme. Wahrhaft, die Koscher Zukunft ist gesichert!

Die allgemeine Freude spiegelte sich auch in den Geschenken wider, die zu diesem Anlass überreicht wurden: Von Flussperlen und gesegnetem Bettzeug, Honig und Naschwerk, Zinn- und Holzfiguren bis hin zu einem Zweihänder – vor langer Zeit geschmiedet von Isentraud vom Eberstamm, einer Ingerimm-Geweihten aus den Fürstenhaus, das während der Kaiserlosen Zeiten in die Waffensammlung des Hauses Salmingen geriet und nun in die Hände des Hauses Eberstamm zurück kehrte. Nicht alle Präsente waren bereits für ein kleines Kind geeignet, doch sprachen alle von der Liebe der Koscher.
Unter dem Zeichen der Liebe schien auch der anschließende Geburtstagsball zu stehen. Die Gruppe gekonnt spielender Musikanten aus Almada mag ihren Teil dazu beigetragen haben, dass so manches Ehepaar ausgelassen miteinander tanzte (selbst der meist als eher tanzscheu geltende Erbprinz). Auch die Unvermählten warfen möglichen Kandidaten so manchen scheuen Blick zu – etwa Rondralieb von der Wiesen, die Schwester von Baron Wolfhardt. Wenn die streitbare Jungfer durch eine Verletzung ihres Armes schon auf die Wettkämpfe verzichten musste, so wollte sie zumindest die holden Ritter in Augenschein nehmen.

Die rahjagefälligste Tat folgte jedoch am späten Abend, als Graf Jallik von Wengenholm von seinem Sitz aufstand, seinen Brannt erhob und lauthals verkündete: „Ihr wisst, uns steht ein Feldzug bevor, um endlich den Norden meiner Grafschaft von den Wirren zu befreien. So hebt Eure Krüge und Kelche ... und stoßt mit mir an... denn ich will noch, bevor ich der Herrin Rondra diene, der Herrin Travia meine Gunst erweisen und meine Verlobung mit der liebreizenden Mechtessa von Falkenhag verkünden!“
Da hielt es auch den letzten Gast nicht mehr auf dem Stuhle – Graf Wilbur vom See verschluckte sich gar an einer Gräte und wurde puterrot. Was für eine Freude, dass auch die Grafschaft im Norden endlich eine Gräfin bekommen würde. Die Hochzeit selbst soll nach der Rückkehr vom Feldzug stattfinden... wir werden im kommenden KOSCH-KURIER sicher davon berichten.

5. Rondra: Großes Fürstliches Lanzengestech

Schon beim Einmarsch und dem Getümmel der Buhurt stellte sich die immens große Teilnehmerschar zur Schau. Nicht weniger als 48 stolze Ritterinnen und Ritter, so viele wie lange nicht, wollten sich auch in der Tjoste beweisen.
Die erste Runde bestritten zunächst die Güldenen und Grünen Streiter – wobei die ersteren als Zweitplatzierten das Recht hatten als so genannte Reizer ihre Gegner auszuwählen. Jeder brannte darauf, sich nach der Niederlage beim gestrigen Gestampfe nun aufs Neue zu beweisen. Graf Jallik von Wengenholm scheute sich nicht mit dem Heermeister der Rabenmark, Welfert von Mersingen, einen weithin gerühmten Streiter zu wählen. Entsprechend lange und ehrbar war der Kampf, ehe der Graf stürzte. Doch schritt er ungebeugt und bejubelt vom Felde. Dass er sich beim Sturz den Arm verletzt hatte, ließ er sich nicht anmerken – wohl auch, um den folgenden Feldzug unter kein schlechtes Omen zu stellen.
Deutlich weniger ritterlich ging es dagegen beim Kampf der beiden Brüder Reto Hlûthar und Geldor Arbelian von Bodrin zu. Es wurde offenkundig, dass sich die beiden Enkel des letzten Schetzenecker Grafen nicht grün sind. 1023 BF wurde der zwei Jahre jüngere Geldor dem Landgrafen Alrik von Gratenfels zum Zeichen der Freundschaft zwischen den Nordmarken und des Kosch in Pagenschaft gegeben. Der kaum Elfjährige soll dort – von Heimweh geplagt – derart ungebührlich aufgetre- ten sein, dass er bald gegen seinen Bruder Reto ausgetauscht wurde. Zwar entwickelte sich Geldor in späteren Jahren doch noch zum wackeren Recken, der in Wehrheim ausgebildet wurde und die Schlachten im Jahr des Feuers erlebte – doch wird er von seinem älteren Bruder noch immer als „Memme“ verspottet. Entsprechend verbissen wurde der brüderliche Kampf ausgefochten... derart gar, dass der Herold beide ermahnen musste. Letztlich setzte sich der Ältere mit einem wuchtigen Stoß durch, was dieser – recht unfein über den Unterlegenen spottend – feierte.

Ähnlich verbissen ging es beim Kampf zwischen Baron Wolfhardt von der Wiesen und der Jungfer Cathine von Unterangen zu. Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass sich Cathine um das Erbe ihres Vaters – des Vorgängers von Wolfhardt im Amt des oberangbarer Barons – betrogen fühlt. Vielleicht war es diese Wut, die ihr beim siebten Ritt das entscheidende Quäntchen mehr Stärke verlieh und sie zur feixenden Siegerin machte.

Die zweite Runde
In der zweiten Runde traten nun auch die Blauen Reiter aus der Siegergruppe des Gestampfes in die Schranken. Bedauerlicherweise eher aus Grolmenblech, denn aus Angbarer Stahl war die Rüstung des Ritters Kordan von Pirkensee gefertigt. Die Lanze des Mersingers durchbohrte eine schwache Stelle unter der Schulterplatte und spießte den jungen Uztrutzer regelrecht auf. Allmählich entwickelte sich der Rabenmärker zum gefürchteten und teils auch bewunderten Turnierschreck.

Umstritten war dagegen der Sieg Gisbruns von Treublatt, des ältesten Sohnes des alten Vogts von Fürstenhort. Viele Zuschauer glaubten gesehen zu haben, dass sein Gegner – der Ritter Feron von Nadoret (ein Freund des Treublatters) – sich absichtlich aus dem Sattel fallen ließ. Selbst wenn dies so gewesen wäre, hätte Herold Hernobert zwar die Nase rümpfen, aber keinen Regelverstoß ahnden können. Dies tat er jedoch, als Ritter Trest von Vardock das Pferd von Reto von Tarnelfurt zu Therbunja verletzte... und wie es schien, nicht aus reinem Versehen. Kurzerhand erklärte er den moorbrücker Ritter Reto zum Sieger dieser Begegnung – sehr zum Unwillen des stolzen Vardockers.
Die Erinnerung an die vorgetäuschte Entführung vor zwei Jahren wurde wach, als einer der „Retter“, Anshelm von Hundsgrab-Bugenbühl, gegen einen „Entführer“, Grimm von Firntrutz, antrat. Der Retter gewann, doch auch der Entführer wurde gefeiert... immerhin hatten wir es wohl seinem Schelmenstück zu verdanken, dass man nun das Prinzlein Erlan feiern durfte.
Große Wonne erzeugte schließlich der Ritter Boldrich von Bockzwingel, der sich von der holden Rondralieb von der Wiesen deren Jungfernkranz holte und für sie und die Ehre ihres Hauses in die Schranken ritt. Ihren Bruder Wolfhardt galt es zu rächen – und tatsächlich gelang es dem eher ärmlichen, aber wackeren Geistmärker, seine Gegnerin Cathine von Unterangen bereits beim zweiten Ritt vom Ross zu stoßen. Wahrlich, die rahjagefällige Minne vermag es, ungeahnte Kräfte zu entfachen.
Allmählich lichteten sich die Reihen. Im dritten Durchgang war die Schar bereits auf sechzehn geschrumpft, darunter auch überraschende Streiter wie Baron Erlan von Sindelsaum, der sich schließlich doch der Erfahrung des Koscher Wehrmeisters Thorben von Hammerschlag beugen musste. Auch der neu belehnte Moorbrücker Ritter Rainfried von Grimsau war so weit gekommen – musste sich dann aber doch dem energischen Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels geschlagen geben. Nun maßen auch Gefährten aus derselben Gruppe im Gestampfe ihre Kräfte – wie die beiden Ritter vom Angbarer See, Larona von Bardostein und Holdwin vom Kargen Land, der sich als ehrbarer Sieger erwies – oder die beiden Greifenfurter Gerbald von Reiffenberg und Anselm von Hundsgrab-Bugenbühl, der letztlich knapp dem erfahrenen Baron von Hexenhain unterlag.
Reto von Tarnelfurt hatte sich mit Gisbrun von Treublatt einem Gegner zu stellen, der seinen ausgeschiedenen Freund Trest von Vardock rächen wollte. Die Sympathien der Zuschauer waren klar auf Seiten Retos, weswegen ein Sturm der Entrüstung ausbrach, als dieser bereits in der ersten Runde fiel. Mancher schwor Stein und Bein, dass der am Rande stehende Ritter Trest das geliehene neue Ross des Tarnelfurters mit einer spiegelnden Hellebarde geblendet und zum Scheuen gebracht hatte – an- dere vermuteten, dass die beiden Treublatter dafür gesorgt hatten, dass ihrem Gegner ein unerfahrenes Pferd untergejubelt wurde. Ritterlich wäre es vom Herren Gisbrun gewesen, bei all diesen Zweifeln eine Wiederholung des Rittes zu erlauben. Doch dem Treublatter war der sichere Einzug ins Viertelfinale lieber.
Die dritte Runde
Dort hatte er das Losglück als erster Reizer einen der Trutzer wählen zu dürfen. Er suchte sich den mittlerweile am meisten geschwächten Gegner heraus: Holdwin vom Kargen Land. Doch obschon dieser nach seinen langen Kämpfen gegen Gari von Firunslicht-Sjepensen und Larona von Bardostein bereits verletzt war, dachte er nicht daran, die Waffen zu strecken. Letztlich musste er der schmerzenden Schulter aber doch Tribut zollen und dem ungeliebten Gisbrun den Sieg überlassen.
Als erstaunlich ehrgeiziger Lanzenreiter erwies sich einmal mehr Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels, der den fast sechzig Lenze zählenden Baron von Hexenhain überwand und den Jubel – speziell aus den Reihen der Alttreuen und zugereisten Schetzenecker – sichtlich genoss.
Mit dem Wehrmeister Thorben von Hammerschlag und Mechtessa von Sighelms Halm kreuzten zwei der wohl besten Streiter des Kosch ihre Lanzen. Beide standen wohlgeübt und großgewachsen im besten Kampfesalter – zwischen Kraft der Jugend und gewonnener Erfahrung. Entsprechend schön war auch ihr Gestech anzusehen. Am Ende mag es wohl die Erschöpfung nach Gestampfe und langen Tjosten gewesen sein, die im zwölften Ritt den Ausschlag für die Baronin von Geistmark gab. Gleichwohl zollte der knapp unterlegene Hammerschlager seiner Bezwingerin Respekt, bevor beide unter den Hochrufen der Bewunderer das Feld verließen. Ähnlich rondrianisch gekonnt ging es beim letzten Tjost zwischen Welfert von Mersingen und Roana von Schwarzfels zu. Hier stand sich jedoch ein ungleiches Paar gegenüber: Ein gestandener Recke und eine Rondra-Novizin – wenngleich die Waffengefährtin Hagens von Sturmfels mit über 32 Jahren nicht so unerfahren war, wie ihr Titel klingen mag. Wahrlich, wer so weit gekommen war, musste mit großem Talent gesegnet sein. Am Ende setzte sich aber doch die Schlachtkenntnis in Gestalt des Rabenmärkers durch – der schon nach dem Gestampfe vielen als Favorit galt ... und diese Rolle klar unterstrichen hatte.


Die vierte Runde
Entsprechend selbstbewusst trat Welfert den Gang ins Vorfinale an. Dort sah er sich Gisbrun von Treublatt gegenüber – der inzwischen zur Reizfigur für das gemeine Volk geworden war. Jede seiner Gesten wurde von den Zuschauern ausgebuht und verhöhnt. Welfert dagegen wurde als willkommener Rächer angefeuert.
„Das wird dein Ende, Treublatt!“, hörte man rufen – „Der schwarze Mersinger wird Euch zerlegen!“
Ritter Trest von Vardock wurde derweil, so hatte man erfahren, von den versammelten Moorbrücker Rittern in ein kleines „Übungsgefecht“ verwickelt, um ihn so davon abzuhalten einmal mehr zugunsten seines Freundes Gisbrun einzuschreiten. Erstaunlicherweise schien diese geballte Gegnerschaft dem Treublatter wenig auszumachen – vielmehr ritten beide Gegner gleichermaßen aufgepeitscht gegeneinander an. Im Anritt riss Gisbrun seine Lanze kurz bedrohlich in Richtung Visier des Mersingers, dann doch noch nach unten – hatte den Rabenmärker mit diesem gefährlichen Manöver jedoch derart abgelenkt, dass dieser den Stoß, der ihn nur knapp unter der Kehle traf, nicht mehr aufzufangen vermochte. Die Proteste des Publikums wurden alleine von einem markerschütternden Schrei Welfert von Mersingens übertönt, der sich seinen Helm vom Kopf riss, sein Schwert zog und wutentbrannt auf den Treublatter losstürmte. Dieser blickte hochmütig von seinem Ross hinab zum rasenden Welfert: „So zügelt euch doch! Die Lanze, sie ist mir fast entglitten... das war keinerlei Absicht... ist doch nichts passiert...“
Doch keines der Worte vermochte das kochende Blut des Heermeisters zu kühlen, der sich mittlerweile anschickte, Gisbrun am Stiefel zu packen und aus dem Sattel zu ziehen. Dieser versuchte sich mit einem gezielten Tritt zu wehren, was der Mersinger wiederum mit einem Schwertschlag abwehrte. Blut floss aus dem Schenkel, ein lauter Schrei, ein schnaubendes Pferd... nicht weniger als sieben Feldwachen waren mittlerweile herangeeilt und trenten die beiden Kontrahenten voreinander. Nach Beratung mit dem Rondrageweihten Irian von Tandosch entschied der Herold – sichtlich zögernd und unzufrieden – den Sieg dem Junker von Treublatt zu belassen. Wohl auch, um die beiden Hitzköpfe nicht nochmals mit Lanzen gegeneinander antreten lassen zu müssen.
Seinen Gegner in Finale ermittelten Mechtessa von Sighelms Halm und Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels. Auch wenn beide streitbare Gemüter in sich tragen, so ging diese Begegnung deutlich ruhigblütiger vonstatten. Ein Stoß beförderte beide gleichzeitig aus dem Sattel, so dass sie zu ihren Schwerter griffen und das Gefecht im Zweikampf am Boden entscheiden mussten. Doch Mechtessa hinkte nach dem Sturz – der Vorteil lag beim zufrieden lächelnden Reto. Ein kraftvoller Hieb des Grafenenkels ließ die Geistmärkerin fast straucheln, ihr Waffenarm zitterte. Dann holte Reto weit zu einem zweiten Wuchtschlag aus – etwas zu weit, etwas zu siegessicher, denn in diesem kurzen Moment bekam seine Gegnerin die Gelegenheit für einen entscheidenden Stich in den Oberarm des Bodriners. Ein Schrei aus Schreck und Schmerz, die Retosche Waffe fiel in den Staub... Baronin Mechtessa von Sighelms Halm stand im Endkampf.


Der Endkampf
Auf ihr, der Gemahlin von Baron Kordan von Geistmark, ruhte nun die gesamte Hoffnung. Doch sie war nach diesem langen Turnier am Ende ihrer Kraft. Vor dem finalen Gestech vermochte sie es kaum noch in den Sattel zu steigen. Auch Gisbrun von Treublatt schien angeschlagen – jedenfalls trug er einen dicken Verband an seinem verwundeten Bein. Die wenig herzliche Begrüßung quittierte er hingegen mit einem breiten Lächeln. Ein Blick zu seinem zufrieden zurücknickenden Vater Roban, dann schloss er sein Visier und legte die Lanze an. Donnernde Hufe. Bereits der erste Stoß und die Geistmärkerin schwankte... doch sie hielt sich mit letzter Gewalt tapfer auf dem Rücken des Pferdes. Von ihren kastanienbraunen Locken tropfte Schweiß. Zweiter Ritt.
Angepeitscht von der Menge konnte die Baronin ihre Lanze heben, sie mit aller Macht halten und tatsächlich treffen.
Aber die Waffe des Fürstenhorters fand ihr Ziel besser. Während der kraftvolle Recke sich wieder in den Sattel zog, glitt die Geistmärkerin langsam aus ihrem Sattel – sie versuchte sich noch zu halten, doch ihre tauben Finger ließen es nicht zu. Die Rüstung zog sie in die Tiefe. Ihr erschöpfter Körper fiel in den Staub.
Die Menge verstummte... kein glückliches Ende? Keine Gerechtigkeit? Gisbrun von Treublatt riss seine Arme in die Höhe, er hatte das Turnier für sich entschieden. Einzelne klatschten, nur die Treublatter Ritter und ihre Gefolgschaft jubelten, während der Junker zu seiner Ehrenrunde aufbrach. Artig und stolz nahm er aus der Hand des Fürsten den Siegeskranz entgegen. Doch die Hoch-Rufe der Treublatter verklangen kläglich in der schockstarren Stille, die sich über weite Teile des Brodilsgrunds gelegt hatte.
Dann stieg die Geschlagene, Mechtessa von Sighelms Halm, ein letztes Mal auf ihr Ross und ritt zum Fürsten um ihm als Unterlegene die Aufwartung zu machen. Er sah sie in einer Mischung aus Mitleid und väterlichem Stolz an. Dann reichte er ihr seinen Humpen mit Angbarer Alt zur Stärkung und Aufmunterung. Als sie ihn entgegennahm, erhoben sich die Koscher Bürger, der Adel und auch die bereits zuvor ausgeschiedenen Ritter von ihren Plätzen. Ein ohrenbetäubender Jubel brach sich Bahn... dies war sie, die wahre Siegerin! Sie sollte den ihr gebührenden Applaus erhalten... ihren gerechten Lohn... bei Rondra!
Bleich vor Überraschung und Zorn blickte Gisbrun fassungslos in die tosende Menge, auf seine besiegte Gegnerin, die verlegen den Fürstenhumpen wie einen Siegespokal in die Höhe hielt. Er, der unterlegene Sieger.

Das Abschlussbankett
Wortkarg saß Gisbrun von Treublatt zur Rechten des Fürsten beim abschließenden Ehrenbankett. Die Fürstinmutter hatte in den neu fertig gestellten Ostflügel geladen. Erst langsam, mit zunehmendem Trankgenuss, taute der Turniersieger auf und prahlte angesichts seines errungenen ewigen Ruhmes. Das letzte Wort hatte jedoch auch hier Mechtessa von Sighelms Halm, als sie sich erhob und alle Anwesenden auf den anschließenden Feldzug in das seit dem Wüten des Alagrimms verwilderten Teil Wengenholms jenseits der Ange einstimmte. Da hob die Tafel gerne die Kelche und trank auf den Erfolg dieser Unternehmung. Auf ein freies Wengenholm!

Losiane Misthügel