Entführung des Prinzenpaares - Im Norden nichts Neues

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Wengenholm, 1031

Doch die Hoffnung bestätigte sich nicht. Der Krambold wusste wohl einiges über die gefährlichen Verhältnisse im Norden des Kosch zu berichten, doch vom Prinzenpaar hatte er nichts vernommen. Dennoch, der Wehrmeister Thorben von Hammerschlag machte schon die ganze Zeit den Eindruck, als würde er ahnen, auf welcher Burg das Paar sich mit seinen "Entführern" befinden könnte.
"Mir erscheint nach der Karte der stummen Händlerin die Burg Firntrutz an der Grenze zu Andergast am Wahrscheinlichsten zu sein", erklärte er im Lauf der abendlichen Unterredung. Der Kiepenkerl Zwiebenhang sah erschrocken aus als er das hörte.
"Wenn schon Angenbrück im Tal derart vom Winter geplagt wird, wie tödlich mag Firuns Zorn oben auf der Firntrutz toben. Mögen die guten Götter es geben, dass das Paar noch lebt."
"Na gut, daß ich zwei, drei Pfund Fettsalbe mehr eingepackt habe. Mag meine Ohren und ähnliche Dinge nämlich behalten. Ohne Ohren sieht so ein Gesicht nämlich gar nicht aus. Und auch die meisten Nasen sind zu schmuck, um sie sich einfach abfrieren zu lassen...," brummte Adran von Schmalfurt und inspizierte kritisch die Nasen der Umstehenden. Der Geistmärker Baron hieb seinen Bierkrug auf den Tisch.
"Bei Rondra, alles, was wir brauchen, um dem Prinzenpaar Hilfe zu bringen, will ich zur Verfügung stellen!"
Er trank den Rest des Biers, den er eben nicht verschüttet hatte, und fuhr etwas ruhiger fort:
"Doch bei aller Eile sollte gut überlegt sein, was wir brauchen und wie wir es transportieren. Schließlich ist das Letzte, was wir brauchen, ein Dutzend weitere eingeschneite Ritter auf dieser Burg."
Der Baron setzte sich auf den Tisch und wandte sich dem Heermeister zu.
"Sag mal, Thorben, wer sitzt denn eigentlich auf dieser Firntrutz?"
Unwillkürlich fasste Antara sich an die zierliche Nase, nur um dann die Hand schnell wieder runter zu nehmen. Sie räusperte sich.
"Ähm, ich hoffe man kann hier mit dicker Kleidung aushelfen. Ich fürchte bei unserem Aufbruch war nicht geplant, daß wir uns in das Reich Firuns begeben müssen."
Urion schmunzelte ob der Worte Antaras und raunte den nahestehenden Märkern süffisant zu:
"Anscheinend kennt man im Süden den gestrengen Herrn Firun nicht? Viele unserer südlichen Nachbarn mögen uns hinterwäldlerisch schimpfen, aber in ihren teueren Roben friert sich´s ganz ordentlich. Na, ja die erfrieren halt unter Einhaltung der Etikette. Willkommen im Rauhen Norden, dem Schild des Reiches."
Von Anselm war ein schnelles Schlucken des gerade aufgenommenen Weines zu bemerken, welches er schließlich mit einem Grinsen quittierte.
Thorben sah zu Kordan, dann schaute er in die Runde und antwortete:
"Auf der Firntrutz sitzt der gute Grimm. Eine Seele von Mensch, aber ein bischen eigenbrötlerisch. Graf Jalliks verstorbene Mutter kommt aus dem gleichen Geschlecht. Die Burg ist alt, sehr alt, und nicht wirklich heimelig. Mich wundert, daß die Entführer, diese als Liebesnest ausgesucht haben."
Nachdenklicher fuhr er fort:" Es wird ein wahres Wagnis diese Burg bei diesem Wetter zu erreichen. Wir sollten überlegen, ob wir alle Pferde gegen Pferde aus der Region eintauschen, eure Rösser, ebenso wie meines, werden die Strapazen nicht überstehen oder sich Fehltritte leisten und euch mit in den Tod reißen. Die Firntrutz liegt in tiefster Wildnis, hervorragendes Jagdrevier, aber der Weg ist im Winter fast nicht zu machen. Auch sollten wir Boten an die Bergschützen und an Graf Jallik senden. Wenn wir scheitern, sind sie die einzigen, die es schaffen könnten", schloß der Wehrmeister düster.
Anselm blickte zu Thorben und fragte dann: "Wäre es eventuell sogar besser, wir reisen mit den Pferden nur einen Teil des Weges und rüsten uns mit Schneeschuhen oder ähnlichem aus, um den restlichen Weg zu Fuß zurück zu legen?"
Lyeria hatte die Versorgung des Kramboldes ihrem Knappen Timokles überlassen und schaute nun schweigend und gedankenverrloren in die tanzenden Flammen des Kamins. Nach einer Weile hob sie an zu sprechen, ohne ihren Blick vom Feuer zu lösen:
"Firun ist ein strenger Gott, auch Menschen, die fest sind im Glauben, treibt er an den Rand ihrer Kräfte. Wir müssen uns gut ausrüsten, damit wir seinem Element trotzen können. Ich werde nun zu Bett gehen, ich brauche den borongefälligen Schlaf. Wann werden wir aufbrechen? Morgen bereits oder erst wenn die Unbillen des Wetters sich bessern und vielleicht schon alles zu spät sein wird?"
Bei den letzten Worten wandte sie sich um und blickte fragend in die Gesichter der Versammelten. Der Wehrmeister nickte dem Pechakerner zu. Doch bevor er antworten konnte, hatte schon die Golgaritin gesprochen. Und wieder war es einem Mitglied der Gemeinschaft gelungen, sie mit einem Nebensatz dermaßen unter Zugzwang zu setzen, daß wohlüberlegtes und abwartendes Vorgehen ausgeschlossen war. Thorben straffte sich und sagte:
"Wir werden so bald wie möglich aufbrechen. Also morgen im Laufe des Tages oder Übermorgen in der Frühe. Vielleicht kann das Gesinde hier uns tatsächlich Schneeschuhe flechten. Kordan?"
Ohne eine Antwort abzuwarten sprach er weiter. "Und wir werden so weit reiten wie möglich. Und so viele Vorräte mitnehmen wie möglich. Dann lassen wir die Pferde am letzten Weiler zurück, den wir mit ihnen noch sicher erreichen können und versuchen vorher noch einige Maultiere zu bekommen, die uns die schwersten Lasten abnehmen können."
Thorben machte eine kleine Pause und wandte sich zum Prinzen: "Wenn euer Liebden einverstanden sind!"
Urion wandte sich an Thorben.
"Wenn wir die Pferde am letzten Weiler schon zurücklassen müssen, sollten die Märker wenigstens ihre Ersatzpferde nutzen. Ich glaube unsere Rösser sind hier besser aufbewahrt als auf irgendeinem von den Göttern verlassenen Weiler. Auch sollten möglichst viele Vorräte und Pferdefutter mitgenommen werden, weil ich mir sicher bin, dass die Leute dort nicht damit rechnen so viele Pferde vielleicht über Wochen durchzufüttern. Und ich werde die Pferde auf keinen Fall so leichtsinnig riskieren, wenn ich es schon vorher verhindern kann. Auf jeden Fall werden die Greifenfurter Kalten morgen als Wegbereiter und Schneeschieber dienen. Ihr verzeiht, ich werde sie jetzt auf diese schwere Aufgabe vorbereiten."
Urion verneigte sich vor dem Prinzen und ging aus dem Saal. Beißende Kälte umfing ihn und er stieß ein Stöhnen ob der niederhöllischen Kälte aus. Am Stall angekommen weckte er den Stallknecht und begann die Fesseln der Tiere mit weichen und schweren Lederbänder und -schienen zu umbinden. Danach besorgte er für jedes Tier eine zusätzliche Decke.
Antara dachte an Rabenschweif, und wie der Schnee und die Kälte dem Rappen, der eher die saftigen Weiden des Yaquirtales gewöhnt war, zu schaffen machten.
"Nun ja, ein Ross, das an den vielen Schnee dort draußen gewöhnt ist, wäre in der Tat von großem Nutzen. Was diese Schuhe aus Schnee angeht vertraue ich auf Euren erfahrenen Rat."
Prinz Edelbrecht schmunzelte, dachte jedoch offenbar nicht daran die Geweihte darüber aufzuklären, dass Schneeschuhe keineswegs aus Schnee waren. Sie würde es früh genug erfahren. Stattdessen wendete er sich an Wehrmeister Thorben.
"Auch ich war einst auf der Firntrutz zu Gast – und ich hatte die Gegend tatsächlich als gutes Jagdrevier in Erinnerung. Die alte Burg barg einen alten Schrein Firuns und galt fast schon als heilige Stätte. Wollen wir hoffen und beten, dass dieser Schutz meinen Bruder und meine Schwägerin gut behüten möge."
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: "Nun, ich stimme Eurem Plan zu - es wird wenig Sinn machen ohne Vorbereitungen aufzubrechen. Wenn unsere Gruppe auch noch gefährdet wird, ist niemandem damit geholfen. Dennoch, so bald irgend möglich möchte ich aufbrechen ... mir kommt jeder Moment dieser Suche wie eine Stunde vor, während Eis und Schnee die Firntrutz umfangen."
Dann erhob sich der Prinz.
"Ich werde ebenfalls versuchen nun ein wenig zu schlafen. Ausgeruht kommen wir bis morgen Abend weiter als mit müden Gliedern. Gehabt euch wohl, bis morgen dann!"
Answin von Boronshof hatte die Diskussion schweigend verfolgt, nur beim Vorschlag Anselms einen Teil des Weges, so nötig, zu Fuss zu gehen verzog er ein wenig das Gesicht. Allerdings war der Sinn eines solchen Vorgehens so offensichtlich, dass er es vorzog, kein Kommentar dazu abzugeben. Als der Prinz sich verabschiedete trat auch Answin nach einem kurzen "Gute Nacht!" den Weg ins Bett an.
Für einen kleinen Moment war Ardo versucht gewesen laut loszuprusten. Bis er sich besann, dass dies mit einem Mund voll Wein keine gute Idee zu sein schien, hatte er bereits einen Schluck in den falschen Hals bekommen und musste heftig Husten um diesen Missstand zu beheben. Als er wieder Luft bekam warf er einen Blick auf die hübsche Golgaritin. Ohne Frage hatte ihm der Wein einen guten Dienst erwiesen. Auch wenn sicherlich jeder im Raum außer ihr wusste, was mit den Schneeschuhen gemeint war, doch da selbst seine prinzliche Durchlaucht nichts gesagt hatte, stand es Ardo erst recht nicht zu die Boroni bloßzustellen. Dem Beispiel des Prinzen folgend und im Bewusstsein, dass er auf Grund seines Hustenanfalls die Aufmerksamkeit der restlichen Gesellschaft besaß, hob Ardo seinen Becher an die Lippen und leerte mit Bedacht den letzten Rest des Würzweines, bevor er sich den umstehenden Edlen zur Nachtruhe empfahl.
Als Boroni war Antara zu gut mit der menschlichen Natur vertraut, als dass es ihr entgangen wäre, dass ihre Worte für Heiterkeit sorgten, obwohl alle versuchten es zu verbergen. Ihr wollte beim besten Willen nicht einfallen, was sie erheiterndes gesagt haben könnte. Vermutlich machten sich diese Barbaren über ihren Yaquirtaler lustig, aber was sollte man auch von Leuten erwarten, die auf riesigen Ackergäulen ritten! Sie beschloss sich nichts anmerken zu lassen und empfahl sich der Nachtruhe ihres Gottes. Mit dem stolz erhobenen Haupt einer echten Domna verließ sie die Stube. Anselm verfolgte das "Schauspiel" mit ruhiger Miene.
'Die Golgariten hielt sich wacker', dachte er, 'es war gar selten, dass Äußerungen einer Dienerin des Boronsordens für Erheiterung sorgte - Dualismus des Lebens - Boron und Tsa - öfter mal was Neues.'
Während dessen lag Urion bereits mit zwei Decken eingehüllt im Heu über dem Pferdestall und lugte durch ein Loch des Daches in den klaren Sternehimmel. Er sann nach. Was hatte die Golgaritin in ihrer Vision einst gesehen? ""Im Herbst verliert der Baum all seine jungen Blätter und scheint nimmermehr blühen zu wollen. Der Wind, der einen der Triebe pflegen will, pflückt ihn stattdessen und trägt ihn in eine falsche Richtung, hinein in bitteren Winter. Es wird dunkler; bitterkalter, todbringender Frost bricht herein. Eine Schneedecke legt sich über alles…""
Er hob seine Hand gen Himmel. "Ihr Götter, gebt dass wir sie finden und den Frühling dem Hause vom Eberstamm wiederbringen. Gute Frau Ifirn, besänftige deinen Vater, auf dass uns diese Queste gelingen möge. Den Herrinen Peraine und Rahja anempfehle ich die Rösser. Haltet Eure schützenden Hände über unsere treuen Begleiter. So sei es."