Entführung des Prinzenpaares - Durch Firuns Zorn

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Autor: Blauendorn

Wengenholm, 1031

Tatsächlich erwies sich der weitere Weg als leicht zu finden, jedoch auch als zunehmend mühselig. Der eisige Wind und der Schneefall blieben unangenehme Begleiter der Gruppe, die sich dennoch tapfer und vom gemeinsamen Auftrag angetrieben, so schnell wie möglich weiterkämpfte. War die Schneedecke bei Bauersglück noch wadenhoch, so reichte sie bei Rondrasdank schon fast bis zum Knie. In Rondrasdank machte die Gruppe in dieser Nacht Rast, brach jedoch schon früh wieder auf. Getrieben von zunehmender Sorge, denn je deutlicher die Lage hier im Norden des Kosch vor Augen stand, desto klarer wurde auch die Gefahr, in der sich das Prinzenpaar befand. Wahrscheinlich waren sie in der ohnehin entlegenen Burg eingeschneit worden. Ihre "Entführer" hatten sicher ebenso wenig mit einem derart frühen und heftigen Wintereinbruch gerechnet, wie die einheimischen Bauern, die dankbar vom vorsorglich mitgeführten Proviant nahmen.
Die Ange, sonst ein reißender Gebirgsfluss, begleitete die Gefährten nun unter einer Eisschicht. Ein Anblick, den man selbst hier, in den wilden Wengenholmer Bergen, nur selten sieht... und wenn, dann erst im Firunmond und noch nicht schon Anfang Hesinde.
Als man an der Angenburg vorbeizog, wollte der Prinz seinen alten Freund, den Grafen Jallik von Wengenholm, besuchen, doch der Burgmeister Guldewart vom Berg berichtete, dass der Graf schon vor einigen Wochen zu einer Pilgerfahrt aufgebrochen sei, um den Herren Firun um Milde zu bitten. So früh, dass er von der Entführung seiner Schwester Nadyana und ihres angetrauten Erbprinzen nichts erfuhr. Angesichts der mehr und mehr spürbaren Eiseskälte, erschien die Pilgerreise allen als weiser Entschluss, und man wünschte ihm allenthalben Erfolg.
Dennoch war Prinz Edelbrecht etwas enttäuscht, die Reise nicht mit seinem treuen Freund Jallik fortsetzen zu können, zumal er sicher war, dass der junge Graf alles hätte stehen und liegen lassen um seine Schwester zu suchen. Der Gedanke, dass sie vielleicht zu spät kommen könnten, und nur noch Erfrorene oder Verhungerte vorfinden würden, wurde für ihn nun umso schmerzlicher. Er wusste, dass Jallik es sich niemals verzeihen würde, nicht selbst gesucht zu haben. Umso eifriger war nun Edelbrechts Wunsch nicht zu zögern, so dass man es am Abend bis nach Angenbrück schaffte, ehe die Dunkelheit eine Weiterreise zu gefährlich machte. Die ohnehin kurzen Tage waren hier, zwischen den sich links und rechts zunehmend auftürmenden Bergmassiven, deutlich kürzer.
Am Morgen überquerten sie Ange hinüber nach Angenfurten. Man entschied sich von hier ab die Pferde zurückzulassen und in die Obhut der Edlen Vieska und Dania von Angenfurten zu geben. Es war Zeit sich die Schneeschuhe umzubinden und den Weg durch die Winterlandschaft zu Fuß fortzusetzen.
Es war bereits Abend, als ein Anblick Prinz Edelbrechts Herz in Aufruhr versetzte: Im trüben Goldgrau der hinter den Schneewolken versinkenden Sonne zeichnete sich der Umriss eines Turmes am Horizont ab, der auf einem steilen Berg über dem Tal der jungen Ange thronte. In seiner Entfernung klein wie ein Nagel, doch vor seinem geistigen Auge groß und erhaben.
"Seht ... das ist die Firntrutz! Wir werden sie morgen endlich erreichen!"
Am liebsten wäre er weiter geschritten, unermüdlich, mit neuer Kraft.
"Dort drüben ist eine Alm. Der Schornstein raucht zwar nicht, aber vielleicht finden wir dort dennoch die nötige Rast vor dem morgigen letzten Abschnitt", hörte der Prinz einen seiner Gefährten sagen. In dessen Stimme lag Erleichterung, dass das Ziel endlich zum Greifen nah erschien. Edelbrecht blieb einen Moment reglos stehen und starrte auf die Burg, das Bild seines Bruders, der im selben Augenblick an der Seite seiner Gemahlin seine letzten Atemzüge haucht, kam ihm unwillkürlich in den Sinn. Nur mühsam erkämpfte sich die Vernunft ihren Sieg, es wäre zu töricht in der Nacht durchs Angental weiterreisen zu wollen. Sein Gesicht und die Füße schmerzten vor Kälte, als er sich langsam dem Zug zur nahen Alm anschloss.
Urion war am Ende seiner Kräfte. Die Kälte und vor allem der lange Fußmarsch hatten ihn erschöpft. Für ihn waren Schneeschuhe zwar nichts ungewohntes, aber er kannte sie nur im hügeligen Gelände um Hexenhain und den Marstall herum. Hier im Gebirge hatte er eine ganz neue Erfahrung gemacht. Als er die Alm vor sich sah, atmete er erleichtert auf und beschleunigte seine Schritte. Sein Rucksack wog schwer, hatte er es sich doch nicht nehmen lassen, das kleine Fässchen mit dem Selbstgebrannten mitzunehmen. Er würde die Kameraden aufmuntern, wenn man die Alm erstmal erreicht hatte.
Voll innerer Ruhe stapfte Lyeria durch die ellenhohen Schneewehen. Keine Regung war ihren Gesichtszügen zu entnehmen, und doch war sie innerlich angespannt wie ein Kriegsbogen. Stets versuchte sie sich nahe des Prinzen aufzuhalten und nahm dabei keinerlei Rücksicht auf ihren Knappen, der sich trotzdem hinter ihr her durch den Schnee kämpfte. Er hatte sich zwar die Schneeschuhe angezogen, doch nutzten sie ihm wenig, da er nicht mit ihnen umzugehen wusste. Doch von innerem Eifer getrieben stand er dennoch fast an der Spitze des Zuges. Hellauf begeistert nahm er zur Kenntniss, dass sie bald eine warme Unerkunft hatten, was seine Schritte noch mehr anspornte.
Mühsam kämpfte sich Antara durch den meterhohen Schnee. Mit den Schneeschuhen wollte es nicht so recht klappen, und so sank sie immer wieder bis zu den Knien ein. Erschöpfung machte sich breit und die schneidende Kälte lähmte alles. Eine bleierne Schwere breitete sich in den Gliedern aus. Jetzt einfach hinlegen und den Schlaf freudig empfangen. Süßes Vergessen würde sie empfangen und alles Leiden würde ein Ende haben...
Nein! Das durfte sie nicht zulassen!
"Oh, Herr Boron, Oh Herr Firun! Schenkt mir die Stärke in dieser schweren Stunde stand zu halten."
Nur leise war ihr Flehen an die Götter zu hören, aber gehört wurde es! Sie fand die Kraft sich auf den Beinen zu halten und weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen, mochten die Glieder noch so schwer, die Schneewehen noch so hoch sein. Der Schmerz des gepeinigten Körpers war vergessen, eine Leichtigkeit hatte ihren Geist erfasst.
Das Krächzen eines Raben war zu vernehmen, aber sie vermochte nicht zu sagen, ob es nur in ihrem Kopf oder auch draußen im schneidenden Wind erklungen war.
Man näherte sich der Alm. Dick lag der Schnee auf dem Dach. Die Fensterläden waren verschlossen, wohl um die Kälte draußen zu halten. Auf das Klopfen an der Tür reagierte niemand, doch die Tür war unverschlossen. Urion ging nach vorne.
"Wartet, mein Prinz, wer weiß, ob wir hier willkommen sind? Nicht, dass ihr beim Betreten mit einem Bolzen begrüsst werdet. Es sind wahrlich rauhe Zeiten. Lasst mich vorgehen."
Sagte es, hob seinen verstärkten Schild und öffnete die Tür mit dem Ausruf:
"Im Namen des Prinzen Edelbrecht vom Eberstamm, wer auch immer in der Hütte ist, ich komme jetzt rein!"
Sodann trat er ins Halbdunkel des Türeingangs. Nichts als eisige Kälte und Stille empfing Urion. Der Raum war dunkel - im Licht der durch den Türspalt fiel, konnte er einen Tisch und mehrere Stühle erkennen, einen verloschenen Kamin über dem Töpfe und Pfannen an einer Eisenstange hingen. Auch aus einer gegenüberliegenden Tür oder vom Obergeschoss, dass mit einer einfachen Holzstiege erreichbar war, drang kein Laut. Anscheinend waren die hiesigen Bewohner vor dem Frost geflohen, hatten vielleicht ein Winterquartier unten im Angenfurtener Tal.
Anselm Hilberan hatte die Befestigung seines Schwerts gelockert, um Urion zu Hilfe eilen zu können, solte dies notwendig werden. Diesmal jedoch schien seine Sorge unbegründet. Als er von Urion die Erläuterung gegenüber des Prinzen gehört hatte, verfluchte er sich im Stillen erstmalig, dass er den Schild zurückgelassen hatte - doch diesen noch mitzuschleppen war letzten Endes doch die bessere Entscheidung gewesen.
Anselm war ein ausgebildeter Ritter, der seine Waffenübungen immer sorgfältig verrichtete und auch auf seine Kondition achtete. Aber dieser Marsch zehrte an seinen Kräften und brachte den Greifenfurter an die Grenze seiner körperlichen Kondition. Schnaufend trat er näher an die Hütte und nah Rucksack und den verpackten Bogen von den Schultern, um den Raum - nach Urion - betreten zu können.
Während das Gros der Truppe, auch Timokles, sich in der Alm aufzuwärmen versuchte, blieb Lyeria noch draußen. Sie meinte schlicht, dass sie die Umgebung etwas in Augenschein nehmen möchte, damit sie keine Überraschung ereile. Also stapfte sie noch einmal um die Hütte herum, deren Dachfirst an manchen Stellen kaum von der Schneedecke abzuheben war, und ließ ihren Blick über die Bergkuppen schweifen. Über die endlosen weißen Gipfel und die schwarze Nadel, die sich kaum zu erkennen zwischen dem Weiß erhob. Das Ziel ihrer Reise.
"Möchte Firun ihnen gewogener gewesen sein, als vielen anderen in diesem Landstrich."
Als sie sonst nichts Seltsames sah, wandte sie sich ab und schaute auch in das Innere der Alm. Urion blickte zur Tür zurück und sah den Hundsgraber, wie er in den Türrahmen trat. Mit lauter Stimme rief Urion:
"Alles in Ordnung, kommt alle rein in die gute Stube."
Er wandte sich der Feuerstelle zu, doch außer kalter Asche waren keine Holzscheite zu sehen.