Dohlenfelder Thronfolgestreit - Twergenhausen marschiert

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
13. Ron 1033 BF
Twergenhausen marschiert
Lästige Einmischungen


Kapitel 55

Derweil auf Burg Schwarzfels
Autor: Reichskammerrichter, weitere



Nordmarken, 1033

Twergenhausen und Dohlenfelde, am 13. und 14. Rondra 1033 BF

Der Abend des 14. Rondra 1033 BF war bereits fortgeschritten. Der Hochgeweihte des Rondratempels zu Twergenhausen, Seine Hochwürden Throndwerth von Zweibruckenburg, saß im Schneidersitz auf dem Boden seines Zeltes im Heerlager vor Burg Schwarzfels. Es war laut im Feldlager, es herrschte fast Volksfeststimmung. Der grauhaarige und vollbärtige Rondrageweihte trug ein Kettenhemd, darüber den schlichten weiß-roten Überwurf seiner Kirche. Sein Langschwert lag neben ihm auf dem Boden, sorgsam auf eine Decke gebettet. Throndwerth hatte die Klinge eben erst von ein wenig Flugrost befreit und geölt. Die Schneide erfüllte nicht mehr seine Ansprüche, er würde sie bei einem Schwertschleifer nachschleifen lassen müssen. Dieses schwüle Hochsommerwetter tat dem Stahl nicht gut – ebenso wenig wie einem alten Mann.
Throndwerth war alleine. Seine beiden Tempeldiener, Akoluthen der Rondra aus Twergenhausen, waren irgendwo im Feldlager und genossen den Sommerabend. Die Öllampe warf ein beständiges, aber schwaches Licht auf das Büchlein auf dem Schoß des Geweihten. Throndwerth tunkte die Feder in sein Tintenfässchen und schrieb weiter, was in den vergangenen zwei Tagen geschehen war.
Es hatte alles damit begonnen, dass am Mittag des 13. Rondra Seine Exzellenz Gorfang Reto vom Großen Fluss und von Brüllenfels im Rondratempel auf Burg Darlinmund erschienen war, um Throndwerth um seinen Segen für den Feldzug wider den Edlen Darian von Lîfstein auf Burg Schwarzfels zu bitten. Der lebensfrohe Allwasservogt war zwar schon älter als 50 Jahre, hatte jedoch volles hellbraunes Haar und strahlte das unerschütterliche Selbstbewusstsein aller Mitglieder des Herzogenhauses aus. Doch die Sankt-Reghian-Sakrale zu Twergenhausen war nicht Burg Eilenwïd, sondern ein Haus der Himmlischen Leuin. Und Gorfang Reto hatte sich zutiefst vor Rondra versündigt, als er gegen sein Ehrenwort aus der ritterlichen Gefangenschaft in Albernia geflohen war, in die er in der Schlacht von Feenquell – als Prinz Romin mit seinen Horasiern Königin Invher den Kopf rettete – geraten war. Der Herzog, Gorfang Retos Vetter, war fürchterlich erbost über das Verhalten seines Allwasservogts und schickte Königin Invher seinen jüngsten Sohn als Ersatzgeisel. Dieser starb im darauf folgenden Winter in einer zugigen albernischen Burg. Der Allwasservogt hatte eine Pilgerfahrt nach Baburin gelobt, um sich von seiner Sünde vor Rondra reinzuwaschen. Doch bis heute hatte er seinen Bußgang nach Aranien nicht unternommen. Die Gnade und das Vertrauen des Herzogs – der ohnehin nie viel von seinem jüngstem Sohn, der immer schon von schwächlicher Konstitution gewesen war, gehalten hatte – hatte er jedoch wiedererlangt. Auch die Praioskirche hatte Gorfang Reto die Absolution erteilt, der Bote des Lichtes, der ein Vetter Gorfang Retos war, hatte eigenhändig eine entsprechende Urkunde gesiegelt. Denn der Schwur, den Gorfang Reto gegenüber Invher ablegte, war aus praioskirchlicher Sicht null und nichtig, denn Invher war zu diesem Zeitpunkt bereits geächtet und gebannt. Sie war damit gar nicht berechtigt, einen entsprechenden Schwur des Allwasservogts einzufordern.
Die Hofgeweihte der Rondra am Herzogenhofe, Raduvera vom Berg, hatte Gorfang Reto wiederum einen Aufschub nach dem anderen für seine Pilgerfahrt gewährt, denn der Vetter des Herzogs sei in den Nordmarken unabkömmlich. Sollte sich die Situation in Zukunft entspannen, würde Gorfang Reto ohne Verzögerung seinen Bußgang antreten. Am Hofe glaubte niemand mehr ernsthaft daran, dass der Allwasservogt noch nach Baburin reisen würde. Er galt gemeinhin als rehabilitiert. Viele Rondrageweihte außerhalb Elenvinas sahen das anders, jedoch scherte sich Gorfang Reto, wie die meisten seiner Familie, wenig um die Meinung des Bundes des Schwertes. Wie sagte es vor einigen Jahren Hilberian, damals noch Lumerian von Jast Gorsams Gnaden? „Ist nicht Herrn Praios’ Greif zugleich Frau Rondras Leu und Herrn Horas’ Aar, in Wesen und Geist untrennbar vereint und reingewaschen durch des Himmelsherrschers güldnen Glanz?“
Umso erstaunter war Throndwerth, als Gorfang Reto in blitzender Vollplatte vor ihm stand. Doch noch erstaunter war er, dass an der Seite des Allwasservogts Hagen von Salmingen-Sturmfels stand, ebenso in seiner Plattenrüstung, die aber nicht blitzte, sondern von vielen Scharten aus den Feldzügen wider Königin Invher gezeichnet war. Hagen und Angrond hatten es bislang beide nicht gewagt, Throndwerth in seinem Tempel in Twergenhausen unter die Augen zu treten, nachdem der Hochgeweihte die Brüder für den Zwist um das Erbe Bernhelms mehrfach öffentlich und auf das Schärfste gerügt hatte. Es erschien Throndwerth, als würden weder Hagen noch Angrond auf sein Urteil besonderen Wert legen. Beim Anblick Hagens musste Throndwerth nun sofort an seinen ermordeten Freund Bernhelm denken. Er hatte den Baron auf dem Maraskanfeldzug Kaiser Hals kennengelernt, bei der Niederschlagung des Tuzaker Aufstandes. Damals war der junge Kavallerieoffizier des Regiments „Raul von Gareth“ so alt wie Hagen heute. Hagen war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. In diesem Moment, in der hohen Tempelhalle zu Twergenhausen, fiel dies Throndwerth auf wie nie zuvor. Sein Gesicht, seine Mimik, wie er sich bewegte – Throndwerth sah den jungen Bernhelm vor sich, wie er damals im Dreck dieser von den Zwölfen verfluchten Inseln vor ihm stand und ihn wie einen alten Bekannten grüßte. Hagen hatte, wie Bernhelm damals, das Familienschwert „Hlûtharhilf“ gegürtet.
Als Hagen Throndwerth dann nach einem gemeinsamen Gebet vor dem Löwinnenaltar darum bat, den Feldzug zur Rückeroberung der Burg Schwarzfels als Feldkaplan zu begleiten, hatte der Hochgeweihte keine Möglichkeit, als zuzustimmen. Insbesondere, als Gorfang Reto betonte, dass man nun mit Rondras Mitteln zurückholen wolle, was auf ehrlose Weise, mit Magie, entrissen wurde. Es gelte, Rondra wie auch Praios durch die Taten, die da kommen sollten, zu rühmen. So wenig wohl ihm dabei war, Gorfang Reto zustimmen zu müssen, so wenig wohl ihm dabei war, in gewisser Weise Partei für Hagen zu ergreifen, war Darian von Lîfstein doch ein erklärter Parteigänger Angronds, so wenig war es Throndwerth möglich, die Bitte des jungen Barons und des Allwasservogts abzuschlagen.
So ließ Throndwerth sein Streitross satteln und begab sich auf die Felder der Growinsmark außerhalb der Stadtmauern, wo Hagens und Gorfang Retos beeindruckende Heere aufmarschiert waren: Dort waren neben den Feldzeichen der von Hagen beherrschten Baronien Dohlenfelde und Dunkelforst auch diejenigen seiner Verbündeten auszumachen, es fanden sich Kontingente der nordmärkischen Baronien Rabenstein, Orgils Heim, Galebquell, Schnakensee, Tandosch und Eisenstein, zudem der Koscher Baronien Sindelsaum und Metenar. Hagens Verbündete hatten das gut befestigte Feldlager bei Altengrund aufgegeben, um den Allwasservogt bei der Eroberung der Burg Schwarzfels zu unterstützen. Es gingen Gerüchte um, dass Gorfang Reto im Gegenzug versprochen hatte, in der zu erwartenden Entscheidungsschlacht Hagen gegen Angrond zu unterstützen. Alles sah danach aus, dass Angronds Heer am Schwertfest, also am 15. oder spätestens 16. Rondra, in Dohlenfelde einmarschieren würde. Eile war also geboten!
Neben den Adelstruppen war das Kriegsbanner der Herzogenstadt Twergenhausen zu sehen und auch das Zeichen der Flussgarde, dann die Banner der herzoglichen Vogteien Arraned und Fuchsgau. Dutzende weitere Banner von Junkern, Edlen und Rittern wurden stolz präsentiert, aus den Nordmarken und dem Kosch, aber auch aus Albernia, Garetien und Almada. An Würdenträgern waren die Barone, Vögte und der Bürgermeister sowie einige weitere Ratsdamen und -herren versammelt, dazu kamen Seine Hochwürden Helmbrecht Angroban von Zweifelfels, der in Twergenhausen residierende Ordentliche Inquisitionsrat der Grafschaft Isenhag, sowie die Magistra Argelia Canyzethia Nayrakia von Berlînghan-Ranaqidés, Magistra extraordinaria, Licentiata iuri magicae und ebenso in Twergenhausen residierende Gesandte des Bundes des Weißen Pentagramms am Grafenhofe zu Calbrozim. Beide hatten sich zur Aufklärung eventueller magischer Untaten bei der Eroberung der Burg Schwarzfels verpflichtet.
Insgesamt waren fast 400 Reiter – davon über 70 Ritter – und fast 1000 Fußkämpfer in der strahlenden Sommersonne zu bewundern. Der Tross umfasste noch einmal so viele Köpfe. Es erfreute Throndwerth, dass nicht einmal die Hälfte der versammelten Truppen Söldner zu sein schienen, denn für Gold zu streiten, das war unrondrianisch. Krieg war eine Sache des Glaubens, der Ehre und der Treue. Es war ein erhebender Anblick, der Göttin wohlgefällig! Throndwerth war sicher, dass dieses Heer eines der beeindruckendsten war, das je auf nordmärkischen Boden aufmarschiert war. Ein knappes Dutzend Rondrageweihte, zumeist Kaplane der war anwesenden Adligen und Einheiten, war anwesend. Doch diese baten Throndwerth, den Feldgöttinnendienst zum Abmarsch der Truppen zu halten und das Heer zu segnen, gehörten die Growinsmark und die rechtsdarlinischen Gebiete Dohlenfeldes und auch die Burg Schwarzfels doch zu seinem Sprengel. Throndwerth hielt aus dem Stegreif eine Predigt, die er der Heiligen Rondragabund von Riedemer widmete, der Schutzheiligen der Waffen – die gemeinhin als eine der politisch unverfänglichsten Rondraheiligen gilt.
Danach setzte sich das Heer in Bewegung, es marschierte auf der Via Ferra den Darlin entlang. Die Truppen durchquerten das Edlengut Wolkenfold. Throndwerth musste an die Duelle denken, die Bernhelm Neffe, der Landedle Voltan, wider die Landadligen Dohlenfeldes gefochten hatte, um das einfache Volk vom Kriegsleid zu verschonen. Voltan hatte dabei auch den Wolkenfolder Edlen Ardor von Schwarzfels besiegt, Wolkenfold beteiligte sich daher nicht am Feldzug Baron Hagens. Voltan hatte sehr ehrenhaft und außerordentlich rondrianisch gehandelt in seinem Bemühen. Dass in diesen Zeiten ausgerechnet ein fanatischer Praiosgläubiger – dessen kürzlich in Twergenhausen hingerichteter Vater von Bernhelm aus der Familie Sturmfels verstoßen worden war – das rondrianischste Verhalten aller Dohlenfelder Adligen an den Tag legte, das hatte Throndwerth ein weiteres Mal den ganzen Irrsinn des Bruderzwists zwischen Hagen und Angrond vor Augen geführt und sehr zu denken gegeben. Er hatte Voltan erst gestern an dessen Krankenbett besucht und ihm seine Hochachtung ausgesprochen.
Die Truppen des Allwasservogts und Hagens zogen, ohne auch nur einen der Söldlinge oder Gardisten in Diensten des Edlen zu Schratzelroth zu Gesicht zu bekommen, schließlich durch den Marktort Dohlenfelde. Die Leute dort beäugten misstrauisch die Truppen, es war allgemein bekannt, dass sie wenig von Baron Hagen hielten. Die Landwehr hatte Hagen hier wohl in weiser Voraussicht nicht ausheben lassen. Einzig die Praiosgeweihte des Marktes begrüßte Hagen und Gorfang Reto mit aufrechter Freude, an ihrer Seite fanden sich einzig einige Sympathisanten des Bannstrahlordens, die sich als Freiwillige Hagen anschlossen, um den „finsteren Zauberer“ auf Burg Schwarzfels der Gerechtigkeit zu überantworten. Weder der Inquisitor noch die Weißmagierin waren sonderlich erfreut über diese ungefragte Unterstützung.
Throndwerth goss Öl nach, da die Lampe fast erloschen war. Beim Gedanken an den Inquisitor musste er schmunzeln. Der Mann war in einem Gerichtssaal gut aufgehoben. Er war jedoch sicherlich niemand, der einem Feldzug etwas abgewinnen konnte. Andererseits, dass er zusammen mit der Magierin eine Kutsche genommen hatte, statt zu reiten – diese Vorstellung fand Throndwerth köstlich. Er schrieb weiter.
In Markt Dohlenfelde teilte sich das Heer. Der größere Teil marschierte, unter Führung des Allwasservogts, auf der almadanischen Via Ferra direkt weiter zur Schwarzfels. Der kleinere Teil, immer noch Kämpfer in Regimentsstärke zählend, überquerte den Darlin und zog über die nordmärkische Via Ferra, also auf dem Territorium des Junkerguts Erzweilers, in dem Hagens eifrigste Parteigänger zuhause waren, zur Wasserburg Schwarzfels. Kaum war der Darlin überquert, schloss sich dem Heer die Landwehr des Junkerguts, begierig, sich in der Schlacht zu beweisen. Angeführt wurden diese Truppen von Ritterin Aliena von und zu Maringen, die nach der Absetzung des Ritters Rondrian die neue Herrscherin des Ritterguts Maringen waren. Die Ritterin nahm von Hagen persönlich das Feldzeichen Dohlenfeldes entgegen, war sie nun doch die ranghöchste Dohlenfelder Landadlige in seinem Gefolge und damit die Bannerträgerin der Baronie.
Der Edle Darian von Lîfstein schien sich mit allen seinen Truppen auf die im Darlin gelegene Wasserburg zurückgezogen zu haben. Nach den Aussagen der Bauern und Hirten des Umlandes standen in der Burg nun einhundert horasische und zehn zwergische Söldner, dazu kamen eine Handvoll Kämpfer im Rock des Edlenguts Schratzelroth. Zu einem kleinen Aufruhr kam es, als bekannt wurde, dass sich zwei Dutzend unfreie Bauern, größtenteils aus dem direkten Umland der Burg, Darians Kämpfern angeschlossen hatten. Der Edle hatte den Leibeigenen die Freiheit versprochen, würden sie für seine und damit Angronds Sache kämpfen und hatte sie wohl mit Armbrüsten aus dem Magazin der Burg ausgestattet.
Am frühen Abend des 13. Rondra hatten beide Heere die ausgewählten Lagerplätze außerhalb der Reichweite der Geschütze der Burg Schwarzfels erreicht, zudem wurden vorgeschobene Posten bezogen. Keine Maus würde mehr ungesehen aus der Burg kommen, Darian saß in der Falle. Der Edle aus Eisenhuett hatte alles auf eine Karte gesetzt – und offenbar verloren. Bereits in der Nacht wurden die ersten Rotzenkugel- und Armbrustbolzensalven zwischen Belagerten und Belagerer ausgetauscht, kurz nach Sonnenaufgang am 14. Rondra fand ein Belagerer den Tod, ein knappes Dutzend Kämpfer wurde verletzt.
Am Vormittag folgte eine große Besprechung der Adligen, Offiziere und Rondrageweihten im Zelt des Allwasservogts. Es wurden verschiedene Varianten diskutiert, wie man die Burg Schwarzfels möglichst schnell und rondragefällig unter Kontrolle bringen könnte. Und dies erwies sich schon in den Gedankenspielen als schwieriger als erhofft. Denn bald wurde deutlich, dass zumindest Bürgermeister Throndwig Gliependiek darauf gehofft hatte, dass Darian von Lîfstein anbetracht der großen Übermacht kapitulieren würde – oder die Burg bereits vor Ankunft des vereinten Heeres kampflos geräumt hätte. Dem war offensichtlich nicht so. Der Edle war, wie ein in die Enge getriebenes Raubtier, bereit zu kämpfen.
Selbstverständlich wäre es möglich, die Burgbesatzung – immerhin mindestens 150 Personen – auszuhungern. Obwohl Darian in den umliegenden Ortschaften viele Vorräte gekauft hatte, würden diese kaum länger als ein paar Wochen ausreichen. Spätestens übermorgen jedoch war mit Angronds Heer zu rechnen – bis dahin sollte die Schwarzfels gefallen sein, oder ein merklicher Teil des vereinten Heeres würde nicht zur Schlacht gegen Angrond bereitstehen. Murren wurde laut, warum man mit dem Angriff Burg Schwarzfels überhaupt so lange gewartet hätte. Als nächstes wurde vorgeschlagen, die Wasserburg in Trümmer zu schießen und dann im Sturm zu nehmen. Doch selbst dies würde selbst im Idealfalle mehrere Tage in Anspruch nehmen, und sowohl der Allwasservogt als auch der Bürgermeister beharrten darauf, für Seine Hoheit eine Burg, und keinen Trümmerhaufen einzunehmen. Seiner Hochwürden Throndwerth und den übrigen Rondrageweihten erschienen beide Varianten gleichermaßen unrondrianisch – Frau Rondra liebte den Kampf Mann gegen Mann, nicht den Hunger und nicht das Fernduell feiger Geschützmannschaften.
So blieb als einzige Alternative der Sturmangriff – auf eine Wasserburg! Welch ein Wagnis! Sturmangriffe auf Befestigungsanlagen sind immer tollkühn und fordern zumeist hohe Verluste, auf beiden Seiten. Zudem ist ein Sturmangriff grundsätzlich zwar ehrenhafter als ein Beschuss, jedoch liebt Rondra weder das Umstoßen von Sturmleitern, noch das Heruntergießen von siedendem Öl noch das Ertrinken Schwergerüsteter. Letztendlich erschien es aber als einzige Möglichkeit. Eine im Krieg gegen Invher an mehreren Belagerungen beteiligte Rittfrau der Flussgarde schätzte, dass ein Sturm auf die Wasserburg Schwarzfels mindestens 300, wenn nicht sogar 500 Tote und Verwundete kosten würde – den Anwesenden stockte der Atem ob eines solchen Massakers, das womöglich den blutigen Kor erfreute, keinesfalls aber dessen Mutter. Es wurde dennoch damit begonnen, Sturmtruppen einzuteilen und Angriffspunkte festzulegen – das größte Bedauern der meisten Anwesenden, Baron Hagen eingeschlossen, schien darin zu bestehen, die kampfstarke Kavallerie bei einem solchen Sturmangriff nicht einsetzen zu können.
Erschüttert schon von der Vorstellung so vieler unschuldiger Toter verließ Throndwerth, nach kurzer Beratung mit den anwesenden Rondrageweihten, das Zelt und machte sich mit zwei Dienerinnen seiner Göttin über freies Feld und hoch zu Ross auf den Weg zur Burg Schwarzfels. Kein Verteidiger würde es wagen, auf Rondrageweihte zu schießen. Und so war es auch. Die Geweihten begehrten Einlass, die Zugbrücke wurde heruntergelassen und die drei wurden unmittelbar zu Darian von Lîfstein, dem horasischen Söldnerführer namens Dartan und dem Anführer der zwergischen Söldlinge vorgelassen. Die drei Verteidiger wirkten entschlossen bis zum Äußersten.
Gerade tauchte Throndwig seine Feder wieder einmal in das Tintenfässchen, als er Geschrei von Söldnern hörte. Womöglich waren die vom Koscher Haus Sindelsaum besoldeten Mietlinge an die Horasier des Fuchsgauers geraten, oder aber das Gesindel des Tandoschers suchte mal wieder Ärger. Ach, was wäre der Krieg für eine göttinnengefällige Angelegenheit, wenn er nur vom Adel ausgefochten würde! Throndwerth konzentrierte sich wieder auf die Ereignisse des Vormittags.
Am Tische mit Darian kam er nach nur den notwendigsten Höflichkeitsfloskeln zur Sache. Er stellte vorab klar, wie wenig er vom Magieeinsatz bei der Eroberung der Burg und nun der Bewaffnung der von den Göttern nicht zum Kampf bestimmten Unfreien hielt, sagte dann jedoch, dass dies nun nicht zur Debatte stünde. Er sei Priester, und kein Richter – ohnehin wäre letztendlich nur das Urteil der Frau Rondra selbst von Belang. Daraufhin machte er Darian den Vorschlag, auch im Streit um die Burg Schwarzfels einem Göttinnenurteil zuzustimmen. Es solle einen Zweikampf geben, bis zum zweiten Blut. Öffentlich. Zu Fuß. Mit dem Zweihänder. Bei Sonnenaufgang nächsten Tages, dem 15. Rondra 1033 BF, dem ersten Tage des Schwertfestes. Darian gegen Gorfang Reto oder Darian gegen Hagen. Dem Sieger solle die Burg gehören. Dem Verlierer und den Seinen hingegen solle freier Abzug gewährt werden, ebenso wie allen Gefangenen, die sich noch auf Burg Schwarzfels befänden. Bis zum Abzug des Unterlegenen solle ein Waffenstillstand herrschen. Zur großen Überraschung Throndwerths stimmte Darian nach nur kurzer Bedenkzeit zu.
Throndwerth dankte seiner alveranischen Herrin – und war gleichermaßen erfreut wie irritiert: Wieso akzeptierte dieser in seinem Tun nicht gerade rondragefällige Eisenhuetter Edle ein Göttinnenurteil, während Angrond und Hagen eine solche Entscheidung konsequent ablehnten und lieber die Schlacht suchten, obwohl diese Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Unschuldigen das Leben kosten würde? Zuerst zeigte sich der praiotische Landedle Voltan als ein Rondrianer im Geiste, jetzt auch noch der Edle Darian. Die Wege Rondras waren wahrhaft unergründlich. Nun galt es nur noch – und dies war leicht gesagt – den Allwasservogt zu überzeugen.
Die drei Rondrageweihten ritten zurück zum Zelt Gorfang Retos, Throndwerth bat um eine Unterredung unter sechs Augen. Nur der Allwasservogt, Baron Hagen und er. Als er berichtete, auf der Burg Schwarzfels gewesen zu sein, konnte Gorfang Reto seine Wut auf dieses eigenmächtige Handeln des Geweihten nur schwer unterdrücken. Aber als Throndwerth dann seinen Vorschlag unterbreitete, waren Hagen und Gorfang Reto gleichermaßen angetan. Das war tatsächlich ein Ausweg! Fast stritten die beiden sich, wer Darian „in Stücke hauen“ dürfe, beide ihre Kampfkraft über- oder die des Edlen von Schratzelroth unterschätzend. Schließlich setzte sich der Allwasservogt durch – mit dem Argument, dass es um des Herzogs Burg gehe und er das Duell vor Seiner Hoheit zu verantworten habe, gleichgültig, wie es ausginge.
Hagen verkündete im Offizierszelt die neue Lage, nachdem er sich nochmals kurz mit seinem Schwager, Baron Roklan von Leihenhof, besprochen hatte. Abgesehen von den korgläubigen Tandoschern waren alle erleichtert, keinen blutigen Sturmangriff durchführen zu müssen. Einige murrten jedoch, dass ein Duell ein unpassender Weg für eine Entscheidung sei, zogen gar Vergleiche zum Streit um Dohlenfelde – doch Alvide von Eichental, die Baronin zu Sindelsaum, eine der engsten Vertrauten Hagens, fuhr diese Querulanten scharf an. Sofort wurde allen Kontingenten der Waffenstillstand ab sofort verkündet, und Throndwerth ritt zur Burg Schwarzfels, um Darian zu unterrichten. Dieser nahm die Entscheidung ernst entgegen, verlor nicht viele Worte und verabschiedete Throndwerth höflich. Am Nachmittag des 14. Rondra geschah schließlich nichts mehr von Belang, das dem Rondrageweihten notierenswert erschien.
Am nächsten Morgen, am 15. Rondra, würde das Duell stattfinden! Nicht ein nur Kor und Boron gefälliges Massaker würde den Kampf um die Schwarzfels entscheiden, nein, ein Duell zwischen zwei Rittern! Ein Zweikampf mit der blanken Klinge, die höchste Form der Verehrung der Frau Rondra! Die Göttin und niemand sonst würde entscheiden, wem die Burg Schwarzfels gehören solle. Kein Tropfen unnötiges Blut würde vergossen werden.
Throndwerth erinnerte sich plötzlich daran, dass heute, am 14. Rondra, sein 60. Tsatag war. Davon wusste kaum jemand. Gefeiert hatte er nicht, seit er mit 12 Jahren – damals herrschte noch Kaiser Reto, Maraskan war noch nicht Teil des Kaiserreichs, von Borbarads Rückkehr oder einem Horasreich oder einem Ogersturm ahnte noch niemand etwas – ins Noviziat eingetreten war. Der Rondrageweihte war nicht unbedingt stolz darauf, dieses hohe Alter erreicht zu haben, anstatt – wie so viele andere Diener seiner Göttin – in einer der unzähligen Schlachten der letzten Jahrzehnte den Heldentod gefunden zu haben. Aber der Ratschluss Golgaris war eben unergründlich. Bernhelm und Throndwerth hatten den Geburtstag am Abend vor dem Schwertfest über viele Jahrzehnte in aller Ruhe mit ein, zwei Krügen Bier verbracht und über die alten Zeiten schwadroniert. Doch die alten Zeiten waren ein für alle Mal vorbei. Gleich würde er sich ein Bier holen, auf seinen ermordeten Freund Bernhelm trinken, noch ein Gebet sprechen und sich dann schlafen legen. Throndwerth hörte fernes Donnergrollen. Seine Göttin würde an diesem Abend noch ein Sommergewitter schicken. Schon prasselten die ersten Tropfen auf die Zeltplane. Und die Söldner hörte man lautstark fluchen.