Dohlenfelder Thronfolgestreit - Das hat nichts mit Ehre zu tun

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
12. Tra 1032 BF
Das hat nichts mit Ehre zu tun
Ein Heißsporn


Kapitel 4

Hin und her
Autor: Reichskammerrichter, weitere


Salmingen, 1032

„Euer Hochgeboren, entschuldigt meinen raschen Kommentar“, erhob sich die Hochgeweihte der Salminger Schwerthalle, Leuengunde vom Berg, mit klirrendem Kettenhemd und wandte sich erst an Hagen, und dann an alle im Grafensaal der Baronsburg Versammelten:
„Ein rein diesseitiger Streit ist nichts, was mit einem der Frau Rondra wohlgefälligen Duell gelöst werden könnte und sollte. Es geht hier um eine Baronie, um Rechte, um Freiheiten, um Besitz, um schnöden Mammon gar. Das hat nichts mit Ehre, schon gar nicht mit persönlicher Ehre zu tun. Und nur eine Frage der Ehre lässt sich im göttinnengefälligen Duell lösen.“
Leuengunde, um dem zu erwartenden Widerspruch einiger Anwesender gleich zuvorzukommen, ergänzte:
„Im Rahjamond 37 Hal stellten Ihre Eminenz Rudraighe ni Direach und Seine Eminenz Jaakon von Turjeleff überdies kirchenamtlich fest, dass der Streit der Halbbrüder Angrond und Hagen um die Baronie Dohlenfelde ein rein säkularer Konflikt zweier ehrenhafter, rondragefälliger Ritter aus dem für seine Göttinnengefälligkeit seit vielen Generationen bekannten Hause Sturmfels sei. Ich persönlich stehe mit meinem Schwert für Baron Hagen ein, so wie andere Geweihte Frau Rondras für den Thronräuber Angrond einstehen mögen. Mit rondragefälligem Ernst werde ich diese Geweihten, sollte es zur Schlacht kommen, fordern und im ehrenhaften Zweikampf, wie ihn die Göttin uns gelehrt hat, niederstrecken. Sollte es die Herrin so wollen, werde ich diesen Geweihten dann erst an Rondras Tafel wiedersehen. Meine Kirche – und erst recht die Himmlische Leuin, meine alveranische Herrin – bezieht in diesem rein derischen Konflikt aber keinerlei Partei. Ich bitte dies zu akzeptieren.“
Die Geweihte schaute ernst in die Runde, setzte sich danach, wobei die Ringe ihres Kettenhemdes erneut laut vernehmlich klirrten. Im Sitzen zog sie den Wappenrock mit der roten Leuin auf weiß zurecht.
Rondirai rieb sich ihre plötzlich mit Gänsehaut überzogenen Arme. Da war er wieder: Der Drang aufzustehen und eine Geweihte der Donnernden über das wahre Wesen und den wahren Willen der Göttin zu belehren. Es war wie damals, als die Schwertschwester zu Trallop ihr verboten hatte, sich dem Sichelstieg-Feldzug anzuschließen. Und sie hatte es dennoch getan, war ihrer inneren Stimme gefolgt - oder war es die Stimme der göttlichen Leuin selbst gewesen -, und hatte ihr Noviziat im Tempel zu Trallop damit verwirkt. Auch mit Gerion Sturmfels, einem der Oberhäupter des Laienordens der Zornesritter, hatte sie sich schließlich überworfen, weil sie seine Sicht der Dinge einmal zu oft in Frage gestellt und sich ihm gegenüber im Ton vergriffen hatte! Doch diesmal wollte sie sich zurückhalten.
Hagen ergriff nun das Wort: „Ihre Hochwürden hat alles zu diesem Punkt Nötige gesagt. Jederzeit würde ich meinen Bruder, wenn es um meine oder seine persönliche Ehre oder auch die Ehre der Familie ginge, fordern. Aber hier geht es um anderes.“
Der junge Baron nahm einen Schluck aus seinem Krug und fuhr fort: „Ich stimme allen bisherigen Rednern zu, dass Eile geboten ist. Wir dürfen meinem Bruder keine Zeit geben, denn daraus entstünde uns ein Nachteil. Aber ein Bündnis mit dem alten Gliependiek...“
„...würde Euch, mein Sohn, der Herrschaft über Dohlenfelde einen großen Schritt näher bringen. Der Handel in Dohlenfelde liegt seit nunmehr fünf Jahren darnieder. Mein Mann wandte sich gegen Bund, weil er hoffte, dass sich ihm ein Großteil des nordmärkischen Adels anschließen würde. Dies war, auch zu meinem Bedauern, nicht der Fall. Die Klugheit gebietet es, politische Schritte – wie den Boykott des Albenhuser Bundes – zu gegebener Zeit zu überdenken. Bernhelm, Boron habe ihn selig, hätte dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht anders gesehen. In einer Schlacht muss man wissen, wann der Rückzug angebracht ist.“
Und mit Blick zu Ihrer Hochwürden Leuengunde ergänzte die hochgebildete Matriarchin des Hauses Salmingen: „Die Herrin Hesinde hat uns unseren Verstand auch gegeben, um Niederlagen zum rechten Zeitpunkt einzugestehen, und um uns unsere Bündnispartner klug zu erwählen. Die merkantile Schlacht mit dem Albenhuser Bund hat Dohlenfelde verloren, der Plan meines Gatten ist gescheitert. Wenn eine Normalisierung der Beziehungen mit dem Albenhuser Bund und damit mit Twergenhausen der Preis dafür ist, meinem Blute die Herrschaft über Dohlenfelde einzubringen, dann soll dies so sein. Daher danke ich Euch für Euren Vorschlag, Hochgeboren Irian.“
Roklan seufzte und sah seinen Ratgeber an. Der Nandusgeweihte raunte seinem Lehnsherrn und Schützling etwas zu und strich dann betont ruhig eine Strähne seines hellen Haares zurück hinter das spitze Ohr. Roklan drehte sich dann wieder seinem Schwager und seiner Schwester zu.
„Wie ich sehe, scheint ein bewaffneter Konflikt unausweichlich. Doch vielleicht sollten wir unser Augenmerk noch einmal auf einen wesentlichen Punkt richten: Die Insignien Dohlenfeldes. Welche sind dies, welche nennt Angrond sein eigen und welche befinden sich in Eurem Besitz, Hagen? Und: Ist derjenige, der sie alle trägt, der unumschränkte Herrscher Dohlenfeldes?“
Auch hierzu antwortete Frylinde: „Die mit Smaragden verzierte, stählerne Darlinkrone liegt in der Schatzkammer Burg Dohlenhorsts, wohlbewacht von Angronds Garde. Den Siegelring der Baronie trägt Angrond immer bei sich. Hier in dieser Halle jedoch“ – dabei zeigte sie auf ein prächtiges Feldzeichen, das an der Wand lehnte – „befindet sich das Kriegsbanner der Baronie Dohlenfelde. Und das wohl wichtigste Insignium, das ererbte Familienschwert ‚Hlûtharhilf’, trägt Hagen stolz seit dem Tage des Todes seines Vaters.“
Bei diesen Worten zog Hagen das von Angroschim geschmiedete Schwert seiner Vorväter aus der Scheide und legte es vor sich auf die Tafel.
„Erbrechtlich und konkret auf die Thronansprüche bezogen sind die vier Insignien jedoch aufgrund der eindeutigen Statuten der Lex Zwergia bedeutungslos. Einzig – und dies steht außer Frage – die Ableistung des Vasalleneides gegenüber dem Grafen zu Isenhag macht einen Baron zu Dohlenfelde aus. Und Graf Ghambir tat kund, demjenigen den Eid abzunehmen, der den Familienstreit eindeutig für sich zu entscheiden vermag. Bedauerlicherweise äußerte sich Seine Hochwohlgeboren aber nicht dazu, wie er zu entscheiden gedenkt, wer nun der Gewinner ist. Ich bin aber sicher, dass er nicht einfach demjenigen den Eid abnehmen würde, der Krone, Ring, Banner und Schwert sein eigen nennt. Seine Hochwohlgeboren wird sich auf seinen untrüglichen Erzzwergenverstand verlassen.“
„Na also. Das Ende des Boykottes ist doch eine vorzügliche Verhandlungsmasse den Händlern gegenüber. Nicht nur, dass sich der Handel in euren Landen wieder beleben würde, sondern auch die Macht Twergenhausens würde uns ein solcher Handel einbringen, und diese Macht könnte das Zünglein an der Waage darstellen. Wenn Twergenhausen auf unserer Seite steht und wir diese wankelmütige Edeldame durch ein wenig Druck auf unsere Seite gezogen haben sollte es uns doch möglich sein mit den verbliebenen Anhängern Angronds fertig zu werden. Notfalls auch mit dem Schwert in der Hand.“
Der Stimmungswandel zugunsten des Händlerbundes hatte Irian überrascht. Er blickte zu Hagen und dessen Mutter.
„Ich würde eine geänderte Einstellung gegenüber dem Händlerbund nicht als Rückzug bezeichnen, sondern die Anpassung an eine neue Zeit. Es geht auch nicht um das, was ein Giepen...glupsch? denkt oder wünscht. In den Verhandlungen mit Albernia habe ich nebenher auch die Interessen des Händlerbundes recht erfolgreich vertreten, so dass ich sicher bin, eine Einigung vermitteln zu können. Auch damit wären der Thronräuber uns seine Vasallen von Nachschub und Versorgung abgeschnitten. Und vielleicht sollten wir uns dort einnisten, vor Ort agieren zu können und euren Getreuen die notwendige Unterstützung zukommen lassen zu können.“
Der Baron von Galebquell, angetan in seinem schlichten Übergewand aus blauem Loden mit goldenen Borten, verschränkte auf dem Tisch die Hände ineinander. Er sah seinen anderen Schwager an. Dann grinste er.
„Nun ja…“ meinte er feixend. „Einnisten klingt so schlecht. Wir würden nur zu einer Klinge greifen, die Angrond ablehnen würde. Eine Klinge, die uns einen kaum zu unterschätzenden Vorteil einbringen würde.“
Ernster sah er nun Hagen an, der sichtlich nachdenklich wirkte. Einen Augenblick später jedoch sah er Frylinde an. Roklan verharrte, schweigend, einen Moment. Er dachte daran, dass er hier nicht nur den Thron der Baronie Galebquell vertrat, sondern auch das Haus Leihenhof. Er war jung, kaum so alt wie Hagen. Und doch sprach er hier im Rat mit einer gewichtigen Stimme.
Konnte irgendjemand hier erahnen, wie sehr er einen weiteren Krieg vom Herzogtum am Großen Fluß fern halten wollte? Hatte er doch vor wenigen Jahren erst selbst mitten in einem solchen Sturm gesteckt, ein Sturm, der durch seine Heimat und über den Großen Fluß hinweg gefegt war und Chaos und Hader hinterlassen hatte. Konnten sich die Nordmarken, konnte sich Galebquell einen weiteren Krieg leisten?
„Euer Hochgeboren…“ Roklan unterdrückte ein weiteres Seufzen. „Ich weiß, Ihr bevorzugt die Klinge in der Hand und den Kampf auf dem Schlachtfeld. Doch vielleicht solltet Ihr den Rat meines Schwagers – Eures Schwagers! – einmal anhören. Denn wenn Ihr Angrond in die Knie zwingen wollt, um das Euch angestammte Erbe zu befreien, dann solltet Ihr vielleicht nicht nur Rondras, sondern auch Nandus‘ Wege beschreiten.“
Er verkrampfte seine Hände ineinander. Deutlich traten dicke Adern hervor.
„Irian, könntet Ihr gegebenenfalls Eure Kontaktpersonen auch spontan einladen?“
Sybia, eine der wenigen Gemeinen am Tisch, blickte jäh aus ihren Überlegungen auf. Noch nicht allzulange her war die Zeit, als sie Hagen für seinen Ausbruch mit dem Übungsschwert in der Hand über den Fechtplatz gejagt hätte, bis der junge Heißsporn, zu erschöpft zum Kämpfen, mit dem Nachdenken, immer erst seine zweite Tat, angefangen hätte. Doch Hagen war inzwischen Baron dreier Lehen, und die Waffenmeisterin nur eine Abgesandte ihres Herrn, den eine unaufschiebbare Reise über die Grenzen Nordmarkens hinaus befohlen hatte. Sie seufzte innerlich.
„Verzeiht, hohe Herrschaften.“
Harsch klang die Stimme der Kriegerin, nicht im Einklang mit den bedachten Worten.
„Die Verbindung mit dem Albenhuser Bund und damit dem Magistrat Twergenhausens scheint mir eine feine Idee. Vor allem die einzige an diesem Abend, die nicht darin besteht, die Waffen zu greifen und zu einem Kriegszug durch Dohlenfelde aufzubrechen. Denn wollt Ihr wirklich über verbranntes Land herrschen, Euer Hochgeboren?“
Gorwin nickte bei den Ausführungen. Die Richtung gefiel ihm nun deutlich besser als zuvor. Das Einbinden des Albenhuser Bundes und dessen Stärkung in Dohlenfelde sollte zum Schaden Eisensteins nicht sein. Sein Herr würde zufrieden sein. Wenn die Verträger zudem richtig ausgehandelt würden, wäre die Position des Bundes in Dohlenfelder im Nachhinein auch deutlich fester als zuvor. Da mochte es keine Rolle spielen, ob ein Ehrwald, ein Siebenfeld oder der Herr von Tandosch Feder führend wäre.
Gorwin wandte sich indes an Roklan ohne seine Stimme für die gesamte Runde zu erheben. Er sprach jedoch in einem freundlichen und vertrauten, aber auch höflichen Ton.
„Euer Hochgeboren, spontan einladen sicher, doch bezweifle ich, dass wir in dieser Beratungsrunde ein Mitglied des Albenhuser Bundes hinzuziehen könnten und sollten. Das Wort des Herrn von Tandosch in dieser Sache mag uns doch reichen. Es besteht auch kein Zweifel, dass sich der Bund auf eine Beteiligung einlassen wird. Allerdings an Beratung des Adels muss dieser nicht zwingend mitwirken.“
Eines war es, sich die Möglichkeiten des Bundes zu Nutze zu machen, etwas anderes sie an einer Adelsrunde wie dieser, seien auch vertrauenswürdige Gemeine zugegen, teilnehmen zu lassen.
„Naja, ganz so spontan wollte ich einen Vertreter nun doch nicht hier haben“, antwortete der junge Baron von Galebquell. Gorwin sah den Nachfolger Riobhans an. Roklan war von einem ganz anderen Schlag als sein Vater und noch sehr jung in seinem Amt. Der junge Ritter lächelte halbherzig.
„Aber so schnell wie möglich, wenn nötig. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
„Ich denke sobald wir uns einig sind über die umzusetzenden Maßnahmen, sollte alsbald das Gespräch mit dem Vorsteher des Bundes gesucht werden und ihm die Möglichkeiten unterbreitet werden. Der Herr von Tandosch wird bei diesen Gesprächen sicher noch einen fähigen Berater gebrauchen können. Sagt, ihr hattet doch während der Kornlieferungen nach Hanufer bereits guten Kontakt mit Händlern des Bundes und habt diese Angelegenheit zudem meisterlich gelöst. Ich vermag nichts zu entscheiden, aber das scheint mir eine ausgezeichnete Konstellation.“
Der Angesprochene zuckte mit den Achseln.
„Meisterlich, lassen wir das Phex entscheiden. Aber ich konnte zumindest Kontakte mit einigen Händlern des Albenhuser Bundes knüpfen.“
„Es wäre zumindest ein Anfang, Euer Hochgeboren…“ warf der Nandusgeweihte neben Roklan ein.
„Geld ist notwendig für das Unterfangen, Seiner Hochgeboren von Dohlenfelde Thron zu sichern. Und ein potentieller Geldgeber ist der Albenhuser Bund.“
„Aber er wird doch sicherlich auch seine eigenen Interessen vertreten…“ erwiderte Roklan.
Der Ritter wandte sich wieder an die gesamte Runde wobei er zunächst zu Frylinde und dann wieder zu Hagen blickte.
„Wir sollten bei diesem nandusgefälligen Zug nicht außer Acht lassen, dass es nur ein Zug sein kann, wenn auch ein entscheidender Erster. Der rechtmäßige Baron von Dohlenfelde sollte sich allerdings nicht nur im Handel als geschickt beweißen, das kann nur eine Stütze sein. Er muss sich auch Loyalität sichern, verdienen und Stärke gegenüber seinen Gegnern beweißen. Neben Hesinde und Phex werden wir nicht umhin kommen Praios und Rondra Ehre machen zu müssen,“ Gorwin dachte dabei auch an den Schweigsamen Herrn, vermied die Erwähnung jedoch bewusst.
„Die Frage der Gefolgschaften in Dohlenfelde wurde bereits angesprochen und muss angegangen werden. Doch ich bezweifle, dass sich der Herr Angrond allein durch den Albenhuser Bund und einigen sich abwendenden Gefolgsleute wird in die Knie zwingen lassen. Den Vorschlag seiner Hochgeboren, vor Ort zu agieren, offen und im Verborgenen, womöglich auch mit dem Schwert, sollten wir uns wir unsere Aufmerksamkeit nicht verwehren. Denn wenn keine eindeutige Gegebenheiten gesetzt werden, wird es Herrn Angrond stets möglich sein, zu versuchen, sich erneut des Thrones zu Dohlenfelde zu bemächtigen.“
Es war offensichtlich, dass den meisten Anwesenden viel daran lag, Blutvergießen zu vermeiden, doch wollte sich Hagen gegen Angrond beweisen und das Heft in Dohlenfelde halten, musste er, davon war Gorwin überzeugt, vollendete Tatsachen schaffen, und das konnte nur über einen Weg geschehen der auch Rondra und Kor gefiel. Sie mussten jedoch bedacht vorgehen und dem Zufall und Kriegsglück nur den geringsten Raum in dieser Sache zugestehen.
„Ein Sturm Twergenhausens hat sich schon immer ausgeschlossen, allerdings, welche anderen Möglichkeiten haben wir?“