Der gefesselte Greif

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Ausgabe Nummer 8 - Efferd 1016 BF


Göttergefällig oder götterentehrend? Erneut brennt Koscher Tempel zum Zeichen

Der gefesselte Greif

RHÔNDUR. Wie bereits in der vorherigen Ausgabe berichtet, passierte der Elenviner „Zug des Lichts“ auch Schetzeneck, wo der Geweihtenkonflikt mittlerweile dramatische Auswirkungen nach sich zog, als der Jahrhunderte vakante Praiostempel zu Rhôndur in Metenar wieder eingeweiht und dem Geweihten Ailacon Havorod übergeben wurde. Der von Hilberian gesandte Botschafter Derian Palagion von Solfurt verkündete überdies, daß der Sonnengott es wolle, daß fortan die Ortschaft Greifhorst seiner Kirche (der hilberianischen) unterstellt sei — ein Vorgang, der vom Baron Metenars, Myros Stragon von Metenar, sicher nicht gern gesehen wurde. Leset nun die jüngsten Vorgänge, von zweierlei Seiten geschildert…

Von Koschtal heimkehrend zeigte sich die Laune des Barons ob der hinter seinem Rücken geschehenen Taten nicht eben sonnig. Die Gefolgsleute Hilberian hatten sich „seinen“ Praiostempel genommen… Während die Zuständigkeit der Geweihtenschaft für das Gotteshaus trotz der Handlungsweise verständlich blieb, ging ihm doch die Dreistigkeit, die gesamte Ortschaft Greifhorst samt Fron und Steuer dem Nordmärker zu unterstellen, eindeutig zu weit.

Einige Stunden benötigte er, um sich zu zügeln, und so zu versuchen, in kühlköpfiger Beredung mit Seiner Gnaden Ailacon doch noch eine gütliche Einigung zu erzielen, wie es gewöhnlich die Art des Barons ist.

Nur erwartete ihn eine weitere Frechheit, denn von ihm wurde verlangt, um eine Audienz nachzusuchen, was Hochgeboren Myros mit einigem Murren (befand er sich doch auf eigenem Lehen) über sich ergehen ließ. Als er jedoch nach langer und gewiß unangemessener Wartezeit vorgelassen wurde, gipfelte sich die Provokation — forderte der in voller Breite auf seinem Thron sitzende Havorod, daß der Baron vor ihm zu knien und seinen Ring zu küssen habe.

Erschüttert ob dieser höchst unwürdigen Behandlung stellte sich Seine Hochgeboren trotzend vor den Hilberianer, keines seiner edlen Knie beugend. Das wiederum erzürnte den Greifenpriester: Unversehens sprang er auf und wies die Tempelwachen an, den Baron zu entfernen. Eine unvergleichliche Tat, die vom Freiherrn Myros mit gerechten Drohungen beantwortet wurde.

Uns wahrlich, nur drei Tage später, am 5. Praios 23 Hal, stand der Metenarier erneut vor dem Tempel, diesmal mit Graphiel, seinem Sohne, und einem Dutzend Söldlingen seines Ritters Thorgal. Zunächst wollte der Adelsmann einen letzen Versuch der friedvollen Einigung zulassen und schickte seine treue Heroldin Devota Schwaner mit der Kunde seiner Gesprächsbereitschaft in das heilige Haus. Doch, was für ein schmutziges Zeichen — aufs Blut gepeischt und aufs übelste gebrandmarkt strauchelte sie zurück, die weiten Treppen hinab. Keinen Herzschlag mehr zögerte der ohnehin viel zu langmütig gewesene Baron ob solcher Eindeutigkeit und gab Befehl, das Greifennest zu stürmen.

Praios schien die wahrhaft gerechte Seite mit seinem Segen zu versehen, denn in kürzester Zeit waren die Hilberianer geschlagen bevor noch viel Blut vergossen war, und ihr Geweihter Ailacon Havorod in Gewahrsam genommen, gefesselt und auf die Rondraburg Kystral geschleppt. Um diesem verlogenen Spaltertum ein klares Ende zu setzen, ließ der Baron die Tempelmauern alsdann niederfackeln. Ach: Ein herrlich‘ Lodern, daß gar dem strömenden Regen trotzte; ein Zeichen, daß die aufrechten Jarieliten mit jubelden Herzen wohl vernahmen!

Eckard von Wittenstein

Augenzeuge & Bürgermeister von Rhôndur,

i.V. von Hofchronistin Devota Schwaner

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Der durch die weise Wahl Seiner Hochwürden Palagion erkorene Geweihte Ailcaon Havorod hatten eben begonnen den grausig verwahrlosten Tempel des Städtchens Rhôndur zu erneuern, als sich der Besuch des hiesigen Barons ankündigte. Übles Vorzeichen war schon, daß dieser sich zunnächst gesträubt haben soll, um eine Audienz nachzusuchen, wie es sich vor den derischen Vertretern des Götterfürsten geziemt.

Doch der höchste Herr Hilberian (heilig!) hat ja bereits darauf hingewiesen, daß solcherlei Verhalten enden soll, denn der Geweihte des Gottes der Gerechtigkeit verdient die volle Achtung und Ehrung, auch der weltlichen Praiosdiener (und sei‘s der Behüter selbsten), und soll sich nimmer scheuen, diese einzufordern.

In seiner unermeßlichen Gnade erlaubte nun Herr Havorod bereits bei erster Anfrage den Vortritt, den der schändliche Freiherr unverschämt ausnutzte. Unhöflich wie ein Troll behielt er stand vor seiner Gnaden, so daß dieser ihn in würdiger Bestimmtheit auf die ehrfürchtige Geste des Verbeugens hinweisen mußte. Doch — oh Unwürdiger! — der Stragoner hatte die Boshaftigkeit, stehen zu bleiben. Freilich wies der Gesegnete sofort die Wachen an, diesen Heiden davonzujagen vom güldenen Grunde.

Aber damit war‘s all der glaubenslosen Schandtaten nicht genug: Drei Praiosläufe darauf stand der Metenarier mit einer Armee vor den Tempeltoren und erdreistet sich, eine ironische Botschaft der „erwünschten Unterredung“ übrbringen zu lassen. Um seinen Irrweg zu verdeutlichen, ließ man die Heroldin stellvertretend peitschen und mit dem Greifenzeichen marken. Jedoch erkennen unheilige Augen gesegnte Symbole nicht, und der Namenlose nahm den Tempel in blutigem Sturme. Ohne Ehrfurcht wurden wir mit Seiner Gnaden von den Sündern in den Hof der Kystralburg verschleppt und angekettet!

Oh, Ihr aufrechten Gläubigen, seht diese niederhöllische Tat und glaubet nicht, daß daß etwa Jariel ob über die vermeintliche Niederlage der Einzigen Erhabenen Weisheit des Hilberian frohlockt, denn der Baron von Metenar haßt jederlei Praii, soll er doch von dämonischen Kräften beseelt sein. Wie sonst hätte er uns überwältigen können?

Vernehmet der Zwölfe Zeichen, als der Regen niederging, als das Feuer des Namenlosen die heiligen Säulen verzehrte, wie einst bei Hela-Horas

Arthur Grafok der Ältere,

Augenzeuge & Laienbruder des Herre PRAios, Kündender Jünger des Hilberian