Wolfsjagd zu Wengenholm - Wölfe!

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Wengenholm, 1023

„Wölfe! Und so viele!“ stöhnte Metzel und sah sich mit gehetzten Blicken um, ob nicht irgendwo durch Nebel und Wallen ein glühendes Augenpaar blitzte und ein zahnbewehrter Rache sich auftat. „Ruhig, mein Freund, noch sind sie weit entfernt“, sagte Globerich milde, doch war ihm selbst nicht wohl in seiner Haut. Einem Gegner mit der Klinge gegenüberzustehen, das war eine Sache, doch sich eines plötzlich aus Nacht und Nebel auftauchenden Wolfsrudels erwehren zu müssen, eine andere. „Weiter!“ mahnte Lucrann von Auersbrück. Seine Schläfen pochten vom Blut, Jagdfieber hatte ihn ergriffen. Der Pfad führte offenbar in die Höhe, zumindest wurde es nun steiler und felsiger, und ein paarmal gerieten sie ins Stolpern. Doch immer war die helfende Hand eines Freundes zur Stelle, und die Nähe der andern gab jedem Mut.

„Gemeinsam steht und treu beisamm’ / So bricht sich an dem trutz’gen Damm / Der schwarzen Feinde wilder Stamm“, schoß Lucrann eine alte Weise aus den Orkkriegen durch den Kopf, die ihn der Stolzenburger gelehrt hatte in den Tagen der Knappschaft. Wo mochte er nun sein? Vogt Gelphart von Stolzenburg zu Albumin deutete mit seinem Spieß voraus in die Höhe, wo über die Talmulde ein breiter, flacher Felsen aus dem Nebel ragte, viele Schritt durchmessend. „Wie die Bühne bei den Salminger Spielen“, flüsterte er. „Doch heute wird ein blut’ges Stück gegeben“, fügte der Geweihte der Göttin hinzu. „Ihr meint, hier...?“ fragte Meister Wilbor.

„Wo sonst? Welche Stätte wäre wohl besser geeignet für eine solche Versammlung“, gab der Graf zur Antwort und starrte durch den Nebel. „Aber wie kommen wir hinauf?“ „So wie die Wölfe“, tönte die Stimme des Siebentalers durch den Nebel. „Auf diesem Steig hier.“ „Falk, wo um Praios willen seid Ihr?“ zischte Baron Kordan in die Richtung, aus der die Worte erklungen waren.

„Na, hier. Aber wo seid Ihr?“ tönte es zurück. „Dieser Nebel ist ja wirklich der reinste Bierrausch.“ Ein Windstoß fuhr vom Hang hinab und trieb für einen Augenblick die Schwaden auseinander. Da sahen sie den alten Kämpen, gar nicht weit entfernt von ihnen am Fuße des Felsens stehen. Sie eilten hin.

„In der Tat, hier kommt man hinauf“, sagte der Graf und setzte seinen Fuß auf den ersten Felsen. „Wollt Ihr nicht lieber mich vorgehen lassen, Herr?“ fragte der Vogt. „Man kann nie wissen.“ Metzel schluckte. „Ich hasse den Nebel. Man kann nie wissen, was einen hinter diesem Schleier erwartet. Wenn wir doch nur wüßten, wo die andern sind. Warum findet denn der gute Reto nicht eine Fährte?“

Doch Reto hatte bereits Witterung aufgenommen. Die Nase dicht am Boden, dann wieder in den Lüften, eilte er nun zielstrebig den Weg voran. Die drei folgten dem Spürer auf den Fersen. Krüppelkiefern ragten zu beiden Seiten auf, mannshoch und knotig, wie lauernde bucklige Bettler am Straßenrand, die mit ihren Krücken klappern. Dann endete der Weg in diesen Bäumen. „Und nun?“ fragte Globerich.

„Und nun?“ fragte Baron Kordan, als sie auf dem Plateau standen. Die Nordseite grenzte an eine Felsenwand, welche das Tal umgürtete, auf den anderen Seiten fiel der Felsen mehr oder minder schroff ab. Der Boden war von Wind und Regenwasser geglättet, die Nebel schäumten und wallten wie weißes Blut darüber. Ansonsten schien der Felsen leer und verlassen.

„Keiner da. Wir sind zu früh, und ungeladene Gäste obendrein“, raunte Stolzenburg. Doch er hatte sich geirrt. König Kasimir, den er am Halsbande hielt, gab ein lautes Knurren von sich und zerrte an seinem Riemen. Die Jäger fuhren herum, Speere, Bögen, Messer in den Händen. An der Stelle, wo sie heraufgekommen waren, stand der grauschwarze Schatten eines Wolfes. Lautlos war er aus dem Nebel aufgetaucht.

Jede hastige Bewegung vermeidend, legte Wilbor Tannschlag den ersten Pfeil an. Der Wolf hob den zottigen Kopf mit den bleckenden Zähnen und stieß wieder jenes Heulen aus, das vorhin so schaurig über Tal und Wald geklungen war. Wieder kam ihm Antwort, doch diesmal war sie näher. Viel näher.

„Die Wölfe!“ zischte Lucrann von Auersbrück und blieb stehen. Sie hatten sich ihren Weg durch die Kiefern gebahnt und bald entdeckt, daß der Pfad nach einigen Schritten durchaus seinen Fortlauf nahm. Nun schritten sie am Rande eines Abhangs entlang, der zu ihrer Rechten gähnte und dessen Grund in dieser Witterung nicht zu erkennen war. Langsam setzten sie einen Fuß vor den anderen. Loses Gestein brach einmal unter ihren Stiefelsohlen aus und polterte hinab – wie Donner schien es ihnen, und weithin mußte es zu hören sein. Wieder ertönte die Klage an Mada, und diesmal waren sie sicher, daß sie von unten, aus der Tiefe, kommen mußte.