Wenn Roban eine Reise tut 6 - Gute Nachrichten

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Den Weg hinauf nach Hohenbirn hatte Roban schon auf die verschiedensten Weisen zurück gelegt. Müde und ausgelaugt, gut gelaunt und pfeifend, schwer bepackt und fluchend, klammheimlich in tiefster Nacht oder stinkbesoffen in den frühen Morgenstunden.
Aber im gestreckten Galopp – oder dem, was auf dem schmalen Pfad eben möglich war – noch nie. Girtes Flanken glänzten schweißnass, als er die Hügelkuppe erreichte, zwischen den Obsthainen entlang preschte und vor dem Tor aus dem Sattel schwang.
Es genügte ihm ein Blick, um zu sehen, dass er zu spät war. Kein Fuhrwerk stand auf dem Hof, keine Bediensteten wuselten umher, um die Habseligkeiten der neuen Herren von Roterz zu verladen, kein Vater, der sie dabei antrieb wie ein alanfanischer Sklavenaufseher.
„Scheiße“, murmelte er und klopfte Girte auf die Nase. „Da treibe ich dich schon zum Äußersten, und alles für die Katz!“
Er stand noch immer wie ein begossener Bosparaniel im Tor, als ihn ein Knecht bemerkte und seine Ankunft meldete. Und dann dauerte es auch nicht lang, bis seine Schwester zum Tor stürmte.
„Herrin Rondra, gib mir einen Brustkorb aus Stahl!“ konnte Roban noch murmeln, ehe die härteste Umarmung südlich des Finsterkamms die Luft aus den Lungen quetschte.
„Da bist du ja endlich!“ frohlockte Ingrild, ersparte es ihm aber, ihn einmal im Kreis zu wirbeln, wie sie es sonst gern tat. „Wo warst du so lange? Mutter und Vater sind vor einer Woche aufgebrochen!“
„Einer Woche? Ach du dicker…“, murmelte Roban und fing in Gedanken an, zu rechnen. Wenn er ritt wie ein Verrückter, die Nächte durchmachte, Girte zuschanden ritt, sich das Essen abgewöhnte…
„Was hast du denn die ganze Zeit getrieben?“ hakte Ingrild noch einmal nach.
„Naja, ich hab mich in Moorbrück verirrt, dann hatte ich in Zwischenwasser Dünnpfiff, und in Metenar hat mich so ein Verrückter angegriffen, und…“
„Zwischenwasser? Metenar?“ Ingrild blickte ihren Bruder verständnislos an und stemmte die Fäuste in die Hüften.
„Du bist doch nicht wirklich um den ganzen Angbarer See geritten, oder? Hast du immer noch so panische Angst vor Booten, Fähren und Schiffen?“
„ICH HABE KEINE ANGST!“ widersprach Roban heftig. „Ich…mag die Dinger einfach nicht, dass ist alles!“
Ingrild schüttelte den Kopf.
„Du BIST um den See geritten. Deshalb bist du auch so spät. Bei Efferd, es sinkt doch nicht gleich jedes Schiff, auf das du steigst! Das ist eine Sache weniger Minuten!“
„Jajaja, weiß ich alles! Ich mache mich gleich auf die Socken, vielleicht hole ich sie noch ein!“
„Nicht, wenn du wieder Richtung Angbarer See ziehst“, widersprach Ingrild grinsend. „Und wenn du schon mal hier bist, bleibst du auch über Nacht. Das Praiosauge begibt sich ohnehin gleich zur Ruhe.“
Roban blickte gen Efferd, wo die Sonnenscheibe nur noch als Schimmer hinter den Bergen sichtbar war, und seufzte ergeben.
„Schön! Eine Nacht!“

Trotz allem tat es gut, wieder daheim zu sein, auf dem gleichen Stuhl zu sitzen wie früher, aus dem gleichen Fenster auf die gleiche Landschaft zu blicken wie in glücklichen Kindertagen.
Und doch war alles anders. Auf Vaters Platz saß jetzt Ingrild, und ihr Gatte Andromir dort, wo Mutter immer gesessen hatte. Der Tisch wirkte auch sehr viel leerer, jetzt, wo Vater, Mutter und Rondrolf fehlten.
Glücklicherweise hatte das Ingrilds Kochkünsten keinen Abbruch getan, und Roban stopfte sich voll wie ein halbverhungerter Goblin. Als er sich satt zurück lehnte, glaubte er, seinen Hosenknopf knarren zu hören.
„Das war das beste Mahl seit langem“, lobte er seine Schwester. „Und sonst, was gibt es Neues?“
Ingrild und Andromir grinsten sich verschwörerisch zu, und seine Schwester stand auf.
„Na – fällt dir nichts an mir auf?“
Roban runzelte die Stirn und betrachtete sie etwas genauer. Ein neues Kleid konnte sie nicht meinen, er war seit Monden nicht mehr hier gewesen und hatte sich noch nie für ihre Kleider interessiert. Neue Frisur fiel ebenfalls aus, sie sah aus wie immer.
„Wenn ich ehrlich bin…etwas fett bist du geworden“, stellte er dann fest.
„Du elender…“, lachte Ingrild und schlug in seine Richtung. „Bist du wirklich so dämlich, oder tust du nur so?“
Roban überlegte kurz. Der kleine Bauch, kombiniert mit der sichtlich guten Laune der beiden angesichts des kleinen Bauches…
Er fixierte Andromir mit übertrieben finsterer Miene.
„Hast du verkackter Schwerenöter etwa meine Schwester geschwängert?“ knarrte er dann wie ein Wehrheimer Weibel.
„Er tut doch nur so!“ lachte Andromir, und Roban sprang auf, um ausnahmsweise mal seine Schwester zu drücken.
„Nachwuchs bei den Grobhands! Das ist doch endlich mal eine Nachricht! Und für derlei Unverfrorenheit, Andromir, fordere ich dich zum Zweikampf!“
Andromir Wubblinger hob ohne erkennbare Unruhe die Brauen.
„Ach, wirklich, werter Herr Schwager? Welche Waffe wünscht Ihr denn zu führen?“
Roban stützte beide Fäuste auf die Tischplatte und grinste breit.
„Das Schnapsglas, werter Herr Wubblinger! Nur Ihr und ich und eine Flasche „Birnentroll“! Dafür schütten wir uns einen hinter die Binde – Ausreden zählen nicht!“
Als Roban am nächsten Morgen in den Sattel stieg, war ihm immer noch etwas flau im Magen, aber das war es wert gewesen.