Neues aus Hohentrutz - Die Sorgen der Daheimgebliebenen

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Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, im Ingerimm 1033 BF

Auf allen Vieren kroch Danja durch das Gras.
Schon den ganzen Tag über tat sie das, sehr zur Erheiterung der anderen Hohentrutzer, die sie bisweilen dabei beobachteten und sich das Maul über das merkwürdige Weib aus dem Außerkosch zerrissen.
Schon zweimal hatte sie Hamwide abwimmeln müssen, die ihre Neugier nicht hatte bezwingen können und ihr mal wieder mit ihren Fragen auf den Geist gegangen war. Ob sie wohl ihre Seele suche, die sie gewiss schon längst verloren habe war das erste Anliegen. Ob sie mit dem verfluchten Sumpf kuschle, um ihn wegen des Feuers im Frühjahr zu besänftigen die andere.
Beide Male hatte Danja die elende Göre davon gejagt, eine schon fast reflexartige Handlung. Wie die Eltern diesen naseweisen Balg ertrugen, wussten die Götter allein. Sie hätte sie längt gefesselt vor dem nächsten Travia-Tempel abgelegt!
Und dann war sie noch von Hardobart Goblindodt „attakiert“ worden, der die auf allen vieren kriechende Maga kurz entschlossen zum Rotpelz des Tages erklärt und sich überaus erfolgreich angeschlichen hatte.
Kinder waren schon was Tolles, fand Danja – sofern sie hundert Schritt Abstand hielten!
Aber nach einigen Schimpftiraden und nicht allzu ernst gemeinten Drohungen hatte Danja jetzt schon seit zwei Stunden Ruhe für ihre Arbeit.
Den schädlichen Einfluß des Sumpfes hatte sie bis dato an den Pflanzen nicht nachweisen können. Einige hatten zwar kränkliche Färbungen, und am Rand des Sumpfes verschimmelte das Korn schneller, als es reifen konnte, aber widernatürliche Veränderungen hatte sie noch nicht feststellen können.
Sie hoffte, dass sie bei der Tierwelt mehr Glück haben würde, also sammelte sie seit Sonnenaufgang allerlei Krabbeltiere ein, die sie im Gras fand. In einem alten Glas hatten sich schon allerlei Vielbeiner eingefunden, und gerade eben erspähte Danja einen Tausendfüßer von veritabler Größe, der ihrem schnellen Zugriff ebenfalls nicht entging.
Sie hob gerade den Deckel des Glases ab, um ihn seinen neuen Mitbewohnern vorzustellen, als sie feststellte, dass das Glas leer war. Abgesehen von dem dicken Grashüpfer, der mitten in einigen kläglichen Überresten von Käfern und Spinnen saß und irgendwie sehr satt und zufrieden wirkte.
Für einen Moment war das Entsetzen zu groß, als das die Maga registriert hätte, dass sie noch immer den Deckel in der Hand hielt. Mit einem weiten Satz schnellte der vielleicht einzige fleischfressende Grashüpfer Deres ins Freie, und mit einigen weiteren Sprüngen verschwand er im Gras.
Danja starrte ihm nach. Dann fand sie Gelegenheit, ein paar Ausdrücke aus Robans Vokabular anzuwenden. Solche von der Sorte, für die man andernorts den Mund mit Seife gewaschen bekam.
Während sie sich noch über die eigene Torheit ärgerte, bemerkte sie eine gewisse Unruhe in der Siedlung.
Alles starrte nach Osten, und schon wurden die ersten Grußworte gerufen.
Tatsächlich, dort nahten Rondred und Sindar, die von der Verwalterin gestern für einige Einkäufe gen Hammerschlag gezogen waren. Danja hatte nichts geordert, daher beließ sie es bei einem kurzen Blick auf den Auflauf, der sich angesichts der Neuankömmlinge bildete.
Doch dann sah sie ein zweites Mal hin. Das große Hallo war zu rasch verstummt, und trotz der Distanz konnte sie an der Körperhaltung der Leute sehen, dass sie erschrocken waren.
Sie zögerte noch einen Moment, trauerte ihrem einmaligen Fund nach und eilte dann zum Hügel zurück. Die Leute sprachen kaum, als sie näher kam, und verstummten schließlich ganz, als sie in die Runde trat.
„Ist etwas passiert?“
Danja merkte, wie die Leute ihren Blicken auswichen, als wolle man ihr etwas verschweigen. Sie blickte von einem zum anderen.
Thureschas Kiefer malten, als wolle sie einen Kiesel zerbeissen, Rondred presste die Lippen aufeinander, und Sindar räusperte sich unbehaglich.
„Raus mit der Sprache!“ verlangte sie energisch. „Ist die Inquisition auf dem Weg hierher?“
Der ehemalige Abenteurer räusperte sich erneut, als versuche er, eine Koschkröte zu schlucken.
„Es gibt Nachricht vom Trolleck“, begann Rondred dann an seiner Statt. „Vom Feldzug des Grafen der Hügellande, dem sich Wohlgeboren angeschlossen hat.“
„Ja“, sagte Danja gedehnt und spürte eine starke Beklemmung.
„Die Truppen des Grafen sind auf heftigen Widerstand gestossen“, fuhr Sindar fort, ohne sie anzusehen. „Wohl auch einen Hinterhalt. Und gleich mehrere Burgen galt es zu erstürmen. Viele Streiter sind im Kampf gefallen. Auch Edelleute.“
Danjas Gedanken setzten die Informationen wie ein Mosaik zusammen. Sie schüttelte langsam den Kopf.
Plötzlich straffte Rondreds Gestalt sich.
„Unter den Gefallenen sind auch ein oder zwei Grobhand von Koschtal“, presste er dann heraus und wirkte beinahe erleichtert.
Das Kopfschütteln wurde heftiger.
„Nein“, sagte Danja bestimmt. „Nein, nein, nein, nein! Roban ist nicht gefallen! Dieser Mann fällt nicht im Kampf gegen ein paar Schlagetots. Er kämpfte gegen Dämonenbündler und Untote an der Front gegen Schwarztobrien, gegen Monster und widernatürliche Kräfte! Er ist nicht gefallen!“
Abrupt wandte sie sich ab und schritt davon. Sie versuchte, dabei selbstsicher zu wirken, aber es war eine Lüge.
In ihrem Inneren schien etwas zu zerbrechen.
„Nur notwendige Heldentaten“, hatte er ihr noch versprochen. Aber Roban war nicht die Sorte Mensch, die andere nach vorn schickten und sich selbst dahinter versteckten. Wenn es etwas zu stürmen gab, dann war er gestürmt, wenn irgendwo die Schwerter klirrten, die Pfeile flogen und Golgari Schwerstarbeit leistete, dann war Roban stets ganz vorne gewesen.
Gewiß auch am Trolleck.
Danja spürte Tränen in den Augen brennen. Mit einem hilflosen Schrei beförderte sie das leere Glas mit einem Tritt von sich, hüpfte einige Male auf einem Bein und hielt sich den geprellten Zeh. Der Schmerz im Fuß lenkte sie für einige Sekunden von dem Schmerz in ihrem Inneren ab.
Doch noch sträubte sie sich gegen die Vorstellung, dass Roban den Flug über das Nirgendmeer schon hinter sich hatte. Berichte aus dem Krieg wurden schnell verfälscht. Wer auch immer in Hammerschlag von dem Feldzug berichtet hatte, hatte die Informationen garantiert nicht aus erster Hand.
Womöglich hatte er sich mit der Familie vertan und meinte die Goldmunds von Koschtal! Vielleicht war ein Grobhand von Koschtal nur schwer verwundet worden! Oder man hatte einfach übertrieben, um die Erzählung dramatischer zu machen!
Ihr Verstand tat, was in seiner Macht stand, um das Herz zu beruhigen.
Doch die Angst blieb.