Neues aus Hohentrutz - Der Kurier

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Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, Anfang Praios 1033 BF, kurz nach Mitternacht

Tiefste Schwärze umfing Danja, als sie erwachte.
Zuerst wusste sie nicht, wer oder was sie geweckt hatte. Erst dann erkannte sie die breite Gestalt der Verwalterin Salwine Zwingler neben sich.
„Jemand – oder etwas – schleicht um das Haus!“ flüsterte die kräftige Frau heiser.
Mittlerweile hatten sich Danjas Augen sich so weit an die herrschende Dunkelheit gewöhnt, dass sie Umrisse erkennen konnte. Salwines Augen war angstvoll geweitet, leuchteten ihr regelrecht entgegen, und auch die Haltung erinnerte an jemanden, der sich möglichst klein machte, in der Hoffnung, einer drohenden Gefahr zu entgehen.
Dann hörte auch die Maga die Geräusche. Ein leises Ächzen und Knirschen, unsichere Schritte wie von einem Betrunkenen, das leidvolle Stöhnen einer gequälten Seele. Ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Allzu oft hatte sie diese Laute vernommen, und niemals hatten sie etwas Gutes angekündigt.
„Weck Seine Wohlgeboren!“ wies sie die Verwalterin an und schlug die Decke zur Seite.
„Macht Ihr das besser“, erwiderte Salwine und rührte sich nicht vom Fleck, als könne die kleinste Bewegung das Unheil auf sie aufmerksam machen.
Danja schlüpfte in ihre Robe, griff nach dem Stab und huschte durch die Dunkelheit zu dem kleinen, durch aufgehängte Decken gebildeten Separee des Ritters, passierte dabei die anderen Nischen mit ihren Bewohnern und schlug die Decke zur Seite, die Robans „Gemach“ vom restlichen Raum trennte.
Auch die Augen des Ritters waren weit aufgerissen, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Unbewegt starrte er an die Decke, während die Schritte draußen wieder lauter wurden.
„Roban“, zischte die Maga leise.
„Du musst aufstehen! Draußen treibt sich vermutlich ein Untoter herum!“
Die Lippen des Ritters bewegten sich leicht, doch außer einem leisen Krächzen brachte er keinen Laut heraus. Danja kannte diese Symptome, hatte sie oft genug gesehen.
Es war Angst, panische Angst, eine regelrechte Ur-Angst, die wohl jeder Kreatur angesichts lebender Toter zu Eigen war. Und Roban hatte mehr als genug Gründe, diese Angst zu empfinden.
„Roban“, sagte sie etwas lauter, „die Leute verlassen sich auf dich! Wenn du nicht rausgehst, werden wir bis zum Sonnenaufgang hier sitzen und zittern! Und vermutlich werden die Siedler dir nach Sonnenaufgang davon laufen!“
Noch immer regte der Ritter keinen Muskel, nur die Lippen bebten, und die Augen irrten jetzt unstet hin und her.
Danja seufzte leise. Da würde sie wohl erheblich härtere Mittel einsetzen müssen.
„Auf die Beine, Soldat!“ herrschte sie den Ritter halblaut an.
„Willst du dich wirklich feige wie ein Rotpelz hier in deinem Bett verkriechen? Hast du nicht einen Schwur getan, die dir anvertrauten Seelen zu schützen? Da liegst du hier und zitterst wie ein altes Weib, dass...“
Schlagartig schoss Roban in die Höhe und packte sie am Kragen. Die Angst war aus seinen Augen gewichen, hatte brodelndem Zorn Platz gemacht.
„Mach das nie wieder!“ stieß er abgehackt hervor, löste seinen Griff, sprang aus dem Bett und griff nach seinem Hammer, stürmte dann entschlossen durch den Wohnraum zur Tür und hob den Riegel.
Danja hatte schon befürchtet, er werde jetzt völlig kopflos in die Nacht hinaus rennen, doch Roban schien wieder bei Sinnen zu sein, schob die Tür mit dem Hammerstiel etwas auf und spähte erst einmal einige Sekunden lang ins Freie, ehe er hinaus huschte.
Die anderen Bewohner starrten dem Ritter nach, dann richteten sich die Augen auf Danja, die sich ebenfalls der Tür näherte.„Thurescha, Sindar – kommt mit!“ bat sie leise.
„Wir können ihn nicht allein kämpfen lassen!“
Die Zwergin erhob sich mit sichtlichem Widerwillen, die kräftigen Fäuste um den Stiel eines wuchtigen Zwergenschlägels geballt. Auch Sindar Goblindodt, der so gern von seinem Leben als fahrender Abenteurer und großen Heldentaten berichtete, löste sich aus den Armen seiner Frau Korna, strich dem kleinen Hardobart über das Haupt und griff mit einem „Bin gleich wieder da“ nach dem schartigen Säbel, mit dem er angeblich schon so viele finstere Kreaturen bezwungen hatte.

Roban umrundete das Haus, hielt sich im Schatten der Wand, lauschte und blickte in die Dunkelheit. Die Geräusche des Untoten hatten sich etwas entfernt, ansonsten schwieg der Sumpf. Kein Froschquaken, nicht mal das Summen von Mücken, als hätte sich jede Kreatur angstvoll verkrochen wie er bis vor wenigen Augenblicken.
Er würgte die Wut und die Scham über sich selbst hinunter – jetzt brauchte er einen klaren Kopf! Zu sehen war von einem Untoten nichts, obwohl die Sicht gut war: das beinahe volle Madamal wurde nur gelegentlich von dünnen Wolken verdeckt, die wie weiße Leichentücher über den Himmel zogen.
Da erklangen ängstliche Schreie links von ihm. Roban erkannte die Stimme von Arbel Schnirkefeld, dem Fürstenhorter, der sowieso vor allem und jedem Angst zu haben schien, dann jene des Veteranen Rondred Brotbäck, der sich bemühte, die mit ihm im zweiten Haus des Ortes wohnenden Leute zu beruhigen, und das Greinen des kleinen Alderan Schnirkefeld, den der Lärm wohl geweckt hatte.
Robans Griff um den Hammerstiel wurde fester. Jetzt wusste er wenigstens, wo er suchen musste. Geduckt huschte er über den Dorfplatz, unter dem Schatten der Weide hindurch und an der Feuerstelle vorbei. Neben dem Haus, dass sich die Brotbäcks und Schnirkefelds teilten, wankte eine Gestalt durch die Nacht, schien nach einem Weg in das Innere des Hauses zu suchen. Dabei stieß sie mehrfach ihr klagendes Stöhnen aus, dass jedes Mal von drinnen mit erschrockenen Lauten beantwortet wurde.
Modriger Gestank stieg in Robans Nase, der Geruch nach Fäulnis und Verwesung, den er schon zu oft wahrgenommen hatte und noch immer kaum ertrug.
Leise schlich er näher, als die Gestalt sich ihm zuwandte, ein hohles Stöhnen ausstieß und auf ihn zukam. Der rechte Arm, kaum mehr als blanke Knochen, hob sich in die Höhe. Etwas baumelte herab, wie eine Tasche, ein Beutel...
Roban schlug ansatzlos zu. Der Hammer krachte mit voller Wucht seitlich gegen den Schädel des Untoten, der zurück taumelte.
Der Ritter verlagerte sein Gewicht, nutzte den Schwung des ersten Angriffs gleich für den zweiten. Erneuter Kopftreffer, der den dürren Leib herum wirbeln ließ, doch noch immer nicht zu Fall brachte. Diese Kreatur spürte keinen Schmerz, keine Angst, kein Mitleid.
Gab man ihr eine Chance, den Kampf für sich zu entscheiden, war man verloren.
Und Roban hatte nicht vor, ihr auch nur den Hauch einer Chance zu lassen.

Zu dritt traten sie hinaus in die Dunkelheit. Unangenehm kalt war das feuchte Gras unter Danjas nackten Füssen, als sie sich kurz orientierte. Sie hörte Thurescha neben sich leise brummeln, in einem merkwürdig abgehackten Rhythmus, ähnlich dem Schmiedehammer auf dem Amboss.
Danja schluckte, als ihr klar wurde, dass die sonst so streitbare und furchtlose Angroschna betete, als zöge sie in ihren letzten Kampf. Auch Sindar, der mit dem Maul immer vorneweg war, wirkte nicht allzu zuversichtlich, aber immerhin folgten die beiden ihr – also lag es jetzt auch an ihr, die Mutige zu spielen.
Das Weinen eines Säuglings drang an ihre Ohren, sicherlich der kleine Schnirkefeld, und da sie nicht wusste, wohin sie sich zuerst wenden sollte, folgte sie dem kläglichen Geräusch in die Nacht, bis sie ein weiteres hörte: ein Knacken und Brechen, als schlage jemand mit aller Kraft auf einen Haufen dürren Reisigs.
Im Schatten eines der Häuser sah sie Roban. Wieder und wieder sauste sein Hammer auf etwas am Boden hinab, und jedes Mal hörte sie das schaurige Bersten von Knochen, wenn er auftraf.
„Roban!“
Schlagartig wirbelte der Ritter herum. Sein Gesicht und sein Haar waren schweißnass, und für eine Sekunde schien nackter Wahnsinn aus seinem Blick zu sprechen. Erst nach einem endlosen Moment ließ er den Hammer sinken, schien selbst regelrecht zusammen zu fallen, als sei alle Kraft aus seinen Gliedern gewichen.
Danja warf einen Blick auf die menschlichen Überreste, die am Boden lagen. Kein einziger Knochen schien heil geblieben zu sein, systematisch war jeder einzelne zertrümmert worden.
„Geh wieder rein“, bat sie leise.
„Der hat genug.“
Roban holte tief Luft, dann stapfte er wortlos an ihr, Thurescha und Sindar vorbei.
Einige Zeit standen die drei schweigend beieinander und betrachteten das, was von dem Untoten übrig geblieben war. Schließlich pfiff der ehemalige Abenteurer leise durch die Zähne.
„Heilige Zwölfe, hat Wohlgeboren den platt gehauen!“ bemerkte er anerkennend.
„Rogelo!“ knurrte Thurescha in seine Richtung, und auch wenn Danja die Zwergensprache nicht verstand, merkte sie am Tonfall, dass sie Sindars Kommentar nicht gerade mit Lob bedacht hatte.
„Wir müssen die Gebeine verbrennen“, schlug sie vor.
„Zum einen in der Hoffnung, dass die ruhelose Seele dann ihren Frieden findet, zum anderen, damit sie sich wirklich kein zweites Mal erheben können!“
„Sie Angroschs heiligen Flammen übergeben? Dein erstes vernünftiges Wort, Draxgroschna!“ brummte die Zwergin, und Danja wertete das als Zustimmung.
„Gut, dann suche ich die Gebeine zusammen. Sindar, du holst einige von den trockenen Torfstücken, damit wir ein Feuer machen können, und du, Thurescha...“
„Ich bleibe hier und schaue dir auf die Finger, damit du mit den Knochen keinen magischen Unsinn anstellen kannst!“ unterbrach die Zwergin sie entschieden.
Danja klappte dem Mund zu, musste einmal kräftig schlucken, entschied dann aber, dass es für weltanschauliche Debatten eindeutig die falsche Zeit war.
„Ja! Ganz recht!“ sagte sie schließlich.
„Also bring bitte auch Feuer mit, Sindar!“
Der Abenteurer zuckte die Schultern.
„Klar! Torf und Feuer! Bin schon unterwegs!“

Danja blieb bei dem kleinen Scheiterhaufen, bis er vollständig herunter gebrannt war. Es würde ohnehin noch dauern, bis Hohentrutz wieder zur Ruhe kam. Zu verängstigt waren die meisten seiner Bewohner, trotz der großspurigen Versicherungen Sindars, dass der Ritter aus jedem Untoten ebenso Kleinholz machen würde wie aus diesem. Erst nach fast zwei Stunden kehrte wieder Ruhe in der kleinen Siedlung ein.
Roban selbst ließ sich nicht mehr blicken, also suchte Danja erneut seine Wohnnische auf.
Der Ritter hockte auf der Bettkante, hielt den Hammer noch immer in den Händen und starrte ins Leere.
„Das war ein ganz schöner Schrecken“, versuchte sie, so etwas wie ein Gespräch in Gang zu bringen.
Roban nickte wortlos.
„Es ist die Erinnerung, die dich nicht loslässt“, mutmaßte sie, als er nicht sprach.
„An all die Leute, die du verloren hast, und die als Untote wiederkehrten.“
Erneutes Nicken.
„Es waren einfach zu viele“, flüsterte Roban dann.
„Viel zu viele. Schlimm genug, wenn sie getötet werden – aber danach noch gegen sie kämpfen zu müssen...“
„Dies war aber keiner von ihnen“, ungefragt setzte Danja sich neben ihn, „keiner deiner Freunde, kein Kamerad aus Tobrien. Nur ein Opfer des Sumpfes, dass keinen Frieden finden konnte.“
Wieder ein Nicken.
„Ja, ein armes Schwein, ohne Namen und ohne Grab“, knurrte Roban dann.
„Aber dafür schuften wir ja hier, damit man hier irgendwann einmal leben kann, ohne sich vor Untoten und Sumpfrantzen und Irrlichtern und dem ganzen zwölf Mal verfluchten Geschmeiß fürchten zu müssen!“
Er machte eine Pause und atmete tief durch.
„Ehe mir das wieder entfällt“, fuhr er dann mit leicht verkniffenem Gesicht fort, „oder ich es mir anders überlege: danke für den Tritt in den Hintern! Ohne dich würde ich vermutlich immer noch gegen die Decke starren und zittern!“
Die Maga hob beiläufig die Schultern.
„Keine Ursache. Falls du wieder mal jemanden suchst, der dir verbal einen Tritt in den Allerwertesten gibt, stehe ich gern wieder zur Verfügung!“
Sie lachten gemeinsam, ein erleichtertes Lachen.
Dann fiel Danja der eigentliche Grund ihres zweiten nächtlichen Besuches wieder ein.
„Möglicherweise kann man heraus finden, wer der...Verblichene...war“, schlug sie vor, erntete aber nur das übliche schiefe Grinsen.
„Ach ja? Wie denn? Willst du ihn beschwören und dann fragen?“
Roban schüttelte verständnislos den Kopf.
„Mitnichten. Wir sehen uns das an, was er mitbrachte!“
Danja legte eine schmutzige Ledertasche auf den Schemel neben Robans Bett.
„Was ist das jetzt wieder?“
Der Ritter musterte die Tasche wie eine aufgespannte Bärenfalle.
„Ich fand es bei den Überresten. Die Hand – die Reste der Hand waren noch immer in den Riemen gekrallt“, erklärte die Maga ihren Fund.
„Glaubt man den landläufigen Berichten bezüglich ruheloser Seelen, muss diese Tasche respektive deren Inhalt für den Besitzer zu Lebzeiten von großer Bedeutung gewesen sein!“
„Aha!“ Roban hatte den Blick nicht von der Tasche gewendet. Er erinnerte sich daran, dass der Untote tatsächlich etwas Derartiges in der Hand gehabt hatte.
„Und was ist drin?“
Danja lachte leise.
„Es war schwer genug, Thurescha davon zu überzeugen, dass ich die Tasche überhaupt an mich nehmen darf! Hätte ich sie in ihrer Gegenwart geöffnet, läge ich wohl mit eingeschlagenem Schädel auf der Wiese! Du weißt ja, deine kleine Freundin ist ziemlich unleidig, wenn es um Zauberei geht!“
„Hat viel mit gemacht“, erklärte Roban beiläufig und deutete auf die Tasche.
„Kann man sie gefahrlos öffnen?“
Danja zuckte die Achseln.
„Nun, angesichts des momentanen Zustands des bisherigen Besitzers würde ich sagen: ja!“
Sie griff nach der Tasche. Das Leder war brüchig und steif, und es brauchte einige Zeit, ehe sie den Inhalt inspizieren konnte.
Sie gab ein angewidertes Geräusch von sich.
„Ad primum ein grüner Schimmelklumpen, der vor erklecklicher Zeit vermutlich ein halber Laib Brot war“, sie wandte kurz das Gesicht aus dem widerwärtigen Dunst, der aus der Tasche aufstieg, „ad secundum ein zusammengefaltetes Pergament, stark angefeuchtet, und ad tertium ein in Ölpapier eingeschlagener Gegenstand, vermutlich ein Dokument von großer Bedeutung!“
Lindwina! Licht!“ rief Roban vernehmlich. Es vergingen einige Sekunden, ehe die Magd Lindwina, ein junges Ding, dass Robans Familie zu ihm nach Moorbrück geschickt hatte, mit einem brennenden Kerzenstumpen in der Hand erschien.
„Sehr wohl, Wohlgeboren“, murmelte sie und reichte dem Ritter die Kerze. Roban dankte knapp und hielt das Licht näher an das Pergament.
„Eine Liste“, stellte Danja fest.
„Namen, die mir nichts sagen. Der obere Teil ist wohl der hier omnipräsenten Feuchtigkeit zum Opfer gefallen, der Rest nur teilweise leserlich. Und alle Namen sind durchgestrichen, bis auf den letzten!“
Reto von Tarnelfurt?“ las Roban und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Was hat Reto mit unserem Untoten zu schaffen?“
„Du kennst den Herrn?“ fragte Danja interessiert.
„Sicher kenne ich den Herrn! Einer der anderen Ritter, denen man die glorreiche Aufgabe antrug, hier eine Siedlung zu gründen. Seine liegt nördlich von hier, noch hinter Grimsaus Ehr. Brauchbarer Kerl. War mit dabei, als man Ilsur befreit hat.“
Danja nickte knapp.
„Dann darf man beinahe unterstellen, dass dieses Dokument“, sie schlug das Ölpapier zur Seite, „für den Herrn von Tarnelfurt bestimmt ist, da sein Name als einziger auf der Liste nicht durchgestrichen ist.“
Sie zog heraus, was so sorgsam vor Nässe geschützt worden war, und legte die Stirn in Falten.
„Was in Hesindes Namen ist denn das?“
Roban hob überrascht die Brauen angesichts ihres Fundes.
„Tja, ich täte sagen – ein Kosch-Kurier. Neunundvierzigste Ausgabe“, meinte er dann achselzuckend.
„Ist ne Gazette. Wird hier im Kosch viel gelesen.“
Danja drehte das Heft ungläubig in den Händen.
„Eine Gazette? Welcher vernunftbegabte Mensch zieht in diesen Sumpf und wagt damit sein Leben, um eine Gazette an ihren Bestimmungsort zu bringen?“
„Ein Koscher!“ antwortete Roban bestimmt.
„Denn wir sind fleißig, zielstrebig und pflichtbewusst! Und wenn Reto von Tarnelfurt diese Gazette für gutes Silber erworben hat, dann soll er sie auch bekommen!“
Roban nahm den Kosch-Kurier an sich und schlug ihn sorgsam wieder in das Ölpapier.
„Morgen breche ich gen Firun auf, überbringe Reto die Gazette und die traurige Kunde von dessen Boten“, kündigte er dabei an.
„Und wir sollten Vogt Gerling informieren. Die Angehörigen des Boten sollten Gewissheit über sein Schicksal haben, und derlei Korrespondenz kann der Vogt wohl besser – und in jedem Fall taktvoller - bewältigen als ich.“
„Du willst dieses hübsche, aber doch eher belanglose Stück Papier wirklich ausliefern?“ fragte Danja ungläubig. „Ausgerechnet du, der jedem seiner Untergebenen ständig predigt, wie gefährlich der Sumpf ist und man ihn nicht leichthin betreten sollte? Genügt es nicht, dass schon ein Mensch sein Leben für diesen, diesen...Kosch-Kurier gelassen hat?“
„Der Kosch-Kurier kommt an seinen Bestimmungsort! Basta!“ entschied Roban entschlossen.
„Gerade weil dieser arme Hund von Boten sein Leben dafür gab, soll er es wenigstens nicht umsonst getan haben. Sieh es meinetwegen als Wiedergutmachung dafür, dass ich ihm die Knochen zerhauen habe!“
Er nickte entschieden.
„Aber wahrscheinlich versteht ein Außerkoscher das nicht“, fügte er dann noch hinzu.
Danja war für einige Momente sprachlos. Da war wieder dieses Wort, dass seit ihrer Ankunft im Kosch wie Aussatz an ihr hing! Außerkoscher!
Jene Eigenschaft, die durch den simplen Umstand definiert des „nicht koscher sein“ definiert wurde und wie eine unsichtbare Mauer zwischen ihr und allen Koschern zu stehen schien – und offenbar sogar zwischen ihr und Roban!
Erbost erhob sie sich.
„Gute Nacht, Wohlgeboren!“ schnarrte sie und verließ die Nische.
„Gute Nacht, Danja“, rief Roban ihr nach, als habe er ihren Ärger überhaupt nicht bemerkt.
Forschen Schrittes suchte die Maga die eigene Lagerstatt wieder auf. „Koscher sind fleißig, zielstrebig und pflichtbewusst“, schimpfte sie leise, während sie die Robe über den Kopf zog und unter die Decke kroch.
„Und unfassbar stur!“