Moorbrücker Sumpf wuchs durch Daimonenmacht

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Ausgabe Nummer 18 - Rahja 1020 BF

Moorbrücker Sumpf wuchs durch Daimonenmacht

Donken eingeschlossen — Treidelstraße am Großen Fluß unterbrochen — Edle und Würdenträger wohlauf — Schlimmeres verhindert?

FERDOK. Borbaradianische Schrecken und Übel nun auch im aufrechten Herzen des Reiches! Doch, dies sei vorweg bemerkt, mag den braven Leser allein ein Schauer ob der erschröcklichen Geschehnisse überlaufen, er nicht aber in Furcht vollends verzagen, denn – den guten Götter sei’s gedankt – ist’s tapferen Helden von Stande wohl gelungen, Übleres noch zu verhindern. – Die Schriftleitung. Es reportiert Adran Kronauer.

Schreckliche Zeitung & frommes Bangen

Als in den frühen Stunden des 27. Götterlaufes des Ingerimm die ersten Nachrichten aus Nadoret und Moorbrück die braven Bürger Ferdoks aus dem Schlaf rissen, und bald schneller als ein Salm die Kunde von finsterer Zauberei den Großen Fluß hinaufeilte, da herrschte eisiger Schrecken allenthalben. So manche Stimme, schwach im Vertrauen auf die Gnade und Allmacht der Göttlichen Zwölfe, verkündete bereits, daß nunmehr der Bethanier auch den Kosch unter seine blutige Knute zwingen werde. Wohl nur dem beherzten Eingreifen der Ferdoker Geweihtenschaft und der Lanzerinnen ist es zu verdanken, daß an jenem warmen Morgen die Menge einen kühlen Kopf bewahrte und nicht mit Sack und Pack und Schaf gen Gareth floh – zumal der Graf der Stadt, Growin, fernab zum Landtag weilte.

Indes war die Kunde, die berittene Boten brachten, in der Tat überaus besorgniserregend: Auf einer Strecke von reichlich fünf Meilen sei die Treidelstraße im Süden Nadorets zwischen Gobroms Hof und Hirschingen verwandelt in morastigen Sumpf und wohl auf Götternamen unbrauchbar, an die hundert Rechtmeilen urbaren und fruchtbaren Landes mit gierigem Schlunde verschlungen. Die Wurzel allen Übels liege an dem Orte, der seit hunderten von Götterläufen wie ein Geschwür im blühenden Ferdokschen Lande wuchert: dem Moorbrücker Sumpf.

In eben jener Baronie aber war zu dieser Zeit auf Einladung des nunmehr zum Barone erhobenen Vogts von Moorbrück besagter Landtag einberufen, zu dessen erlauchten Gästen auch die schetzeneckschen Barone von Metenar und Uztrutz, die Herren von Vinansamt und Geistmark aus der Seegrafschaft sowie hohe Geweihte und Würdenträger zählten. Voller Sorge bangte nun alle Aufrechten um das Wohl der edlen Gesellschaft, war es doch schon zu Praske das Ziel des Bethaniers, Tod und Verderben über die Stützen der Zwölfgöttlichen Ordnung zu bringen.

Praiosläufe vergingen in quälender Ungewißheit, in denen kein Schiff stromaufwärts den Ferdoker Hafen erreichte und alle Kunde aus Moorbrück ausblieb. Immer mehr Flüchtlinge aus dem Nadoreter Süden erreichten die Grafenstadt, wurden liebevoll nach den Geboten Travias verpflegt und aufgenommen in den Mauern der Stadt. Doch konnten auch sie meist nicht mehr berichten, als daß sie inmitten eines fürchterlichen Gewittersturmes im Schein blutroter Blitze, die wie feurige Wunden den Himmel aufzureißen schienen, mitansehen mußten, wie Haus und Hof und so manches gute Stück Vieh im Morast versanken.

Über allem aber stand die Hoffnung strahlend wie Praios’ Licht am Tage und Phexens Sterne in der Nacht und voller Zuversicht sprachen die Geweihten der Zwölfe zu allen Verzweifelnden. Und wahrlich, großer Jubel kam auf, als ein Bote in die Stadt preschte und die Ankunft des Grafen Growin ankündigte, der wohlauf sei und schon bald in Ferdok eintreffen werde. Alle Bürger aber seien ermahnt zu Ruhe und Ordnung und verpflichtet zu Dank und Opfer in den Tempeln der Zwölfe.

Freudig folgten die Ferdoker diesem Aufruf, konnte er doch nichts anderes bedeuten, als das die Götter in ihrer unermeßlichen Weisheit und Güte die Gefahr von den Mauern der Stadt und wohl dem ganzen Kosch genommen hatten. So hallten die Tempelhallen bald wieder von inbrünstigen Gebeten und frohen Chorälen zur Lobpreisung der allmächtigen Zwölfe.

Es war am Morgen des 1. Rahja, als der Graf schließlich in Begleitung der Barone von Vinansamt und Metenar und auch dem in schwarze Rüstung gewappnetem Großmeister der Golgariten, Lucardus von Kémet, freudig empfangen in Ferdok eintraf. Mit ihnen aber war, sicher verschnürt und aufs schärfste bewacht von Knechten des Bannstrahls ein dunkelhaariger Mann in zerfetzter schwarzer Robe! Nur kurz nach allen Seiten winkend und grüßend sprengten die Herrschaften sogleich der Feste entgegen.

Vier Tage passierte ein Wagen mit den Insignien der heiligen zwölfgöttlichen Inquisition aus Richtung Angbar kommend die Stadttore. Darin aber saßen der vom heiligen Eifer beseelte Inquisitonsrat Ucurian Bregelsaumer, der mit der lückenlosen Aufklärung der mysteriösen und beängstigenden Ereignisse beauftragt wurde, und – da staunte mancher – ihm zur Seite Ludolf Barnhelm von Sturmfels-Streitzig, anerkannter Magus der Wächter Rohals, der im Auftrage des Angbarer Erzobservatorius Nostrianus Eisenkober zur Beratung der Inquisition in magischen Fragen abgestellt wurde.

Es war zur Praiosstund des 12. Rahja als der Inquisitor Ucurian auf den Stufen des Praiostempels seine Stimme erhob, klar und hell wie das Licht des Götterfürsten daselbst, die Herzen der Zuhörer mit neuem Mute erfüllte, ein Ende machte den namenlosen Gerüchten und im Namen des Herrn Praios verkündete, was geschehen war.

Wir aber wollen versuchen, all jenen, die nicht just in diesem Augenblicke im lichten Herzen der Stadt weilten, die Ereignisse so zu schildern, wie sie mit den Worten der heiligen Inquisition verkündet wurden, und dabei in gewohnter Weise so umfassend als möglich berichten.

Unheilvoll die Sterne dräuen

Mit großem Interesse und wohl auch Neugier war in den Kreisen des Adels eine Einladung des Moorbrücker Barons Darian Grantel von Grantelweiher und seiner reizenden Gattin Najescha aufgenommen worden. Viele Herrschaften nutzten die Gelegenheit, einmal jenen unbekannten Flecken Koscher Heimaterde mit seltsamem Rufe kennenzulernen. Graf Growin wußte auf geschickte Weise dieses gesellschaftliche Ereignis noch zusätzlich in seiner Wichtigkeit zu betonen, indem er den ohnehin anstehenden Landtag der Ferdoker Adligen mit einem kurzen Erlaß von Ferdok nach Grantelweiher verlegte.

Böse Mäuler indes sahen wohl eher die immensen Kosten eines solchen Adelstreffens als Grund des Grafen an, nunmehr dem Moorbrücker diese Ehre zuzuschieben. Unserem Grafen eine solche Gesinnung zu unterstellen betrachtet wohl jeder ehrbare Ferdoker als wahrhaft niederträchtig, doch gibt es stets einige Nörgler und unzufriedene Nichtsnutze, deren leeres Geschwätz aufs Neue bestätigt, daß Hesindes Gaben eben nicht gleichmäßig unter den Sterblichen verteilt wurde!

So kam es, das neben den genannten Edlen aus anderen Grafschaften alle Barone, Edle und Junker des Ferdoker Landes am 24. Götterläufe des Ingerimm in Grantelweiher auf dem großen (und seit der Erhebung des Herrn Grantel liebevoll restaurierten) Gutshof derer von Grantelweiher eintrafen. Das bunte und lebhafte Fest, bei dem prächtig allerlei Köstlichkeiten aufgefahren wurden, dunkles Ferdoker und Moorbrücker Koschwasser strömten, wurde gekrönt von einer Darbietung des Sterns am Ferdoker und Koscher Sangeshimmel, dem Barden Huminio, der einst in Moorbrück das Licht Deres erblickte.

Neben Interpretationen altbekannter Weisen wie „Sembelquast“, „Wohlan ihr Koscher stolz voran“ oder „Efferdana“ ehrte er seine begeisterten Zuhörer durch eine umjubelte Premiere seines neuesten Werkes „Ferdoker Bier“, welches einiger unverkennbarer Spitzen auf den almadanischen Pfalzbau nicht entbehrte.

Doch kommen wir zurück auf die Geschehnisse in Grantelweiher. Die Vorfälle von Praske und die allgegenwärtige Bedrohung durch übelgesinntes Pack gerade der arkanen Künste hatten dazu geführt, daß auf Anordnung des Moorbrücker Barons die „Partisanengarde“, so der stolze Name des vom Baron neu ausgerüsteten Landwehr, an den Baroniegrenzen Wache hielt und Befehl hatte, alles verdächtige Gesindel festzusetzen. So kam es, daß auch die unseren Lesern bestens bekannte (und ob gewisser Gerüchte wohl auch berüchtigte) Magistra Domaris vom Greifenpaß am Abend des 24. mit Nachdruck daran gehindert wurde, Moorbrücker Boden zu betreten. Alles Zetern und Schimpfen der Zauberin half nichts gegen die unnachgiebigen Kämpen des Barons. Mit zwergischer Gelassenheit erklärte ihr Corporal Felian Durenklos, daß man erst Nachricht nach Grantelweiher senden müsse, um eine entsprechende Erlaubnis einzuholen. Es ist bemerkenswert, daß sich die als sehr fähig aber auch zuweilen als äußerst unbeherrscht bekannte Domaris dieser Anordnung fügte.

Zu Grantelweiher war man ob des Erscheinens der Magistra beunruhigt, mancher sah es gar als böses Omen. Erst als Baron Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm als Bürge auftrat, da erging die Depesche, daß Domaris von A’Tall auf dem Landtage erwartet werde.

Als diese dann am nächsten Morgen eintraf, verfinsterte sich bald so manche Miene: Der Grund ihrer Reise, so die Magierin, sei nämlich eine bedenkliche Konstellation der Sterne, die für die nächsten Tage und Nächte Böses erahnen ließ. Zuweilen ungläubig, meistenteils aber mit Sorge reagierten die Adeligen.

Auch wenn uns durch die Inquisition leider keine näheren Einzelheiten mitgeteilt wurden, und auch die Magistra auf unsere Nachfrage keinerlei Antwort geben wollte, so bestätigte uns ein der Redaktion nahestehender Magister, daß die in diesen Tagen des Ingerimm bei nahendem Neumond herrschenden Konstellationen in der Tat günstig für allerlei finstere Praktiken und Beschwörungen gewesen seien.

Nun wußten die Versammelten nicht recht, was von jener Ankündigung zu halten sei, doch war man sich einig, Unruhe im Volke unbedingt zu vermeiden. So erging lediglich eine eilige Order an die Landwehrschar, in den nächsten Tagen alle Posten doppelt besetzt zu halten.

Als aber am nächsten Morgen Lucardus von Kémet, Großmeister des Ordens vom Heiligen Golgari und in der jüngeren Vergangenheit häufiger Gast auf Gut Grantelweiher, über die absonderlichen Begleitumstände des Verschwindens des Moorbrücker Apothekarius Cepheus und das Auftauchen einzelner Wiedergänger in diesem Zusammenhang berichtete, entschlossen sich die Barone von Vinansamt und Metenar, begleitet von Magistra Domaris und geführt von Lucardus von Kémet nach dem Orte Moorbrück, Hauptort im Herzen der Baronie aufzubrechen, während in Grantelweiher selbst der Landtag vom Ferdoker Grafen eröffnet wurde.

Finstere Schrecken in der Nacht

Allein, die Mission der wackeren vier, die wie Rondras Sturmwind über den Knorpelsteger Knüppeldamm nach Moorbrück brausten, war wenig erfolgreich, mußten sie doch eine berüchtigte Eigenart dieses in den Magierkriegen so schwer geschlagenen Landstriches kennenlernen: den brennenden Haß auf alles Magische und mehr noch auf alle magisch Begabten. So kam es in Moorbrück zu Tumulten als man dort der Magistra ansichtig wurde. Mit Mühe konnte der Marktvogt, Quendan Hornbacher, tätliche Übergriffe vermeiden.

Die Verärgerung der hohen Herren und der Magistra, die unverrichteter Dinge wieder gen Grantelweiher reiten mußten, war groß. Man beschloß, am nächsten Tage ein weiteres Male den Weg anzutreten, diesmal jedoch begleitet von Najescha Grantel von Grantelweiher, der, wie die weiteren Ereignisse zeigten, überaus tatkräftigen und entschlußfreudigen Gemahlin des Barons von Moorbrück.

Als der Landtag in den frühen Abendstunden seinem Ende entgegenging, hatte man in Grantelweiher unter anderem über Verteilungsfragen des gräflichen Zuschusses zur Förderung von Straßen- und Brückenbau debattiert. Auch die schon so oft Anlaß zu erregten Diskussionen liefernde Verpflegung der Schwadronen der Ferdoker Lanzerinnen war erneut angesprochen worden. Zur endgültigen Klärung dieser Frage hatte man sich jedoch zunächst vertagt, um im kleinen Kreise Einzelfragen eingehend nach dem Abendessen zu besprechen. Nach all diesen doch recht trockenen Themen kam den durstigen Edelleuten das vorzügliche Bankett wohl zupaß.

Wie groß war aber die Bestürzung, als aufgeregte Schreie die Feiernden alarmierten und bald ein jeder wußte, daß Graf Growin einem feigen Attentat nur mit Mühe und verletzt entronnen war! Auch hier wurden weder von der Inquisition noch Augenzeugen nähere Ausführungen gemacht. Fest steht nur, daß der wackere Graf auf schnellstem Wege in den örtlichen Perainetempel gebracht wurde und Livia Grantel, die Perainegeweihte Grantelweihers, sich längere Zeit seiner üblen Armwunde annahm. Eine vorübergehende Verhaftung der Magistra Domaris bleibt uns dabei ebenso rätselhaft, wie die Tatsache, daß der Graf das Bankett verließ, um im Dunkeln in der Nähe der Stallungen beinahe gemeuchelt zu werden.

Dies sollte nicht der einzige Schrecken des Abends bleiben: So türmte sich über dem Moor bald danach ein wild wirbelnder Wolkenberg auf, wurde höher und höher und drohte finster und schwärzer als die tiefste sternenlose Nacht. Während die Umstehenden noch über dieses Schauspiel angeregt diskutierten, fuhr mit einem Male eine Heerschar von Blitzen mit lautem Getöse in das entfernte Moor. Der Himmel war erfüllt von niederhöllischer Schwärze und blutigem Rot. Ein Sturm kam auf, begleitet vom faulen Atem der Sümpfe und erfüllt von Ächzen und Stöhnen wie von tausenden gequälten Seelen. Manch einer schlief nicht in dieser Nacht und aufgeregt beriet ein kleiner Kreis der wackersten Streiter, was nun zu tun sei.

Ins Herz des Sumpfs, der Gefahr entgegen!

Als Praios am nächsten Morgen wie ein leuchtendes Fanal seinen Lauf gen Rahja begann, und güldene Strahlen, flammenden Schwertern gleich, in die schwarzen Wolkenmassen fuhren, da brach ein grimmig entschlossener Zug nach Moorbrück auf: Graf Growin im edlen Kettengewande, Baron Merwerd Stoia von Vinansamt im gewohnt schlichten Rocke, Baron Graphiel von Metenar im stolzen Ornat der Bannstrahler, seine Eminenz Lucardus von Kémet in nachtschwarzer Rüstung, Magistra Domaris von A’Tall in schlichter grauer Robe und Najescha Grantel von Grantelweiher gekleidet fast wie eine der furchtlosen Amazonen. Ein Schaudern der Ehrfurcht konnte wohl kaum einer verbergen und mit dem Segen der Geweihten und den guten Wünschen aller verließen sie den Gutshof.

Das erste Ziel war jedoch nicht der Sumpf, sondern Moorbrück selbst, wo die Apotheke des Cepheus von den Streitern durchsucht wurde. Welch einen grausigen Fund aber müssen diese dort gemacht haben!

Schon kurze Zeit nachdem sie das Haus betreten hatten, stürzte der Baron von Vinansamt mit bleichem Gesichte aus diesem heraus und rang mühsam nach Fassung. Auch wenn uns nicht gestattet wurde, das Schreckenshaus zu besichtigen, und die Inquisition das Gemäuer versiegeln ließ, so wurde doch schnell bekannt, daß man die grausam gerichteten Leichen seit Wochen vermißter Kinder sowie allerlei schwarzmagische Gerätschaften in einem geheimen Keller entdeckt hatte!

Doch mag dies noch nicht alles gewesen sein: Wie einige Zeugen übereinstimmend versicherten, entfuhr dem Grafen in einem Momente gerechten Zornes, daß die heiligen Tiere und Symbole aller Zwölfe aufs übelste – Praiosstehunsbei – geschändet worden waren. Als die braven Moorbrücker – wiewohl gestählt im Kampfe gegen das lebensfeindliche – Moor dies vernahmen, da verbargen sie sich furchtsam in den Häusern und beteten laut zu Boron. Die Edlen aber blickten auf das finstere Herz des Moores, in dem noch immer das unheilige Gewitter tobte, und schworen feierlich, dem Übel ein Ende zu setzen.

Doch was hätte aller Mut und alle Zuversicht genutzt, wäre an diesem Tag nicht ein Gemeiner, ein Torfstecher mit Namen Bolzer Spatenschwingh über sich selbst hinausgewachsen. Er, der das Moor, der von klein auf das Moor kennen und fürchten, aber auch bezwingen lernte, führte die Wackeren unverzagt in das tückische Moor hinein.

Leider verliert sich ihr Weg hier für uns. Doch wie uns Ihre Gnaden Ucurian schilderte, gelang es den Tapferen nach beschwerlichem und gefahrvollem Weg direkt in das Zentrum des götterlästerlichen Tuns vorzudringen, und dort eine unheilige Anrufung einer daimonischen Wesenheit in allerletztem Augenblicke zu verhindern. Als Urheber der Invocatio verhaftet aber wurde Cepheus, der scheinbar so ehrbare Apothekarius und fähige Heiler des kleinen Städtchens, der seinen eigenen Tod vorgetäuscht habe, so die Inquisition.

Auch wenn dieser bei seiner Vernehmung immer wieder seine Unschuld beteuerte, und bitterlich weinend schrie und klagte, er sei von einem Druiden für dessen finstere Machenschaften benutzt worden, so überführten ihn am Ende die untrüglichen Zeichen eines von den Göttern verdammten Dämonenknechts.

So stand das weise Urteil der heiligen Zwölfgöttlichen Inquisition sehr schnell fest: Schuldig des Paktes mit Dämonen, schuldig des Borbaradianismus, schuldig des vielfachen Mordes, schuldig der schwarzen Magie zum Schaden der Menschen, schuldig der übelsten Blasphemie. Für all dies ist der Tod in den reinigenden Flammen der Inquisition eine gnädige Strafe. Wo das Urteil vollstreckt werden soll, ist indes noch unklar – wohl wartet die Inquisition hier noch auf eine nähere Weisung aus der Stadt des Lichtes.

Geplagtes Land am Großen Fluß

Doch wollen wir in den Süden Nadorets zurückkehren: In der Nacht des 25. Ingerimm, aufgeschreckt vom fürchterlichen Toben im Moor bemerkten zuerst die Einwohner des Moorbrücker Dörfchens Donken mit namenlosem Entsetzen, wie Tod und Verderben nahten. Schritt um Schritt und Meile um Meile ergoß sich der gierige Sumpf wie eine Flutwelle, die den bannenden Damm durchbricht, gen Donken. Als dieser aber den Zwölfkreis erreichte, da ward das Dorf wie mit einem feurigen Ring umgeben.

Die geweihten Schreine zu Ehren der Zwölfe, errichtet im weiten Kreise um das Dorf zum Schutze gegen das Böse aus den Sümpfen, glühten in heiligem Lichte, der Finsternis zum Trotze. Und wahrlich – Preiset die Zwölfe! – , ein grausiges Heulen erklang aus dem Moor und die faulen Arme des Sumpfes, sie wichen zurück und umfluteten Donken, das nun wurde zu einer Insel, umgeben von faulendem Land. Doch während die Donkener noch dankten den Zwölfen, da fraß sich der Sumpf weiter gen Firun und gen Ferdok.

Was dann aber geschah mag uns kaum begreiflich erscheinen: An den Ufern der Nesse und unweit des Dunkelforsts, da änderte das Grauen seine Richtung und strebte auf geradem Wege dem Ufer des Großen Flusses zu. Ohnmächtig mußten die Menschen in Kemlar und Hirschingen im fahlen Lichte des 26. Ingerimm mitansehen, wie blühendes Land zu fauler Brache wurde, und der Sumpf schließlich die Treidelstraße erreichte. Dort starben drei Treidler, die, plötzlich eingeschlossen, mitsamt ihrer Ochsenkarren versanken.

Als sei der Sumpf beseelt oder gelenkt von daimonischer Hand, so wand sein Lauf sich erneut gen Firun. Mit einem Mal aber tasteten seine feuchten Fühler nur noch zögerlich hierhin und dorthin. Schließlich verließ ihn seine ganze unheilige Kraft – etwa zu der Zeit, als über den Moorbrücker Sümpfen das Gewitter erstarb und die schwarzen Wolkenberge binnen weniger Augenblicke zerrissen wurden von den Strahlen des Götterfürsten. Wohl haben die Götter noch Gnade mit den braven Koschern!

Nun, da der Schuldige des ganzen Übels seiner gerechten Strafe harrt, gilt es den schweren Schaden, der dem Kosch, ja dem ganzen Reiche zugefügt wurde, so schnell als möglich zu beheben. Der Schiffsverkehr auf dem Großen Fluß, der Lebensader des Mittelreiches, die Albernia mit dem Kosch und Garetien verbindet, kam in den ersten Praiosläufen nach der Katastrophe nahezu vollständig zum Erliegen. So war es zwar möglich stromabwärts zu fahren, allein das Treideln stromaufwärts ist ab Gerrun unmöglich. In Moorbrück, Bragahn und Drift, aber auch im nordmärker Albenhus sind alle Liegeplätze mit Schiffen besetzt, deren Ladung zum Teil in den Bäuchen der Schiffe verrottet oder zum Schleuderpreis verkauft wird. Nur wenig kann von Grantelweiher oder Frattorf ins Uztrutzsche übergesetzt werden, um von dort mit Fuhrkarren nach Ferdok zu gelangen.

Diese schlimme Lage wird sicher noch einige Götternamen anhalten, auch wenn Graf Growin sein bestes tut, um die Treidelstraße rasch wieder benutzbar zu machen. Auch aus Angbar traf inzwischen tatkräftige Hilfe ein. Ein Banner der Angbarer Sappeure wurde vom Fürsten persönlich überstellt, der seine tiefste Besorgnis über den Ausfall der Straße bekundete. Trotz aller Anstrengungen gehen Experten der Baukunst davon aus, daß wohl frühestens im späten Travia der normale Verkehr wieder aufgenommen werden kann.

Aus Twergentrutz wird uns dann auch gemeldet, daß die Zahl der Fuhrwerke am Greifenpaß sprunghaft angestiegen ist und die Reichsstraße schon jetzt einer ungewohnt großen Belastung ausgesetzt ist. Oft kommt es gar zu meilenlangen Schlangen inneinander verkeilter Trosse, die auf Stunden die Straße blockieren. Da ein Ausfall auch dieser Lebensader unweigerlich zu einer Katastrophe führen würde, Baron Halderlin aber derzeit in Tobrien weilt, hat Gräfin Ilma beschlossen, zur Unterstützung der Baronin ihren Vogt zu entsenden.

Fürwahr eine wahrhaft prekäre Situation. Doch schulden wir den Zwölfen Dank, daß sie uns bewahrten vor dem Üblen, das aus den Sümpfen das Verderben des Bethaniers über den Kosch bringen wollte, Dank auch den Helden, die mit göttergefälligen Mut Schlimmeres verhüteten. Hoffnung aber sollen diese Ereignisse geben unseren Brüdern und Schwestern im Osten, zeigen sie doch, daß rechter Glaube und rechter Mut auch den Niederhöllen trotzen können. Mit uns die Götter!

A.K.

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Ein bemerkenswerter Zusammenhang ergibt sich zwischen den jüngst gemeldeten mysteriösen und immer noch nicht restlos aufgeklärten Vorfällen am Greifenpaß (der Kurier berichtete) und den jetzt ebenso unzweifelhaft verderblichen Ereignisse, die aus der Ferdoker Baronie Moorbrück gemeldet werden. Über diese Verbindung liegen der Schriftleitung bislang keine weiteren Erkenntnisse vor – es seien jedoch begleitend zur Chronologie der Ereignisse Berichte von Augenzeugen wiedergeben, um dem Leser einen möglichst umfassenden Einblick in die Begebenheiten im Moorbrückschen zu geben. Wir bitten gleichsam um Nachsicht, daß wir die Aussagen der Zeugen naturbelassen und ungekürzt wiedergeben. In einer solch heiklen Situation mag jede Kürzung, jeder Federstrich den Sinn entstellen.

»Jawohl, ich hab’ die hohen Herrschaften in das Moor geführt, und ich hab’ es gut getan. Und mir war nich’ wohl dabei, das kann ich Euch sagen, Herr Kurier. Es war ein furchtbarer Nebel, und plötzlich war da dieses Gesicht, so wie der gute alte Rohal, sah’s aus. Er wird’s wohl auch gewesen sein! Nich’ so wie ein Irrlicht, nein, das war was richtig Unheimliches. So genau hab’ ich nicht verstanden, was sie gesagt hat, war wohl zu gelehrt, die Erscheinung, aber furchtbar war’s jedenfalls, denn die Herrschaften wollten dann tiefer ins Moor. Und ich hab’ sie natürlich geführt, wer sonst! Schreiben sie das auf, Herr Kurier! Und was ganz entsetzlich war, das waren diese Moorleichen, die wir schließlich mit vereinten Kräften zum Herrn Boron geschickt haben – Friede ihren Seelen! Aber erwartet nicht, daß ich jetzt alles berichte, denn ich bin schließlich Geheimnisträger und zum Schweigen verpflichtet! Nur eines will ich noch sagen, die Herrschaften hätten wohl nicht den Rückweg gefunden, wäre ich nicht gewesen. Schreiben sie das auf, Herr Kurier, bei Boron, jawohl!« (Torfstecher Bolzer Spatenschwingh)

»Und diese unheimliche Frau, die von dem Bannstrahler bewacht wurde, trug doch tatsächlich so einen furchtbaren Stab, wie sie ihn tragen, wenn sie einen verzaubern woll’n. Alt und häßlich war sie, ganz wie eine Hex’, das Niederhöllenweib, und geschrien hat sie, furchtbar gekeift. Unsereins weiß ja gar nicht, was die alles mit einem anstellen können, so wie sie den armen Cepheus verschleppt haben. Das war sicherlich auch Hexerei und Magierwerk! Aber bei uns hier kommt kein Magier mehr rein, das können sie mir glauben. Und als sie dann fliehen wollte, da hat der Bannstrahler uns zu Hilfe gerufen, und wir hätten sie beinah erwischt, die schlohweiße Hex mit dem Stab. Das waren wir dem guten Cepheus schuldig, daß wir sie verjagt haben. Leider ist sie uns entkommen, aber der Bannstrahler und der mit den langen schwarzen Haaren, sind mit den anderen hinter ihr her und aus dem Dorf raus. Hab’ gehört, sie haben sie bis ins Moor verfolgt, und dann haben sie ihr da den Garaus gemacht, der Hex’.« (Bäbchen, die Wirtin vom »Moorblick«)

»Der Eine, das war ein ganz komischer Geselle. Heißt, er wär’ was Hohes bei den Golgariten in Drift. Aber da hört man ja allerhand, von denen. Also, wie der da ankommt, ganz in Schwarz und Weiß, da denk ich mir, Du siehst nicht richtig: der Herr Praios kam gerade durch den Morgennebel, und da seh’ ich, daß der Kerl nicht nur einen Schatten wirft, sondern vier. Na sowas ist mir ja noch nicht untergekommen! Sowas nenn ich verhext, oder gar elfisch. Nur ein Glück, daß der mich nicht bemerkt hat, sonst wär’ ich wohl tot umgefallen, oder sonstwie mit Magie geschlagen worden.« (Marktvogt Quendan Hornbacher)

»… Und schließlich kam sogar die Frau Baronin selbst mit den Herrschaften, und dann sind sie in die Apotheke rein und haben da eine ganze Weile verbracht. Und bleich sind sie wieder rausgekommen, allesamt. Und dann hat es geheißen, das Haus werde versiegelt, und jeder mit dem Kerker bestraft, der wage, es zu betreten. Als ob unsereins ein Dieb sei!« (Marktvogt Quendan Hornbacher)

»… Der alte Spatenschwingh, der hat sie reingeführt ins Moor, und der hat Geschichten erzählt, die kann man gar nicht glauben. Der schwarzhaarige Ordensritter soll gar den armen Cepheus angefallen haben, warum weiß ich nicht. Jedenfalls ist unser Apothekarius ohne Zweifel immer ein vorbildlicher Mann gewesen, ohne Fehl und Tadel, möcht’ ich meinen. Und sicher ist es die Schuld der Weißen Hex oder dieses schwarzen Hexers, daß man ihn verhaftet hat. Wunderlich, daß er überhaupt noch lebte, wo man ihn doch im Moor gefunden hat! Schlimmer noch, die Heilige Inquisition ist im Dorf gewesen und hat die Apotheke ‘von Unrat gereinigt’, wie man mir gnädigerweise mitteilte. Es gibt sogar Gerüchte, man habe die Leichen von Kindern im Keller des Cepheus gefunden. Wie abscheulich, Boron möge ihrer Seele gnädig sein!« (Marktvogt Quendan Hornbacher)

»Ja, ich hab sie persönlich bis zur Grenze geleitet, und dann sind sie davon. Der Bannstrahler, der Herr aus Vinansamt und der Graf von Ferdok mit der Kutsch, die beiden anderen sind wohl beisammen davongeritten. Sah fast so aus, als habe sich die Hohe Dame dem Golgariten an die Fersen geheftet. War ziemlich blaß der Herr, vielleicht weil die Dame ihm zu alt ist? Aber was red’ ich da. Der Weibel jedenfalls hat gemeint, seine Exzellenz - so nennt er ihn - habe seit dem Aufenthalt im Moor einen furchtbaren Haß in den Augen gehabt. Weiß der Namenlose warum; die Nachstellungen der Hohen Dame können’s wohl kaum sein, die ihn verdrießen.« (Sabbert Goldig, Kämpfer der ‘Partisanengarde’)

»Ja genau gehört hab ich’s, wie der eine was von Buhle gesagt hat, und damit kann er ja wohl nur die Magistra gemeint haben, war ja sonst keine da zum buhlen. Daß der junge Mann sich so ne Alte hält, is ja verwunderlich. Aber die vom Orden sind ja sowieso wunderlich. Hab’ gehört, vor Jahren soll’s gewesen sein, daß sie sich Kinder geholt haben aus den Dörfern, die keiner mehr haben wollt. Hat keiner mehr was von gehört...« (Moorbert der Verdrießliche)

»Die Ereignisse sind offensichtlich auf eine autopoetische Manifestation des [einer mächtigen dämonischen Wesenheit, die Schriftl.] zurückzuführen. Leider war es mir nicht möglich, weitere Erkenntnisse zu gewinnen, zumal der Baron von Moorbrück die Untersuchung eher behinderte als förderte.« (Baranoir Mi Taer, Hofmagus zu Vinansamt)