Man erntet, was man sät - Eine harte Nuss

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Durstein, Mitte bis Ende Rondra 1041 BF

Eine harte Nuss

Einen Tag später hatten die Aufständischen und ihre Verbündeten die Frontlinien rund um die Burg ausgelotet. Im Süden, auf der Straße nach Zolchodh, wurde die letzte Lücke des Belagerungsrings mit einem Kontrollposten in einiger Entfernung zur Burg dicht gemacht. Zwar geschah das nicht ohne Protest der Belagerten – einige Soldaten des Barons tauchten unverhofft vor der Burg auf und feuerten aus weiter Entfernung einige Armbrustsalven auf die Belagerer ab – Jedoch war dieser Angriff rechts ambitionslos und dauerte nicht lange. Es schien, als hätte keiner der beiden Parteien Interesse an einem größeren Blutvergießen.
Die Belagerer errichteten an den Rändern des Dorfes ihre Unterkünfte und Kontrollposten. Das Zentrum kontrollierten die Barönlichen von der Burg, aber auch vom besetzten Praiostempel aus. Denn dort hatten sich knapp zwanzig Streiter des Barons verschanzt und vorwitzige Angreifer mit ihren Armbrüsten beschossen. Zum Belagerungsheer gesellten sich nun auch immer mehr der Überlebenden aus dem Dorf, was die Versorgungslage anspannte.

Gegen Ende der ersten Woche setzten sich Barthalm, Morena, Brumil und Alvide im Zelt der Sindelsaumer Baronin zusammen, genossen ein paar Krüge Ferdoker und besprachen das weitere Vorgehen. Burgom, ein Sohn des Brumil, war ebenfalls aus Ferdok angereist, um die Aufständischen zu unterstützen. Barthalm schüttelte besorgt den Kopf. „Mir gefällt das nicht. In der Burg feiern sie fast täglich Feste! – Die haben wohl kein bisschen Angst vor dieser Belagerung! Die führen was im Schilde!“
Alvide winkte ab. „Genau das wollen sie uns weismachen. Die ausgelassene Stimmung täuschen sie vor, um uns zu verunsichern. Das kostet sie nichts.“
„Das glaube ich nicht“, erwiderte Barthalm. „Die feiern! Die gaukeln das nicht bloß vor. Gestern haben sie eine Sau geschlachtet. Das Vieh hat so laut geschrien, dass man es im ganzen Ort hören konnte. Und dann heizen sie – aus zwei Kaminen! Im Rondra! Wenn sie im Winter nicht erfrieren oder ihren Brei roh essen wollen, können sie mit keiner langen Belagerung rechnen. So viel Holz haben die doch nie und nimmer eingelagert, dass es bei dem Verbrauch bis ins Frühjahr reicht. Ich sage euch, die rechnen mit einem baldigen Entsatz.“
Brumil hakte ein. „Nun, wenigstens wir sollen unsere Versorgung ernst nehmen. Anscheinend hat der Baron nicht vor, sich uns im Kampf zu stellen. Wir sollten daher unsere Truppen vor Ort reduzieren und uns um die restliche Baronie kümmern.“ Alivde nickte. „Ich werde Eberhelm von Treublatt mit einigen Leuten nach Drift schicken, um Mirkagarten zu besetzen und die Versorgung der Verbündeten zu organisieren.
Garosch soll derweilen mit einigen Barabeinern Steinberg besetzen, um die Brücke über die Unwyn zu kontrollieren.“
Morena zog die Augenbrauen zusammen. „Ich – und alle anderen des Bauernhaufens – sind der Meinung, dass wir dem Baron so schnell wie möglich den Garaus machen sollten. Der Rest erledigt sich dann von selbst!“
Alvide nickte abermals. „Recht so. Aber der Angriff muss wohldurchdacht und geplant sein. Herr Brumil, wie schätzen die Kumpel die Lage ein?“
Brumil räusperte sich: „Roglom hat mir heute berichtet. Die Burg und das obere Dorf stehen auf einem massiven Granitsockel. Eine Unterminierung würde viele Monate dauern. Die Burg selbst ist ebenfalls aus Granit gebaut. Im Norden liegt ein Talus aus lockerem Gestein. Hier könnte man Schächte graben, die vom unteren Dorf bis knapp ans das obere Dorf, nahe an die Burg, reichen würden.“
Alvide: „Talus?“
Brumil: „Eine Böschung nahe von Steilwänden, die im Wesentlichen aus Geröll besteht.“
Alvide fuhr fort: „Also gut. Dann sollten wir einen Stollen durch diese Böschung treiben und zugleich mit unserem Onager eine Bresche in jenen Abschnitt der Burg schießen, der dieser Böschung am nächsten liegt. Dann können wir stürmen.“
Brumil blickte zu seinem Sohn: „Burgom hat hierzu Berechnungen angestellt.“
Burgom räusperte sich „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund der großen Höhendifferenz zwischen Burg und unterem Dorf der Onager sehr nah herangeführt werden müsste, um die Burg wenigstens im Scheitelpunkt der Wurfparabel zu treffen. Die Durchschlagskraft ist jedoch im Scheitelpunkt am geringsten, was den Onager wenig effizient machen würde. Außerdem wäre er dann in Reichweite der Armbrustschützen der Burgbesatzung.“
Alvide schüttelte ungläubig den Kopf. „Zwerge“, murmelte sie. Dann seufzte sie. „Also gut. Dann machen wir eines nach dem anderen. Konzentrieren wir uns erstmal auf den besetzten Tempel. Den können wir doch bombardieren, oder?“
Burgom nickte.
Der Onager der Sindelsaumer war rasch aufgebaut worden und schleuderte zahlreiche Steine und Brandtöpfe in die Stellung der Drifter. Nach einem Tag des Beschusses machte sich Barthalm gegen Abend mit einem Tsabanner in der Hand auf den Weg zum Tempel. Zahlreiche angespannte Gesichter beobachteten ihn, als er sich näherte. Je näher er kam, umso klarer wurde ihm, dass die meisten Verteidiger gepresste Bauern waren, verstärkt von nur einigen wenigen Drifter Gardisten.
Als er schließlich in Hörweite angekommen war, breitete er die Arme aus und rief: „Drifter. Ihr habt euch tapfer geschlagen, aber euer Baron hat euch auf verlorenem Posten positioniert, sicherlich um uns ein wenig zu ärgern, aber hauptsächlich, um Vorräte auf der Burg zu sparen. Wir haben euch nun einen Tag beschossen und einige von euch sind bereits verwundet und ein paar vielleicht gar zu Boron gegangen. Ihr habt nun eine Wahl. Wir haben Munition für viele Tage und unsere Sappeure meißeln bereits neue Geschosse. Wenn ihr also einen unnützen Tod sterben wollt, dann bleibt hier und haltet die Stellung, wenn ihr aber leben wollt, dann gewähren wir euch freien Abzug, waffenlos versteht sich, und ein Handgeld von zwanzig Dukaten die Nase um euch die Entscheidung leichter zu machen. Entscheidet euch bis morgen früh, denn heute Nacht lassen wir euch in Ruhe, aber morgen früh wird der Beschuss wieder losgehen.“

Später am Abend saßen die Anführer wieder im Zelt der Sindelsaumer Baronin beisammen.
Brumil: „Hoffentlich geben sie den Tempel morgen wirklich auf. Die Verluste bei einem Sturm wären hoch.“
Barthalm machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die sind ja nicht blöd und lassen sich für ihren Baron abschlachten. Die wissen ja auch, dass sie da auf verlorenem Posten stehen. Zumal die meisten von ihnen ohnehin Bauern sind.“
Brumil: „Ich staune noch immer, wieviel Gold ihr ihnen gebotet habt. Für Bauern und Gardisten ist das ja ein kleines Vermögen.“ Barthalm breitete die Arme aus: „Wieviel Gold ist genug Geld, um seinen Herrn zu verraten? Für die Gardisten sind das 4 Monate Lohn, wenn man annimmt, dass sie nicht besonders gut bezahlt werden. Für sie muss es genug Geld sein, damit sie sich weit vom Acker machen können, denn falls Narmur doch gewinnt, wird er sich sicherlich bitter rächen.

Für die Landwehrkämpfer muss es genug Geld sein, damit sie das Risiko einer Rache Narmurs in Kauf nehmen. Derzeit sieht es nicht gut für den Baron aus, daher ist das Risiko gering, dennoch sind die Landwehrkämpfer Bauern mit Landbesitz, daher muss die Summe groß genug sein, um sie zu reizen. Für uns sind das knapp 300 Golddukaten. Mit verlorener Ausrüstung und Munition sowie Verlusten und Verwundeten hätte uns ein Sturm sicher ähnlich viel gekostet, so aber schonen wir unsere Leute. Die Kriegskasse gibt das durchaus her, denn wir mussten ja genug Gold mitbringen, um unsere Leute für einen längeren Zeitraum zu besolden und zu verpflegen.“ Alvide nickte. „Es soll ja durchaus einer raschen Entscheidungsfindung der Tempelbesatzung helfen...“

Ein Alarmruf unterbrach sie und die drei Anführer rannten aus dem Zelt, um zu sehen, was los war. Vom Praiostempel her waren Schreie, Rufe und Kampfeslärm zu hören.
Bis Barthalm und die anderen aber dort ankamen, war der Kampf auch schon wieder vorüber. Roglom Wackerstrunk hatte in der Nacht seine Zwerge nahe an den Tempel geführt, um Wache zu halten. Nun meldete er: „Die wollten zur Burg durchbrechen, aber die hatten wohl nicht mit uns Angroschim gerechnet. In der Dunkelheit sehen wir einfach besser. Naja, jetzt ist einer von denen tot und drei weitere verwundet. Auch wir haben zwei Verwundete zu beklagen. Dachten die echt, wir würden sie hier nachts nicht besonders im Auge behalten?“ Roglom schien ehrlich verletzt zu sein ob so wenig Vertrauen in sein Können.
Am nächsten Morgen ergaben sich die Verteidiger des Tempels und zogen mit ihrem Handgeld entschädigt und eskortiert von einer Abteilung der Belagerer von dannen. Nun begann die eigentliche Belagerung erst richtig. Auf zwei Felsnadeln gelegen würde die Burg eine harte Nuss darstellen.