Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Aufmarsch

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, weitere

Nordmarken, 1033

Das Ross von Ardare von Sturmfels, Tante Angronds wie Hagens und Hofheroldin Dohlenfeldes, quälte sich schweißnass den recht breiten und gut befestigten Waldweg in ein Tal des Eisenwaldes auf halber Strecke zwischen Nilsitz, dem Hauptort der gleichnamigen Vogteien, und Herzoglich Twergenhausen hinauf. Weniger die moderate Steigung war das Problem als vielmehr die brütende Sommerhitze, die selbst vom Schatten der mächtigen Buchen und Ulmen nur wenig gemildert wurde. Die knapp fünfzigjährige Baroness zu Dohlenfelde – Ardare war eine Schwester des verstorbenen Barons Bernhelm – ritt nicht weit hinter Baron Angrond, der mit einigen seiner Getreuen und Bündnispartner auf dem Weg zum wichtigsten Sammelpunkt seiner Truppen war. An Angronds Seite ritt sein Schwiegervater, Roderich von Quakenbrück.
Man hatte sich in Turehall auf dieses abgelegenes Nilsitzer Tal nicht weit vom rahjawärtigen Ausgang der Opferschlucht geeinigt, um das Heer zusammenzuziehen, das am 15. Rondra 1033 BF die Grenze zu Dohlenfelde überschreiten und Hagens Usurpation beenden sollte: Das Tal war abgesehen von zwei Köhlerfamilien unbewohnt und lag zwei Tagesritte vom Hafen Nilsitz und einen Tagesmarsch von der Grenze Dohlenfeldes entfernt. Auch die erzzwergische Söldnersippe, die Angrond für eine Unsumme Gold angeworben hatte, war gerne bereit, dorthin zu marschieren. Für das von Schiffen aus kaum einsehbare Tal sprach zudem ein von einer Flussinsel geschützter Ankerplatz im Großen Fluss. Man hatte sich in Turehall aber darauf geeinigt, wenn zeitlich irgendwie möglich alle Streiter und alles Material in Nilsitz anzulanden und von dort den beschwerlichen Landweg in das abgelegene Tal zu nehmen. Würden, selbst über mehrere Tage verteilt, mehrere Schiffe im Großen Fluss am firunwärtigen Ausgang des Tales ankern, würde dies sehr leicht die Aufmerksamkeit anderer Flussschiffe erregen, die hier zumeist mit Lotsen der Twergenhäuser Lotsengilde fuhren. Zudem patrouillierte an diesem weitgehend menschenleeren Flussabschnitt, der für seine Piratenverstecke gefürchtet war, eine in Twergenhausen stationierte herzogliche Flussgaleere. Es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der Sammelpunkt von Angronds Heer in Twergenhausen und dann auch Hagen auf Burg Dohlenhorst bekannt wäre. Der Überraschungseffekt des geplanten Angriffs wäre dahin. Die Gerüchte, die in den letzten Tagen aus Dohlenfelde und Twergenhausen eingetroffen waren, ließen ohnehin daran zweifeln, Dohlenfelde im Handstreich einzunehmen – aber noch hatte zumindest Angrond die Hoffnung darauf nicht ganz fahren lassen.
Seine Tante Ardare hatte in ihren jungen Jahren eine steile Karriere bei den Isenhager Jägern begonnen, bis sie bei einem schweren Turnierunfall eine Bauchverletzung erlitt und fast ihr Leben verlor. Während ihrer langsamen und qualvollen Gesundung, denn das Wundfieber zehrte ihre Lebenskraft auf, suchte Ardare, die sich seit ihrer Pagenzeit immer als Offizierin sah, die Nähe zur ihrer Göttin Rondra. Die stolze Ritterin versuchte herauszufinden, was die Himmlische Leuin mit ihr vorhatte. Rondra und ihre Alveraniare, vor allem Sankt, erschienen mehrfach in ihren Fieberträumen. In einem sehr intensiven Traum riss ihr Sankt Hlûthar trotz ihrer heftigen Gegenwehr das Langschwert aus der Hand. Als der Heilige die Waffe schließlich in Händen hielt, präsentierte er Ardare das purpurne Gift, das sich am Schwertknauf befand, und ihr über viele Jahre schleichend ihre Gesundheit geraubt hatte.
Nie hatte Ardare von ihren Träumen erzählt, auch keinen Geweihten der Rondra oder des Boron. Diese Offenbarungen Rondras gingen nur sie etwas an! Während sich der unheimliche zweite Traum ihr lange nicht erschloss, interpretierte Ardare den ersten Traum noch während ihrer Genesung derart, dass sie sich vom Kriegshandwerk abwenden sollte. Sie gab schweren Herzens aber voller Überzeugung, das richtige zu tun, ihr Offizierspatent zurück und trat auch nie mehr auf einem Turnier an. 1022 BF wurde ihr von ihrem älteren Bruder Bernhelm und dessen Gattin Frylinde angeboten, als Hofheroldin Dohlenfeldes zu dienen. Ihr Amtsvorgänger, ein Onkel, war kürzlich verstorben, und das Hofamt lag traditionell in Familienhand. Es gab Ardares Leben nach Jahren der Suche neuen Sinn, für ihren Bruder, den Baron und Reichskammerrichter, durch die halbe bekannte Welt zu reisen, durch das Mittelreich, durch das abtrünnige Yaquirische Königreich, durch das aufsässige Aranien. Als Bernhelm 1029 BF ermordet wurde, nahm sie diese Aufgaben wie selbstverständlich für ihren Neffen Angrond wahr. Der Thronfolgestreit zwischen Angrond und Hagen, so redete sie sich ein, ginge sie nichts an. Schließlich waren beide ihre Neffen. Doch als Hagens Heer über Dohlenfelde herfiel, und Angrond sie mit eiliger Nachricht an seine ritterlichen Vasallen entsandte. Als sie dann sah, wie die Stadt Twergenhausen gegen Burg Schwarzfels marschierte, stellte sich Ardare zum ersten Mal im Zwist der Brüder eindeutig auf Seiten Angronds: Hagen, der sich mit Twergenhausen verbündet hatte, war zu weit gegangen. Ein Bündnis mit Twergenhausen war definitiv nichts, was Bernhelm jemals eingegangen wäre.
Schließlich öffnete sich das Gebirgstal vor den Reitern, Ardare hatte einen perfekten Blick über die dicht bewaldeten Hänge, die zu beiden Seiten mehrere hundert Schritt in die Höhe stiegen. Insgesamt fünf Rauchsäulen stiegen aus den Kohlenmeilern in den Himmel. Kein auf dem Großen Fluss vorbeifahrendes Schiff würde es groß irritieren, hier noch mehr Rauch aufsteigen zu sehen. An der Talsohle befand sich zudem eine schmucke Jagdhütte mit mehreren befestigen Feuerstellen. Diese Hütte war der Grund für den überraschend guten Weg in das Tal, unternahmen die Landadligen der Vogteien doch gerne von hier aus ihre Jagdausflüge in den Eisenwald.
Während der 37jährige Angrond auf seinem heftig schnaubenden Ross einige nichtige Worte zum Tal verlor und sich mit Roderich von Quakenbrück und der Ritterin Alannia von Krotenau beriet. Die junge Alannia war die umstrittene Jungfer zu Finsterklamm in Liepenstein, sie war seine erste Knappin gewesen, hatte 1028 BF von ihm den Ritterschlag erhalten hatte und seither in seinen Diensten gestanden. Während sich die drei berieten, wo genau man das Lager errichten sollte, musste Ardare wieder an ihren Fiebertraum denken, den Traum mit dem Schwert. Hatte sie den Willen Rondras womöglich falsch gedeutet? Ging es gar nicht um sie, ging es womöglich um das Schwert Hlûtharhilf, das Familienschwert des mittleren Hauses Sturmfels, das 935 BF von einem erzzwergischen Meisterschmied geschaffen worden war und seit Bernhelms Tod von Hagen geführt wurde? War dieses Schwert von bösen Mächten beseelt? Würde seine finstere Macht Hagen schaden oder nützen? Und welche Rolle hatte die Himmlische Leuin nun ihr zugedacht. Sie musste darüber nachdenken. Falls das Schwert Hagens von üblen Mächten besessen war, musste sie Angrond davor warnen. Aber sie hatte keine Beweise, nur ihre Interpretation eines Fiebertraums, den sie vor einem Dutzend Jahren hatte. Sie musste Angrond auf andere Art und Weise vor dem Schwert Hlûtharhilf schützen. Aber wie? Sie zerbrach sich den Kopf.
Ardare erschrak, als Alannia sie kurz am linken Unterarm knuffte. Sie hatte offensichtlich eine an sie gerichtete Frage Baron Angronds überhört, ihr Neffe wiederholte diese nun: „Auch Eurerseits keine Einwände, Ardare? Dann sollten wir es genauso machen wie besprochen. In weniger als einer Woche wird dieser unselige Streit beendet sein.“ Die Hofheroldin erwiderte ihrem Dienstherrn kurz und bündig: „Nein, keine Einwände, Angrond, keine Einwände...“ Angrond von Sturmfels gab mit knappen Worten Anweisung, wo das Lager zu errichten sei. Roderich würde sich zusammen mit Ituberga von Liepenstein, der Burghauptfrau zu Dohlenhorst, um die Umsetzung kümmern. Der Praiosschild hatte seinen höchsten Stand erreicht, an diesem Abend wurden bereits die ersten Verbündeten hier erwartet. Es war noch viel zu tun.

Angrond konnte sich wohlweislich auf seinen Schwiegervater und gleichermaßen auf seine Hauptfrau verlassen. Die Burghauptfrau hatte bereits seinem Vater treu gedient. Roderich derweil hatte seinem Schwiegersohn selbst bei größten Widrigkeiten nicht die Unterstptzung versagt. Er wusste recht genau was ihm im Sinn stand und Ituberga hatte von Liepenstein hatte sich schon einst mit dem aus ihrer Sicht herrischen Herrn herumschlagen müssen. Die Burghauptfrau erkannte wohl, dass Roderich hinsichtlich Feldzüge keine außerordentliche Erfahrung besaß, doch wusste sie seit der Belagerung Dohlenfeldes, dass er wohl Geschick besaß nicht nur in den Winkelzügen der Bürokratie und Schreibstuben.
Dem Stand und Rang in den Reihen der Verbündeten wurden die Lagerstellen zugedacht. Der Verteidigung des Lagers wurde wohl Beachtung geschenkt, doch ein kundiges Auge mochte erkennen, dass hier vielmehr andere Aspekte im Vordergrund standen. Niemand sollte sich zurückgewiesen fühlen oder unter seinem Stand platziert würden, Verbündete würden in der Nachbarschaft stehen, Konkurrenten entfernter. Der Ort war gut gewählt und die Vorbereitung geschickt getroffen. Nicht viel anders, sollte auch der Schlachtplan erdacht sein.
Der Vogt von Nilsitz würde keine unerwünschten Eindringlinge in seinen Landen dulden und Kundschafter würden vor herannahenden Feinden warnen. Das Lager war sicher. „Wir werden sehen wer zu seinem Wort steht und hoffen, dass es reichlich sind. Der Götterfürst wird ihre Ehrlichkeit zu belohnen wissen.“
„Da habt Ihr wohl Recht. Doch eines ist allein in die Redlichkeit der Verbündeten zu hoffen, etwas anderes jedoch um die Treue ihrer Versprechen zu wissen.“
Und mehr als das gegebene Wort waren all die jeweiligen persönlichen Gründe, die einen jeden bewegt hatten sich Angrond anzuschließen, wusste Roderich.
Schon war es nicht einfach gewesen seinen Bruder zu bewegen sich der Sache anzuschließen. Der Baron von Eisenhuett folgte außerordentlichen Idealen und wäre es nicht um die Handlungen und Haltungen Hagens und seiner Verbündeten, ja schon die Wahl dieser, gewesen, Roderich hätte den Herrn von Eisenhuett nur schwerlich zu einer Beteiligung oder gar solch einem Aufmarsch bewegen können.
Wie beim Boltenspiel, dem Roderich grundsätzlich nicht geneigt war, zumindest wenn es im Sinne Phexens gespielt wurde, musste man nur die richtigen Karten in der angemessenen Reihenfolge ausspielen zum Ziel zu gelangen.